Schweidnitzer Schneiderordnung

Hallo Susanna und alle, die daran interessiert waren bzw. sind

Anbei die Schneiderordnung. Sie ist offensichtlich von dem Berlepsch oder
einem späteren Bearbeiter in die Sprache des 19. Jahrhunderts übertragen
worden. Quelle: Wissel, Rudolf: Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit,
Band IV, Berlin 1985, Seite 363-364.

Die Schweidnitzer Ordnung von 1361

      Im Jahre 1361 bestätigten die Ratsherren der Stadt Schweidnitz eine
Ordnung, die die Schneiderhandwerke mehrerer schlesischer Städte mit der
Erlaubnis des Herzogs Bolkan von Schlesien, des Herrn von Schweidnitz,
aufgesetzt hatten. Die beteiligten Städte sind eingangs in ihr genannt; es
waren: Schweidnitz, Striegau, Reichenbach, Landeshut, Jauer, Bunzlau,
Lemberg, Lauban, Hirschberg, Breslau, Neumarkt, Liegnitz, Haynau, Goldberg,
Lüben, Münsterberg, Strehlen, Frankenstein, Glatz, Ohlau, Brieg, Oppeln,
Namslau, Oels und Bernstadt. Die Bestimmungen der Ordnung lauten:

„Wir erlauben und vergönnen demnach unsern Schneidern die Stücke (Satzungen)
bei den Bußen und Strafen in aller der Weise, als hiernach beschrieben
steht, zu handhaben. Das erste ist: daß kein Meister noch Geselle zu seinem
Rock, seiner Hose und zu seinem Ueberrock mehr, als zweierlei Farbe tragen
soll. Auch unter diesen Kleidern soll er nicht zweierlei Farbe tragen und
welchen Meister es gelüstete Warkug1) und Rock zu tragen, der möge sie
alsdann von dreierlei Farbe machen. Welcher Meister dem ungeachtet solches
gestatte oder wider dieses Uebereinkommen handelte, der soll zwei Pfund
Wachs als Buße geben. Auch soll kein Meister noch Knecht andere Hosen
tragen, als die von einerlei Farbe sind, sie mögen alt oder neu sein,
welcher Meister dieß gestatte oder dawider handle, der soll zwei Pfund Wachs
geben. Auch soll kein Meister oder Knecht irgend Jemandes Hosen mit neuem
Zeuge flicken, es sei denn, daß es der Besitzer dazu gebe. Welcher Meister
dawider handle, der soll ein Pfund Wachs geben. Welcher Knecht aufsitzt2),
der da näht für einen Gesellen, dem soll man wöchentlich einen Groschen und
einem Jungknechte alle 3 Wochen einen Scot3) geben; welcher seinem Knechte
mehr gäbe, als in diesem geschrieben steht, und thät es aus Frevel, der soll
es mit zwei Pfund Wachs büßen. Welcher Knecht einem Meister ein halbes Jahr
dient, der soll sich eine Juppe (Jacke) machen dürfen, die er selber trage,
und zwar mit Wissen seines Meisters, für den er arbeitet; was zur Juppe
gehört, daß soll er sich recht und redlich gekauft haben. Welcher Meister
jedoch gestattet, daß sein Knecht sich eine Juppe vor dem halben Jahr mache,
der soll geben zwei Pfund Wachs und so manchen Tag, als er ihn darüber
behält, so oft soll er zwei Pfund Wachs geben. Wenn aber ein Knecht, ohne
seines Meisters Wissen, sich eine neue Juppe machte, so soll der Meister
keine Strafe geben, aber dem Knecht soll die Juppe genommen und den ältesten
Meistern überantwortet werden.

      Welcher Meister andern Leuten das Ihrige (wahrscheinlich das zum
Arbeiten gelieferte Zeug) abborge, oder damit entrinne, der soll, wo man ihn
ergreife, dem Gerichte überantwortet werden, in dem er ertappt wird. Welcher
Meister oder Knecht einem solchen zum Entrinnen beholfen wäre, der soll bei
den Meistern einer Buße unterworfen sein. Auch soll kein Meister Deckelachen
(wahrscheinlich aus verschiedenfarbigem Zeuge zusammengesetzte Decken)
machen und verkaufen, die aus neuem Zeuge gefertigt wären; bei wem man
solche fände, die sollten verloren sein (weggenommen werden). Welcher
Meister Juppen machet von (einem Zeuge, das) Cromery (heißet), der soll
dareinlegen Baumwolle (wahrscheinlich als Wattirung). Thut er das nicht, so
soll er die Juppe verloren haben. Welcher Knecht in fremde Städte wandert
und trägt Etwas in seinem Felleisen, dem sollen die Meister sein Felleisen
aufbinden und besehen, was darin ist. Fände man, daß ungerechtes Gut darin
wäre, so soll man ihn den Gerichten ausliefern. Auch soll ein jeglicher
Knecht mit seinem Herrn zum Bade gehen und nicht einen andern Knecht an
seiner Statt senden; welcher Meister jedoch Letzteres seinem Knechte
gestattet, der soll zwei Pfund Wachs zu geben schuldig sein. Welcher Meister
Flecken von neuem Zeug färben läßt, der soll um vier Pfund Wachs strafbar
sein; und welcher Meister überführt wird, daß er den Leuten ihr Zeug nicht
ganz wieder gibt, und es geschieht ein-, zwei- oder dreimal, der soll, so
oft es geschieht, vier Pfund Wachs geben; zum 4ten Mal werden die
Rathsherren selbst die Strafe für ihn bestimmen. Auch wo man die „störrer"
(Schneider, die in den Häusern ihrer Kunden gegen Kost und Tagelohn
arbeiten) ertappt, die soll man mit sammt dem Zeug dem Gericht überantworten
und soll sie forttreiben und in vorgenannten Städten in keine Bruderschaft
aufnehmen. Auch soll kein Meister noch Knecht an dem Werktage kürzere
Kleider tragen, als die bis auf die Knie gehen; welcher Meister es dennoch
gestatte, der soll für jegliche Woche ein Pfund Wachs zur Buße geben, und
welcher Knecht sich dagegen verginge, den soll kein Meister halten. Hielte
ihn aber dennoch ein Meister, so soll letzterer für jeden Tag ein Pfund
Wachs zur Buße geben. Und wer um vorgenannter Sachen willen in Frevel von
hinnen zieht, den soll man weder hier (in Schweidnitz) noch in ehegenannten
Städten in Arbeit nehmen, oder in einer Bruderschaft zulassen. Auch soll
kein Lehr junge weder Schwert noch ein Messer tragen, als sein Brodmesser;
welcher Meister solches dennoch seinem Knechte gestattet, der soll so
manches Pfund Wachs geben, als manche Woche jener die Waffen getragen hat.
Auch soll kein Vorkäufler neues Gewandt schneiden zu Kleidern oder neue
Kleider ein, zwei oder drei Tage tragen und sie dann auf dem Markte
feilhalten. Wer dawider handelte, den möge man von der Stadt wegen strafen.
Auch sollen die Meister alle neue Flecke von Zeug oder was aus denselben
gemacht ist und auf dem Markte feil gehalten wird, nehmen auf ein Dirnare
(?), ob sie recht seien oder nicht.

      Zu eigenem Zeugniß und in fester Bestätigung d. vorgeschriebenen Dinge
und Satzungen haben wir unser Siegel an diesen Brief gehangen in dem 1361ten
Jahre nach der Geburt Christi, am Montag vor St. Viti Tag.“4)

1) Mantel?

2) Tätig ist.

3) Kleine Münze.

4) H[ermann] A[lexander] Berlepsch, Chronik vom ehrbaren und uralten
Schneidergewerk. Nebst einer kurzen Geschichte der Trachten und Moden (=
Chronik der Gewerke, Bd. 2), St. Gallen o.J., S. 230—233.

Mit freundlichen Grüßen aus Kassel

Helmut (Bernert)

Tel.: (05 61) 2 22 46

Mail: helmut.bernert@t-online.de