Standesbezeichnungen Raum Merseburg - Nachbar, Einwohner, Gerichtsschöppe

Hallo Listies,

habe erst vor kurzen mit meinen Forschungen im Raum Merseburg (Geiseltal) begonnen. Dabei fielen mir (der bisher zumeist nur in der Neumark, Pommern und Ostpreussen forschte) ein paar 'neue' Standesbezeichnungen auf zu deren Hintergr�nden ich mehr wissen m�chte. Dies w�ren

Nachbar - soll ein Bauer sein wie ich la�, aber eher sowas wie ein Hufenwirt oder ein Koss�t ?
Einwohner - Oft als Zusatz zu Nachbar, kann beides aber auch alleine stehen
Gerichtssch�ppe - Vielleicht sowas wie ein Schulze ? In neueren Zeit �nderte sich die Standesbezeichnung in 'auf Gerichts Sch�ppen'

Gr��e Steffan

Hallo Steffan,

Nachbar - ist der Einwohner eines Dorfes, Bauer, mit allen Rechten der altans�ssigen Dorfbewohner. H�fner oder Hufenwirt sind Bauern und somit auch "Nachbarn", der Koss�t (Kossat, anderswo auch G�rtner) war dagegen zumindest in fr�her Zeit kein vollberechtigter Dorfbewohner und damit wohl kein "Nachbar".

Einwohner - kann zweierlei bedeuten. Einmal, so wie wir es kennen, als Einwohner eines Ortes. Zum anderen, und da bin ich auch oftmals im Zweifel, als Einwohner in einem Haus, also in dem Sinn von Mieter oder Einlieger.

Gerichtssch�ppe - Jedes Dorf hatte einen (wie wir heute sagen w�rden) B�rgermeister. Im Norden (Brandenburg) hie� er Schulze (davon der heute h�ufige Familienname), im S�den (Sachsen) hie� er Richter (den gibt es als Familiennamen mindestens ebenso h�ufig). Ihm unterstand das Dorfgericht, zust�ndig nicht f�r Kriminalf�lle, aber f�r die in einem Dorf eben anfallenden (Amts-) Gerichtssachen der niederen Gerichtsbarkeit wie K�ufe und Verk�ufe der Grundst�cke, damit verbundene finanzielle Verpflichtungen (Erbanspr�che und Schulden) und �hnliches. So wie es auch heute beim Gericht Sch�ffen (Beisitzer) gibt, gab es fr�her auch diese Gerichtssch�ppen. Je nach Gr��e des Dorfes waren das zwei bis mehr Beisitzer, "Gerichts�lteste", oder wie sie auch sonst manchmal genannt wurden. Vor diesem Dorfgericht wurden Kaufvertr�ge (und anderes) ausgehandelt und beschlossen und mussten dann von h�herer Stelle (Amt oder Grundherr) best�tigt werden. So war das damals ...

Viele Gr��e
Hartmut (Conrad)

Steffan Bruns schrieb:

Hallo Hartmut,

also in etwa so wie ich es mir gef�hlsm��ig dachte - dass man einen Nachbar mit einen Hufenwirt gleichsetzen k�nnte. Nur, der Einwohner w�re dann sowas wie ein H�usler, Koss�t, G�rtner, Instmann ... (ich wei�, alles vier meint nicht genau das selbe, bestenfalls ann�hernd) ... ABER ... bei 90% der Vermerke hei�t es Nachbar und Einwohner, bei etwa 7% nur Einwohner und bei 3% nur Nachbar (Werte nur 'gef�hlt'). Dazu kommt dass oftmals das eine oder andere nur in dem jeweiligen Fall nicht genannt wurde, so dass wohl letztlich der Nachbar auch mei�t immer der Einwohner ist und dass w�rde gegen eine Stellung unterhalb eines Hufenwirt wiederspechen. Ich denke eher, da die D�rfer hier oft sehr naheliegend sind, dass ein Hufenwirt/Nachbar nicht unbedingt auch in dem Dorf wohnen mu�, sondern in einem benachbarten, nur fand ich nie einen entsprechenden Hinweis. Daher verwirrt mich noch das Einwohner und die Erkl�rung kann nicht ausreichend sein.

Gleiches gilt dann auch f�r den Gerichtssch�ppen (gleichzusetzen mit etwa Schulz, Freik�llmer, wie ich es mir dachte), der mei�t auch als Nachbar und/oder Einwohner bezeichnet wird. Was logisch ist, da er wohl auch immer ein Hufenwirt ist.
Das eigenartige ist, dass auch bei Handwerkern wie Schneidern und Schmieden das Nachbar und Einwohner genannt wird. Nur dieser wird wohl selten auch ein Hufenwirt sein.

Zeitweise habe ich gedacht, die Bezeichnung 'Einwohner' h�tte was mit dem Grad der Freiheit im Feudalsystem zu k�nnen, aber sie werden auch lange nach der Bauernbefreiung genutzt. Auch gibt es kaum andere Bezeichnungen, eigentlich ist in den betreffenden KB so ziemlich jeder Nachbar und/oder Einwohner. (Die Formel wird �brigens seltener in den eigentlichen Eintr�gen benutzt (dort fehlen meist Standes- oder Berufsangaben), sondern bei den Taufpaten.

Alles nicht einfach !!!

Gr��e Steffan

Hartmut Conrad schrieb:

Hallo Steffan,

Du wirfst da munter ganz verschiedene Begriffe durcheinander. Wichtig ist immer die Region. Instmann und Freik�llmer gab es in Ostpreu�en. Der Gerichtssch�ppe ist durchaus nicht mit dem Schulzen gleichzusetzen und schon gar nicht mit dem Freik�llmer.

Auf
http://wiki-de.genealogy.net/Portal:Lexika
gibt es Lexika f�r alte Bezeichnungen.

Recht kurz und �bersichtlich sind die d�rflichen Verh�ltnisse dargestellt in:
"Bauer und Gutsherr in Kursachsen" in der Sachsenreihe von Detlef Papsdorf.
http://www.familienarchiv-papsdorf.de/

Viele Gr��e
Hartmut (Conrad)

Steffan Bruns schrieb:

Steffan, ich forsche auch im Bereich Merseburg, aber mehr in Richtung Halle (Korbetha, Schkopau, usw.) in dieser Gegend ist der Name K�KE, K�CKE, KECKE h�ufig vertreten. Falls du bei deinen Forschungen auf den Namen sto�en solltest, h�tte ich daran gesteigertes Interesse.
Wenn du mir deine Namen aus diesem Gebiet nennst, will ich gerne in meinen Unterlagen nachschauen, ob ich dir helfen kann.

Viele Gr��e aus Berlin

Gerd

Hallo Gerd,

habe mal die Register von Niederw�nsch und Niedereichst�dt durchschaut und nichts gefunden.

Gr��e Steffan

Gerd K�ke schrieb:

Hallo Steffan,

ich hatte mir vor längerem aus den gleichen Gründen mal solche und andere Bezeichnungen und die Erläuterungen dazu zusammengestellt. Muß das Dokument mal heraussuchen.

Allerdings findest Du mit einer Google-Suche nach diesen Begriffen durchaus auch selbst diese Ergebnisse ...
(bspw. in den zeitgenössischen Enzyklopädien Amelung und Krünitz, u. a., sowie im Deutsches Rechtswörterbuch und im Grimmschen Deutschen Wörterbuch - alles online.

Bei Detlef Papsdorf z. B. findest Du auch auf seiner Downloadseite <http://www.familienarchiv-papsdorf.de/download.htm&gt; Literatur zum Thema, so z. B. "Besitz-, Berufs- und Amtsbezeichnungen sächsischer Bauern".

Viele Grüße,
Jürgen

Hallo J�rgen,

wenn man danach festh�lt dass der Nachbar ein Mitglied der Gemeinde ist, warum die zus�tzliche Verwendung des Wortes Einwohner ? (Dazu stand im Expose nichts). Au�erdem, wenn so ziemlich jeder in einem Ort Nachbar (& Einwohner) ist, warum dies extra benennen ? Ich h�tte es verstanden wenn ein Pfarrer diese Marotte h�tte, aber es taucht in allen KBder Gegend auf, gleich aus welchem Jahr sie stammen. Aber mit heutiger Logik d�rfen wir wohl unseren Altvorderen nicht kommen.

... da vermi�t man richtig die gute alte preu�ische 'Standesleiter' - Knecht, Instmann, Hufenwirt, Schulz,

Gru� und Dank,
Steffan

Familienarchiv Fritsche + Saldarriaga schrieb:

Hallo Steffan,
ich schreibe doch noch dazu, so wie ich bisher verstanden habe und ohne ein
Zitat zu verwenden.
Einwohner: er hat wirklich im Ort gewohnt!
Nachbar: Er hatte Rechte im Ort (mit Besitztum verbunden)...heute z.B.
Wahlrecht, recht gew�hlt zu werden, durfte als Sch�ffe (Sch�ppe) gew�hlt
werden... (Ich hatte z.B. Personen, die waren Nachbarn in verschiedenen
Orten (im Kb aufgef�hrt!)).
Sch�ppe: Beisitzer bei Gericht f�r gr��ere F�lle; waren f�r �rtliche
Kleinigkeiten mit Protokoll verantwortlich im Sinne von amtlichen
Festlegungen (Streitschlichtung, Not-Testamentsaufnahmen, Flusst�ckstausch,
Bezeugungen, usw.), Wahl f�r begrenzte Zeit!
Schulze: Im heutigen Sinn B�rgermeister. Wahl f�r begrenzte Zeit!
Herzliche Gr��e aus Klingenthal
Horst

-----Urspr�ngliche Nachricht-----
[mailto:sachsen-anhalt-l-bounces@genealogy.net]Im Auftrag von Steffan
Bruns