Sehr geehrte Listenmitglieder,
in der Chronik der Verbandsgemeinde Kirchberg/Hunsrück schreibt Carla Regge nachfolgendes über Nichtsesshafte.
Es grüßt aus der Kurpfalz
Helmut Kuhn
"JENISCHE" BEVÖLKERUNG
Wie im Hunsrückgebiet hatten sich auch in einigen Dörfern der heutigen Verbandsgemeinde Kirchberg im 19. Jahrhundert ehemalige Hüttenleute angesiedelt, so in Niederweiler, Laufersweiler, Sohren, vielleicht auch in Schwarzen und Rödelhausen. Am Rande der Dörfer hatten sie armselige Lehmhütten errichtet. Eine ähnliche Ansiedlung war ca. 1,5 km von Dickenschied entfernt im Schneidbachtal ohne Genehmigung erbaut worden (genaue Lage: Gemarkung Dickenschied, Flur 7, "Am Scheidbach"). 1864 gehörten zur "Scheidbach-Colonie" , im Volksmund "Schißbach" genannt, 11 Gebäude, davon
9 Privatwohnhäuser.'6 Die Bewohner dieser ärmlichen Ansiedlungen unterschieden sich in mancherlei
Hinsicht von der bäuerlichen Bevölkerung. Sie waren praktisch ohne Landbesitz, hatten keine ständige Arbeit und waren sehr arm. Viele von ihnen stammten aus einer vagabundierenden Bevölkerung, die vor allem im 18. Jahrhundert im Hunsrück umherzog und sich teilweise seßhaft gemacht hatte. Sie verheirateten sich kaum mit bäuerlichen Dorfbewohnern, sondern blieben unter sich. Untereinander sprachen sie Rotwelsch, die Sprache der Jenischen, also der Leute, die von Zigeunern abstammten oder nach Zigeunerart leben. Sie versuchten mit Hausierhandel als Scherenschleifer, Schirm- und Kesselflicker, Korbmacher, Besenbinder..., mit Schieferbrechen, Diebstählen und Bettelei ihr Leben zu fristen. Sie aßen auch Igel und Hunde.'7
Zu den Scheidbachbewohnern - bekannt geblieben durch den Roman "Armsünderin" von der Kirchberger Schriftstellerin Nanny Lambrecht, (geb. 1868 in Kirchberg, gest. 1942 in Schönenberg/Sieg) gesellten sich Komödianten. Neben einem ausgedehnten Handelsgewerbe gaben sie kleine Theatervorstellungen, zeigten akrobatische Kunststücke, Marionettenspiele und machten Musik.'8 Einige dieser kleinen Schausteller stammten von Zigeunern ab. Die Grenzen zwischen
Hüttenleuten, Jenischen und Komödianten waren allerdings fließend. Die Scheidbachbewohner standen auf dem Hunsrück in schlechtem Ruf: sie führten im Vergleich zur bäuerlichen Lebensweise kein ordungsgemäßes Leben, waren als "Künstler" verschrien, die dem Müßiggang verfallen wären, und sahen in den Augen der seßhaften Bevölkerung Arbeit und geregelten Beruf als Nebensache an. außerdem kamen sie immer wieder mit den Gesetzen in Konflikt wegen Diebstahl, Sachbeschädigung, Körperverletzung usw. Häufiger waren Verstöße wegen Handel ohne Gewerbeschein oder wegen nicht genehmigter Mitnahme der Kinder beim Handeln, die dann der Schule fern blieben.'9