SRAUCH Moschwitz I

In einer eMail vom 17.07.02 18:01:45 (MEZ) - Mitteleurop. Sommerzeit schreibt
von.Kopylow@gmx.net:

"Stellenauszügler". Was bedeutet diese Berufsbezeichnung? Man sagte mir, daß
ein Stellenauszügler auf einem Bauernhof gearbeitet hat!?
Viele Grüße aus Hannover!
Kathrein von Kopylow

Hallo Kathrein, ich habe mir mal zusammengestellt was in der letzten Zeit zur
Erläuterung dieses Begriffes als Mail versandt worden ist:

Auszügler
Altsitz, Ausgedinge oder Auszug, im Landwirtschaftsrecht die je nach lokaler
Üblichkeit oder nach Herkommen unterschiedlichen, gesamten definierten
Rechte, die ein Bauer (Altenteiler oder Auszügler) oder dessen Witwe behält,
wenn er seinen Hof an einen Nachfolger bzw. Erben übergibt. Zu diesen
Rechten, die in einem Übergabevertrag festgehalten werden, gehören u. a. das
lebenslange Wohnrecht auf dem Hof oder vom Nachfolger zu leistende Geldrenten
oder Naturalleistungen. Falls die Rechte des Altenteils an den Altenteiler
nicht erfüllt werden, kann er von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen.
Nachfolger übergeben hat und nun im "Auszugshaus" wohnt, dies nennt man in
Niedersachsen auch "Altenteil". In der Regel war es ein zum Hof gehörendes,
kleineres Haus, während der Nachfolger (Erbe) mit
Familie im Haupthaus wohnte.
sonst unfähig geworden war, seine Hofstelle zu führen, konnte er Auszügler
werden. Er übergab dann in vertraglicher Regelung den Stellenbesitz einem der
Söhne oder Schwiegersöhne und ging in den 'Auszug'; das heißt: er bezog je
nach der Größe des Besitztums eine Auszugskammer, eine Auszugsstube, eine
Auszugswohnung oder gar ein Auszugshäusel und genoß fortan außer dem
Wohnrecht auf Lebenszeit eine Reihe anderer Nutzungsrechte sowie das Recht
auf kostenlose Überlassung bestimmter Lebensmittelmengen.
Das unkündbare Auszugsrecht war zwar eine feste hypothekarische Einschränkung
des Eigentums- und Verfügungsrechts, da es unwiderruflich als bleibende Last
am Besitz der Hofstelle haftete.
Aber die jungen Leute [welche die Hofstelle übernahmen] wußten, sie würden
dereinst ebenso verfahren wie jetzt ihre Eltern; und auch für sie würde
künftig der Auszug die einzige Möglichkeit sein, eine ausreichende,
hinlänglich sichere Altersvorsorge zu treffen. Eine staatlich geregelte
Renten- und Krankenversicherung stand ja in den Zeiten vor Bismarcks
Sozialgesetzgebung noch in den Sternen!
...Fast überall in unserer Heimat galt das Jüngstenrecht; nicht der älteste,
sondern der jüngste Sohn übernahm 'den väterlichen Besitz, erhielt ihn aber
nicht zum vollen Wert angerechnet, sondern er genoß bei der Erbteilung den
Vorzug vor Brüdern und Schwestern, deren Erbteil infolgedessen sehr viel
kleiner ausfiel' [Johannes Ziekursch, Hundert Jahre schlesischer
Agrargeschichte, Breslau 1915, S. 81].

Das Jüngstenrecht mag durchaus sinnvoll gewesen sein. Denn gewöhnlich war ein
Stelleninhaber noch tatkräftig genug, wenn seine ältesten Kinder heirateten,
und konnte mit dem Auszug warten, bis der jüngste Sohn zum Manne gereift war.
Das reformfreudige 19. Jahrhundert hat das Jüngstenrecht wegen häufig
auftretender Nachteile [vor allem wegen der Gefahr hoher Verschuldung]
dennoch allmählich beseitigt; 'an seine Stelle trat in einem großen Teil
Deutschschlesiens die Überlassung der geschlossenen Hofstelle in den letzten
Lebensjahren der Eltern, die auf den Auszug gingen, an eines der Kinder,
nicht immer das jüngste, zu einem unter dem wahren Wert stark
zurückbleibenden Preise durch einen sogenannten kindlichen Kauf' [Ziekursch
a.a.O., S. 297]." Zitiert aus: Klaus Kunze, Das schlesische Dorf Klein
Ellguth "Oelßnischen Creyses", Köln 2000, S. 80 f.

Vielen Dank, Rudolf, f�r die tolle Zusammenstellung! Nun bin ich um vieles
schlauer!
Kathrein