Schneider im LA Schwerin

Ariadne hat nicht alles, bei weitem nicht, erfuhr ich vorgestern im LA Greifswald. Also meine Frage: weiss jemand, ob im LA Schwerin etwas �ber die Z�nfte von Stavenhagen liegt, genauer �ber die (Gewand)Schneider? Bei Ariadne finde ich nichts, vor etwa 6 Jahren im LASchwerin auch nicht, aber ich war damals in Stavenhagen im Stadtarchiv, das jedoch nicht funktionsf�hig war, weil es gerade in den Keller des Rathauses umgezogen war und alles in Kisten verpackt war. Vorgestern in Greifswald erfuhr ich aber, dass es in Stavenhagen kein Stadtarchiv gibt. Wenn dem so ist, m�ssten die Unterlagen jetzt in Schwerin liegen, nur nicht bei Ariadne auffindbar.

1. Frage
Meine langj�hrige Suche nach dem Schulhalter und vermutlichen Schneider Johann Peter Buchard war in Greifswald erfolgreich: er wurde um 1790 Mitschneidermeister in Anklam; er hatte schon in Stavenhagen das Meisterrecht erworben. Ein paar Jahre sp�ter machte er seinen Sohn Johann Hinrich Buchard zum Gesellen, und damit habe ich endlich meinen Ur- und meinen Ur-Ur-Grossvater gefunden. Damit geht aber auch die Suche in Stavenhagen weiter: finde ich dort in den Hinterlassenschaften der Schneiderzunft diese Zulassung zum Meister - oder ein B�rgerbuch?

Johann Peter Pochat (oder Puchart/Buchat) ist vor 1790 in Anklam Schulhalter (und nach preussischer Schulpolitik wohl gleichzeitig Dorfschneider) in Rottmannshagen und bekommt dort eine Reihe Kinder. Kurz vor 1790 ist er nicht mehr im Ksp. Zettemin aktiv, denn seine j�ngeren Kinder werden dort nicht mehr konfirmiert. Johann Hinrich ist in Anklam konfirmiert.

2. Frage
Gleichzeitig mit obigem Johann Peter Pochat wird in Anklam ein Johann Carl Burchardt als Schneidermeister zugelassen. Er ist 1767 in Friedland, Me-Str. geboren. In den Protokollen in Anklam 1796-1804 wird Johann Peter Buchard immer 'Senior' genannt, w�hrend Johann Carl Burchardt nicht weiter vorkommt. Bei der Vz. 1819 lebt Johann Carl Burchardt in Hof Carbow und also aus Anklam weggegangen. Er kommt in den Querelen in den Protokollen ab 1800 auch nicht als Mitunterschreiber vor.
Was kann ich aus dem 'Senior' schliessen: dass sie Vater und Sohn waren? oder dass es zwei verschiedene Namen sind (auf derselben Seite im Protokoll zwei verschiedene Schreibweisen Pochat und Burchardt) und eben Johann Peter Pochat ein �lterer Herr war?

Inger Buchard
D�nemark

Hallo Inger,

mecklenburguische Handwerksgeschichte ist ein Themenfeld, das (von seltenen
Ausnahmen abgesehen) in den zur�ckliegenden Jahrzehnten von der Landes- und
Regionalgeschichtsforschung fast str�flich vernachl�ssigt wurde. So ist es
bis heute f�r die meisten Orte schwer festzustellen, welche der zahlreichen
Gewerke in welcher personellen St�rke in einzelnen Orten in �lterer Zeit
tats�chlich pr�sent waren, ob und und mit welchem Regionalbezug sich das
Gewerk organisiert hatte und ob und wo es dazu Unterlagen gab oder gibt.

Grunds�tzlich entstanden Urkunden�berlieferungen einzelner Z�nfte (in
Mecklenburg gew�hnlich als "�mter" bezeichnet) in erster Linie in rein
privatrechtlichem Umfeld jeweits der �ffentlichen Verwaltung. Schnittstellen
zu kommunalen oder �ber�rtlichen Verwaltungsbeh�rden gab es nur, die eine
Zunft gegr�ndet werden sollte oder mal wieder eine neue Satzung brauchte
oder wenn es anderweitige Gr�nde f�r beh�rdliche Oberaufsicht (etwa
Streitigkeiten) gab. Der daraus resultierende Schriftverkehr kann in erster
Linie auf der �rtlichen Ebene (also in heutigen Stadt- bzw. kommunalen
Zentralarchiven) und erst in zweiter Linie in Archivablagen der alten
Amtsverwaltungen bzw. der Oberbeh�rden der jeweils zust�ndigen
mecklenburgischen Landesteile (also heute im LHAS in Schwerin) �berliefert
sein.

Die Zunftunterlagen selbst sind nur so gut oder schlecht �berliefert, wie
die Z�nfte selbst f�r die �berlieferung gesorgt haben. Insbesondere nach
Aufhebung der alten Zunftverfassung mit Einf�hrung der Gewerbefreiheit in
Meckl. infolge des Beitritts zum Norddeutschen Bund (1867), gelangten
etliche Zunftaltert�mer in Archive oder Museen. Welches Archiv oder Museum
derartiges �bernehmen konnte und wann das geschah, war eher Zufall. Manche,
mitunter Jahrhunderte alten Zunfturkunden (insbesondere die schriftlichen
Dokumente an der so genannten "Zunftlade" oder "Zunfttruhe", also der
"Schatzkiste" einer Zunft) sind bis heute in Privatbesitz, oder gelangen
erst jetzt in irgendein Museum oder Archiv. Mit viel Gl�ck verwahrt ein
Obermeistern der jeweiligen Berufsorganisationen des Handwerks dergleichen
Dokument noch heute und mit noch mehr Gl�ck sagt er es einem auch.

Der Schneider-Ansatz wird wohl nur mit sehr viel Forschergl�ck von der
Stelle bringen. Du solltest versuchen festzustellen,
=> ob und ab wann in Stavenhagen eine Zunft (ein Amt) der Schneider
existiert hat,
=> ob die Stavenhagener Schneider vielleicht in einem �ber�rtlichen
Schneideramt organisiert gewesen sein k�nnten (mitunter waren
Handwerksmeister aus S�dostmecklenburg Mitglied einer Zunft in Rostock
oder - strukturgeschichtlich etwas �berraschend - im preu�ischen Vorpommern)
oder
=> ob die Stavenhagener Schneider vielleicht Mitglied einer so genannten
"gemischten Zunft" gewesen sein k�nnen, in der auch andere Gewerke vertreten
waren.
Erst das bringt etwas Richtung in die Forschung, ob, wie und wo weiter zu
suchen w�re.

�� [Zu Stavenhagen:]
Ich habe vor einigen Monaten selbst gesehen, dass im
Fritz-Reuter-Literaturmuseum Mitarbeiter mit der Erschlie�ung irgendwelcher
Stadtakten befa�t waren. Bin dabei ziemlich sicherm da� es sich dabei um
Teile/Reste des Stavenhagener Stadtarchivs handelt (ich glaube nicht, da� in
Greifswald irgendwer wirklich genau sagen kann, was gerade in Stavenhagen
l�uft - warum auch?). Was f�r Akten das waren und ob die Akten im Museum
verblieben oder in der Stadt anderswo verwahrt werden, wei� ich nicht. Am
besten im Museum erfragen!

Inwieweit erg�nzende oder korrespondierende �berlieferungen auch im LHAS
existieren, w�re dortr zu erfragen. Ich denke nicht, da� ARIADNE da heute
schon einen auch nur halbwegs repr�sentativen oder gar zuverl�ssigen
Gesamt�berblick liefert.

�� [B�rgerbuch Stavenhagen]
das gibts (mit Eintr�gen ab 1724), erschienen sogar als Edition (eine der
ersten B�nde in Franz Schuberts B�rgerbuch-Reihe):
http://gso.gbv.de/CMD?ACT=SRCHA&TRM=ISB+3893641793

Ein BURCHARD oder POCHAT oder so �hnlich ist dort aber nicht enthalten. Er
mu� ja auch nicht unbedingt B�rger gewesen sein - das war ja nur der
kleinste Teil der Einwohner.

Und als letztes eine Faustregel: wenn in Mecklenburg irgendein Museum oder
Archiv sagt "Sowas haben wir nicht!" hei�t das noch lange nicht, da� sie
sowas auch wirklich nicht haben. Mitunter wissen sie nur nicht oder nicht
mehr, da� sie's haben oder sie sagen's nur einfach nicht (Benutzer werden
bis heute vielerorts als St�renfriede des Beh�rdenschlafs empfunden oder
neuerdings als Narren, denen man geh�rig das Fell �ber die Ohren ziehen
mu�!)

Sch�ne Gr��e und viel Gl�ck!
Peter Starsy

PS.: Da� Stavenhagen auch in Schuberts sonstigen Quelleneditionen,
insbesondere in der Kopulationsregistern (f�r Meckl.-Schwerin ungew�hnlich
gut!) erschlossen, wei�t Du sicherlich?!

-----Urspr�ngliche Nachricht-----

Lieber Peter

Dass du dir so viel Zeit nimmst f�r meine Dauersuche - ich bin dir zu tiefem Dank verpflichtet.
Mut hatte ich ja bekommen, weil ich pl�tzlich herausfand, dass die Schneidergilde Anklams in Greifswald so reichhaltig �berliefert war. Dass es sich um urspr�ngliche Privatarkivalien handelt ist klar, aber wohin mit dem Zeug, wenn die Zunft ausstirbt. Ich hoffe immer, dass kluge Leute daran denken, dass es Archive gibt. Also hoffe ich weiter auf Stavenhagen.

Und deine Erinnerung an das Fritz-Reuter-Museum liess bei mir ein Bild wieder aufflackern: genau im Keller dort habe ich wohl vor etwa 6 Jahren mit einer �berarbeiteten Frau gesprochen, die bem�ht war, das Archiv zu ordnen. Ich versuche es dort noch einmal, da der B�rgermiester Stavenhagen mir auf meine Frage, wo sich das Stadtarchiv befindet, noch nicht geantwortet hat. Es wird wohl keins geben.

Schubert hatte ich gerade vergessen, obwohl ich in Stralsund beim Degener-Verlag fleissig die ausgelegten B�nde durchbl�tterte. Aber zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich in Stavenhagen nach einer Hochzeit suchen sollte. Ich sah eben in Vorpommern nach.

So leicht gebe ich nicht auf; die Zeit werde ich mir nehmen, obwohl hier alles sehr schnell geht; ich habe vor einiger Zeit in der Mecklenburgliste von dem Melderegister der Kopenhagener Polizei www.politietsregisterblade.dk berichtet. Das Projekt gedeiht, und mit etwa 13.000 Meldebl�tter deutscher Staatsangeh�riger von den ca. 600.000, die derzeit zug�nglich gemacht worden sind, ist es mir gelungen, die Projektleitung davon zu �berzeugen, dass es eine deutschsprachige Version geben sollte. Diese ist jetzt einsehbar und hilft hoffentlich �ber die erste H�rde bei der Suche. Die Quellen sind auf D�nisch, aber so sollte man jedenfalls zu den Quellen gelangen k�nnen.

Mit vielen dankbaren Gr�ssen
Inger