Schwiger, Schwägerin contra Werwölfe, Hexen 1650

Hallo zusammen,

im ersten Absatz dieses sehr spannenden Protokolls in den
Verhörprotokollen der Herrschaft Waldburg geht es in aller Voraussicht
nach um meine ursprünglich recherchierten Vorfahren Ulrich Fitz & Regina
Bucher aus dem Bodnegg (die Familiennamen werden leider nicht genannt).
Sie heirateten 1646 in Bodnegg. Er schwängerte vor der Ehe jemand anders
und wurde deshalb aus dem Territorium der Landvogtei schwaben
hinausgeschafft. Sie lebten dann wohl in Unterurbach (Territorium der
Herrschaft Waldsee-Waldburg), wo es wohl ein großes "Geschrei" wegen der
Ehefrau gab.

Wie lest Ihr den Hinweis der Schwägerin im ersten Abschnitt? War die
Regina die Ehefrau des Ulrich die Schwägerin des Michael Bendel? Ganz am
Ende steht im Bescheid des Protokolls, dass er aus der Herrschaft
Waldburg gehen musste. Kurze Zeit später gibt es einen Taufeintrag in
Mengen, danach zehn Jahre lang Taufen in Dürmentingen (Bussen).

Gesamtarchiv Waldburg-Wolfegg-Waldsee, WoWo, B 222, S. 876 vom 21.06.1650

"Nachdem Ihre hochgräfliche Excellenz, unser gnädiger Graf und Herrn, in
Untertänigkeit referiert worden und bereits bei männiglich des Geschrei
gewesen, ob sollte zu Unterurbach ein Weib sein, welche für ein
öffentliche Hexe und Zauberin gehalten werde. In Massen dieses Weibs
Söhnlein gesagt solle haben, seine Mutter könne sich zu einem Wolf
machen und Fleisch genug bekommen. Also ist heut dato Michael Bendel,
Müller daselbst zu Unterurbach, geschickt und befragt worden, was ihm
hiervon wissend seie? Der sagt, dass sich ein Mann namens Ulrich (so
sich zuvor in dem Bodnegg, hernach aber in der Herrschaft Waldburg
aufgehalten) in seinem Nebenhäuslein mit einem Weib mit Namen Regina,
seine Schwieger, und 4 kleine Kinder haushäblich befinde.
Nun seie vor ungefähr 10 Tagen dieses Manns Ulrichs Stiefsöhnlein,
Johannes bei 7 Jahren alt, in sein Michael Bendels Haus und folgends in
die Küche gekommen, darinnen seine Tochter Walburga, so ungefähr 17
Jahre alt neben einem Hirtenbüblein namens Martin Dobel von Rankweil
gebürtig, bei 9 Jahren alt, gewesen. Als nun oben ernannt Walburga das
Büblein Johannes gefragt „Ob sie auch zu Essen haben?“ habe er darüber
geantwortet „Ja, denn seine Mutter habe ein Gürtel und eine Haut und
wann sie die Gürtel und Haut antue, so werde sie zu einem Wolf, als dann
solle sie Fleisch genug, den halben Teil sieden und essen, sie das
Übrige aber behalten sie auch.
Item seine Mutter habe ein Säckele und einen Stecken, wann sie den
Stecken mit der Salb? scheuere?, so sitze als dann seine Großmutter
darauf und wann ihn mit auf dem Heubreu? und hernach Reith und folge?
seine Mutter auch.
Folgends ist Martin Dobel, das oben gemelte Hirtenbüblein befragt
worden, was das Knäblein Johannes in der Küche gesagt habe, der sagt all
obiges gleich wie Michael Bendel von seiner Tochter.
Und damit dasjenige, was des Bendels Tochter und diesem Hirtenbub
gehört, mit besserem Grund in Untertänigkeit referiert werde, also hat
er Bendel Hans Debelin daselbst zu Underurbach zu sich gezogen und in
seinem Beisein seine Tochter nochmals befragt. Dem attestiert nun, dass
er von des Bendels Tochter alles was oben geschrieben und das Knäblein
Johannes gesagt, auch gehört habe.
Sonsten sagt gedachter Müller, dass diese Zeit her, als die Leute zu
Unterurbach, seie ein ungewöhnlicher Wolf beständig sehen lassen, der
habe keinen Schweif.
Bescheid:
Weil 1. kein Kläger in specie vorhanden, 2. diese Leute keine Untertanen
und 3. die Indicia nicht sufficient, also hat man zur ferneren Prozedur
und Angreifung dieser Leute, billig Bedenkens tragen, dieselben aber
alle, sobald aus der Herrschaft geschafft und dass sie sich dieser Orte
nunmehr aufzuhalten geleisten lassen. Also in Bedenkung, dann der Mann
Ulrich über 2maliges Gebot, sonsten die herrschaftlichen Dienste zu
richten geweigert. Dannenher ihm hochwürdige Excellenz, ohne dass genug
Ursache gehabt, ihn auszuschaffen. Und demnach Michael Bendel diese
Leute ohne Vorwissen gnädiger Herrschaft in sein Nebenhäuslein
eingesetzt und den Unterschlauf gegeben, also ist er deswegen einer
gnädigen Herrschaft in die Strafe erkannt."

Viele Grüße

Hallo Daniel,
ein sehr interessanter Fall, wie der 7 jährige Stiefsohn das "Hexenwesen" beschreibt. Wie kommt er wohl dazu?
Zur Schwiger, Schwägerin: Es kann gut sein, daß sie die Schwägerin des Michael Bendel ist, das könnte der Grund sein, warum er sie in sein Nebenhaus aufgenommen hat.
Aber es könnte auch die Schwiegermutter des Ulrich Fitz sein, die mit im Haus wohnt.
Ich habe in einem Verhörprotokoll der Grafschaft Meßkirch einen ähnlichen Fall (der unklaren Namenszuweisung) bei einer Heiratsabred: "Im Beisein des .....Josef Stengele, Josef Riester, der Hochzeiterin Vater,........."
Der Vater der Braut hat sich nach vielen Jahren Suche als Matthäus Riester herausgestellt ( in einer Erbsache).

Sicher wäre noch die Heirat vor ca 8 Jahren der Regina Bucher mit dem Bruder des Michael Bendel zu suchen, Regina könnte natürlich auch die Schwester seiner Frau sein, da wirds gleich schwieriger.
Herzlichen Gruß
Gisela

Hallo Daniel,

trotz Auflösung des Buchstabenbandwurms aus dem Protokoll in einzelne sinnvolle Abschnitte will es mir nicht gelingen, Ordnung in die Sache zu bringen. Vor allem muss man meines Erachtens berücksichtigen, dass die weitaus umfassendere Definition von Schwägerschaft im römischen Recht Eingang in das (katholische) Kirchenrecht gefunden hat.

Der einzige Ankerpunkt in dieser Geschichte ist für mich deine bisherige Forschung zu Ulrich Fitz und Regina Bucher. Das hilft aber in diesem Fall nicht weiter. Die Aussage des Michael Bendel hört sich nach Information aus dritter Hand an. Wir wissen nicht einmal, ob er bei dem Gespräch der Kinder und der Heranwachsenden persönlich anwesend war. Wenn diese Aussage wortgetreu protokolliert wurde wundert es mich nicht, dass die Kanzleimitarbeiter nur Bahnhof verstanden.

Ob die Schwägerschaft zwischen Ulrich und Regina bestand, kann man auch heraus lesen, nicht nur diejenige zwischen Michael Bendel und Regina. Solche Rückbezüge auf Personen, die weit vorher genannt wurden, haben mich schon manchmal ins Schleudern gebracht.

Immerhin wirkt der Spruch so, als wäre nur der unmittelbare Kontrollverlust der Herrschaft, verursacht durch die nicht erlaubte Beherbergung fremder Leute, geahndet worden. Der Dumme war somit Michael Bendel.

Eventuell findet sich hier noch was: Zur hexenbulle 1484 Die hexerei mit besonderer berücksichtigung Oberschwabens. Eine culturhistorische studie : Johann Georg Sauter : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

Gruß Micha

Nen Abend,

will das Rätsel von 2019 noch jemand herausbekommen? @Daniel_Oswald ist es schon gelöst? (Screenshots wahrscheinlich nur im Discourse ansehbar)

Hier mal der Eheeintrag 09 FEB 1651 von Michael Bendel (Unterurbach) in kath. Waldsee mit Maria Mayer (Haisterkirch). Ok, das Protokoll ist von Juni 1650!

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Waldburga Bendel * 04. Sept 1632 in Unterurbach - das ist die 17-jährige.
Eltern Michael Bendel oo Anna Müller (Ehen in Waldsee gibt es erst ab 1646).
Also heißt die damalige Ehepartnerin Anna Müller. Kinder soweit von 1629 bis 1634 erfasst.

Und jetzt noch der Eheeintrag 17 JUN 1646 von Ulrich Fitz in kath. Bodnegg mit Maria Baues (indexiert! Vielleicht liest es jemand besser).
Leider gibt es die Taufen erst später in Bodnegg (wg. dem Johannes).

Und jetzt brauchen wir noch eine „Regina“? Wohin gehört der Name „Bucher“? Oder ist die Ehefrau des Ulrich Fritz gemeint?
Doof, dass die Taufen in Bodnegg so spät anfangen - sonst würde man vielleicht das uneheliche Kind finden.

Und wer ging nach Dürmentingen (Bussen)?

Und wo ist Rankweiler? Der Hirtenbub ist aus Österreich?

Kann man noch irgendwas nachschlagen? ist ja jetzt wesentlich einfacher mit den Indexierungen.

… lese Bauch.
Muss sich wohl um Rankweil, Vorarlberg, Austria handeln.

VG Franz