Totgesagte leben laenger - Kloster Dalheim zeigt Ausstellung „Latein. Tot
oder lebendig!?“, Lichtenau-Dalheim, 13.05.22 - 08.01.23
https://www.stiftung-kloster-dalheim.lwl.org/de/ Latein heute
Im Zeitalter der Weltsprache Englisch wird Latein oft für tot erklärt und
gilt als berüchtigter Schülerschreck. Dabei steckt im modernen Alltag noch
mehr Latein, als das übliche „carpe diem“ (lat.: nutze den Tag). In der
Schule lernt man addieren (von addere, lat.: hinzufügen) und subtrahieren
(von subtrahere, lat.: wegziehen), Produkte wie „Labello“ (von labium
bellum, lat.: schöne Lippe) pflegen die Lippen oder schützen den Schlaf wie „Ohropax“ (von pax, lat.: Friede).
Latein ist die dritthäufigste Fremdsprache an deutschen Schulen und
Voraussetzung für zahlreiche Studiengänge. Rundfunk- und Fernsehstationen bieten Sendungen in lateinischer Sprache an. Regelmäßig erscheinen Latein-Lexika mit Wortneuschöpfungen aus der Gegenwart. Der Papst twittert auf Latein, und neben zahlreichen Filmen und Computerspielen sind es vor allem die bekannten Geschichten von Asterix und Obelix und auch die Abenteuer von Harrius Potter, die zeigen, dass Latein Teil der Popkultur geworden ist.
Zweisprachigkeit und lateinische Sinnlichkeit
„Die Frage nach der Lebendigkeit von Latein definiert sich vor allem durch
den Gebrauch“, erläutert Museumsdirektor Dr. Ingo Grabowsky. „Und dieser ist, wie die Ausstellung zeigt, seit der Antike ungebrochen.“ Das beweise auch die Aufmachung der Sonderausstellung, denn diese ist komplett zweisprachig: Der Audioguide, die Exponattexte und Erklärfilme stehen sowohl auf Deutsch als auch auf Latein zur Verfügung. Auszüge aus Texten von Cicero und Horaz lassen erahnen, wie Latein einmal geklungen hat, und die Ausstellungsgestaltung entführt unter anderem in das antike Rom. „Damit erhalten Museumsgäste ein volles Latein-Erlebnis“, so Grabowsky. Auch werde der ästhetische Wert der Sprache vermittelt.
Exponate
Rund 200 Exponate aus renommierten internationalen Museen, Bibliotheken, Archiven und von Privatleihgeber:innen geben Ausstellungsgästen Einblicke in die über 2.000 jährige Sprachgeschichte. Ihr Spektrum reicht dabei von wertvollen mittelalterlichen Handschriften, Alltagsgegenständen aus der Antike bis hin zu einem „Strafesel“ oder Harry Potters Flugbesen. „Besonders freue ich mich, dass wir das älteste Fragment einer lateinischen Bibel-Übersetzung des Hieronymus aus dem 5. Jahrhundert als Leihgabe von der Stiftsbibliothek St. Gallen für die Sonderausstellung bekommen haben“, so die Ausstellungs-Projektleiterin Carolin Mischer. „Das Exponat bezeugt einerseits die Bedeutung des Lateinischen als Kirchensprache und verweist zugleich auf die tragende Rolle, die Klöster als Bewahrer und aktive Nutzer der antiken Sprache inne hatten.“
Gezeigt werden zum Beispiel ein Dolch aus dem Privatbesitz des Erasmus von Rotterdam, die Dramensammlung einer der ersten deutschen Latein-Dichterinnen und Exponate aus dem Lateinunterricht erster Stunde wie ein über 1.000 Jahre altes Schülerheft. Ebenfalls zu sehen sind ein lateinischer Briefwechsel mit dem Politiker Franz Josef Strauß und Objekte aus der jüngeren Populärkultur, darunter eine lateinische „BRAVO“ - inklusive Dr. Sommer-Seite, oder die Original-zeichnung eines Asterix-Comics aus der Bibliothèque nationale de
France in Paris.
Podcast
„Um neue Besuchergruppen für diese wichtige Ausstellung zu begeistern, geht das Kloster Dalheim neue Wege“, berichtete Museumsdirektor Grabowksy: „Das LWL-Landesmuseum für Klosterkultur hat eigens zur Sonderausstellung einen Podcast entwickelt.“ Unter dem Titel „Hocus, locus, jocus“ - eine Anspielung auf das „Juristenlatein“ aus einem Donald Duck-Comic - berichtet der Podcast über redegewandte Lateinmörder, waschechte „Latin Lovers“ und spinnende Römer.
In 15-minütigen Folgen nimmt der Journalist Lars Faulenbach Hörerinnen und Hörer mit auf die Spurensuche des Lateinischen in der Gegenwart. Dabei erklärt er, warum Latein hilft, sich in Westfalen zurechtzufinden, auf
falsche Juristen nicht hereinzufallen und die klassische Kunst des Liebens
zu erlernen.
Der Podcast ist auf allen gängigen Streaming-Plattformen und auf der
Homepage des Museums verfügbar.
„Nicht tot, sondern unsterblich“
„Die vielfältige Geschichte des Lateinischen zeugt vor allem von der
Wandlungsfähigkeit der Sprache“, konstatierte Grabowsky. „Und das nicht in seinen grammatischen Strukturen, denn die sind seit Cicero so gut wie
unverändert, sondern in seiner Funktion“, so Grabowsky weiter. Aus der
Kirchen-, Welt- und Gelehrtensprache wurde ab dem 15. Jahrhundert eine
allgemeine Bildungssprache. Dabei sah sich das Lateinische immer wieder Krisen ausgesetzt. Geistliche wie Augustinus von Hippo oder die Stiftsdame und Dichterin Hrotsvit von Gandersheim diskutierten die Frage, ob das klassische, heidnische Latein als Vorbild für christliche Texte dienen könne. Seit der aufkommenden Verschriftlichung der Nationalsprachen, die im 13. Jahrhundert ihren Höhepunkt erfährt, steht die Frage nach dem Zweck der Sprache immer wieder im Vordergrund. Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts versetzte dem aktiven Sprach-
gebrauch des Lateinischen in der Schule einen letzten „Todesstoß“.
Gleichzeitig griffen Herrscher wie Karl der Große und Gelehrte wie Francesco Petrarca oder Erasmus von Rotterdam immer wieder auf die antike Sprache zurück, wenn sie kulturelle und sprachliche Reformen forderten, und belebten dadurch das Lateinische aufs Neue.
„Der Einfluss des Lateinischen auf die noch lebenden Sprachen sowie die
europäische Kultur ist maßgebend“, sagte Grabowsky „In Zeiten stärker
werdender nationalistischer und populistischer Bewegungen ist in diesem
Zusammenhang auch die völkerverbindende Funktion als gemeinsame europäische Basis hervorzuheben.“
Förderer, Beirat, Kooperation
"Die Schau zeigt, dass die antike Sprache noch längst nicht verstummt ist, " so Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.
„Wir freuen uns daher die Ausstellung zu diesem kulturhistorisch wichtigen Thema unterstützen zu können.“
Weitere Förderer der Schau im Kloster Dalheim sind die LWL-Kulturstiftung, die Rudolf-August-Oetker-Stiftung, die Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial Versicherung, die Friede Springer Stiftung und die Stiftung der Sparkasse Paderborn-Detmold für den Kreis Paderborn.
Ein wissenschaftlicher Beirat, bestehend aus ausgewiesenen Fachleuten aus Philologie, Geschichtswissenschaften und Museumspraxis, begleitet die Sonderausstellung „Latein. Tot oder lebendig!?“.
In Zusammenarbeit mit dem LWL-Landesmuseum für Klosterkultur erarbeiteten Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Jahrgangsstufen des Gymnasiums Theodorianum in Paderborn für die Dalheimer Schau Quizfragen, erstellten kurze Videoclips in lateinischer und deutscher Sprache für interaktive Medienstationen und gestalteten ein lateinisches Bildwörterbuch.
Freier Eintritt für Kinder und Jugendliche
Kinder und Jugendliche haben freien Eintritt in alle Museen des
Landschaftsverbands Westfalen-Lippe.
Mit dem neuen „Mobilitätsfonds“ werden Schulen und Kitas aus Westfalen-Lippe bei der Anreise ins Museum mit Bus u. Bahn unterstützt. Informationen gibt es unter Tel. 05292 93 19-225 (Di.-Fr. 11-16 Uhr) oder
https://www.mobilitaetsfonds.lwl.org.
Katalog
Zur Ausstellung erscheint ein rund 300-seitiger Katalog im Fink-Verlag. Der reich bebilderte Katalog blickt auf 2.100 Jahre Sprachgeschichte und
dokumentiert den Aufstieg und Fall des Lateinischen.
Geschichtswissenschaftliche und philologische Beiträge untersuchen den
früheren und heutigen Stellenwert der „Muttersprache Europas“ und zeigen, warum Latein auch heute noch quicklebendig ist. Der Katalog (ISBN 978-3-95976-375-2) kostet 24,80 Euro und ist im Dalheimer Klosterladen sowie im Buchhandel zu erwerben.
Programm zur Ausstellung
Zur Ausstellung wird ein Rahmenprogramm von Vorträgen, Kursen,
Ferienprogrammen und einem Programm für Kindergeburtstage aufgelegt.
Prof. Dr. Hans-Walter Storck von der Erzbischöflichen Akademischen
Bibliothek Paderborn widmet seinen Vortrag „Der Cicero-Codex aus Corvey“ (12. Juni) einem Leitexponat der Sonderausstellung aus dem 12. Jahrhundert. Er referiert über die Herstellung, Schrift und das Widmungsbild des Cicero-Sammelbands des Wibald von Stablo aus dem Kloster Corvey.
Unter dem Titel „Zwischen Antike und Mittelalter - Augustinus von Hippo“
(11. September) stellt Rudolf Henneböhl das Leben des Kirchenvaters in den Fokus und gibt einen Überblick zu dessen Werken.
Nach der heutigen Bedeutung des Lateinischen fragt die Latinistin der
Universität des Saarlandes, Dr. Sigrid Albert, in ihrem Vortrag „Und wenn
sie nicht gestorben ist - zur ‚Latinitas viva‘“ (9. Oktober).
Bier: Cervisia exportaticia
Auch 2022 gibt es nach klösterlicher Tradition in Dalheim ein Bier zur
Ausstellung. „Die ‚Cervisia exportaticia‘ ist ein schmackhaftes, mildes
Exportbier - für Römerinnen, Barbaren und Ausstellungsgäste“ so Ingo
Grabowsky.
Führungen für Einzelgäste
Öffentliche Führungen gehen sonn- und feiertags ab 15 Uhr durch die
Sonderausstellung (Teilnahmegebühr pro Erwachsenem: 3 Euro zzgl.
Museumseintritt).
Führungen für Gruppen
durch die Sonderausstellung, durch die Klostergärten u. die Klosteranlage
können dienstags bis freitags von 11 bis 16 Uhr unter Telefon (0 52 92) 93
19-225 oder per E-Mail unter besucherservice.dalheim@lwl.org gebucht werden.
Informationen zur Ausstellung sowie das gesamte Begleitprogramm unter
http://www.stiftung-kloster-dalheim.lwl.org
INFO
Sonderausstellung „Latein. Tot oder lebendig!?“
13.05.2022 bis 08.01.2023
LWL-Landesmuseum für Klosterkultur
Stiftung Kloster Dalheim
Am Kloster 9
33165 Lichtenau
Tel.: (0 52 92) 93 19-225
E-Mail: kloster-dalheim@lwl.org
URL: LWL | Kloster Dalheim: Hier trifft mittelalterliche Architektur auf interaktive Inszenierung - Stiftung Kloster Dalheim
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