Schmograu Kreis Namslau

Hallo Listen,

Im Namslauer Heimatruf Nr.170 (09/2001) ist mir auf den Seiten 31 - 34
eine merkwürdige Geschichte aufgefallen, die der Namslauer Johannes
Paprotzki bei seinen Nachforschungen entdeckt hat.

Das Dorf Schmograu, 11 km noerdlich von Namslau hatte 1940 ca. 650
Einwohner, war Sitz des Amts und Standesamts und hatte eine
Eisenbahnstation. Buergermeister war damals der Gastwirt Bienek.
Nach einigen Chronisten soll Schmograu der erste Bischofssitz in
Schlesien gewesen sein und hatte bereits 966 eine " Prima silesioru
scola Smogra", eine "erste schlesische Schule". Die Schule wurde
von einem roemischen Kanonikus, der von Papst Benedictus VII.
gesandt wurde, eingerichtet. Er brachte viele Buecher mit.

In der Namslauer Stadtchronik von 1864 heisst es dazu :
"Miceslaw liess sich am 5.Maerz 965 taufen und gruendete neun
Bistuemer; Gnesen, Krakau, Posen, Kruswick, Plotzka, Camminiek,
Culm, Lebus und Schmograu. Papst Johann XIII. sandte Kardinal
Aegidius, Bischof zu Tuskanello und liess von ihm die neuen Bis-
tuemer einrichten".

Die in Schmograu eingesetzten Bischoefe hiessen nach der
Regenten-Tabelle von Max Wilberg :
Gottfried 966 - 983
Urbanus 983 - 1005
Clemens 1005 - 1027
Lucillus 1027 - 1036
Leonhard 1036 - 1045
Timotheus 1045 - 1051
Hieronymus 1051 - 1062

Bei Kriegsunruhen wurde der Bischofssitz zeitweilig nach
Ritschen (Ryczen) , einem Kastell zwischen Brieg und
Ohlau verlegt.
Vielleicht gibt es dazu noch andere Stimmen ?

MFG. Joachim Kirsch

Joachim Kirsch schrieb:

Die in Schmograu eingesetzten Bischoefe hiessen nach der
Regenten-Tabelle von Max Wilberg :
Gottfried 966 - 983
Urbanus 983 - 1005
Clemens 1005 - 1027
Lucillus 1027 - 1036
Leonhard 1036 - 1045
Timotheus 1045 - 1051
Hieronymus 1051 - 1062

Bei Kriegsunruhen wurde der Bischofssitz zeitweilig nach
Ritschen (Ryczen) , einem Kastell zwischen Brieg und
Ohlau verlegt.
Vielleicht gibt es dazu noch andere Stimmen ?

Hallo Joachim,
etwas historisch-kritischer aus dem "Handbuch der historischen St�tten", Bd. Schlesien (Artikel von Dr. Hugo WECZERKA, Marburg):
"Schmograu (Smogorzow, Kr. Namslau). In der 'Chronica principum Poloniae' des Brieger Kanonikers Peter von PITSCHEN, entstanden 1382-85, hei�t es, Breslau sei der dritte Sitz der schlesischen Bischofskirche; der erste sei in 'Smogerow' (= Schmograu) im Distrikt Namslau, der zweite in Ritschen im Distrikt Brieg gewesen. Dlugosz (15. Jh.) hat diese �berlieferung ausgeschm�ckt und nennt f�nf Bisch�fe, die zwischen 965 und 1041 in Schmograu residiert haben sollen; der f�nfte habe seinen Sitz nach Ritschen verlegt, wo auch sein Nachfolger noch gewohnt habe (bis 1051). Diese Angaben m�ssen als falsch betrachtet werden. Das schlesische Bistum hat von vorn herein Breslau als Sitz gehabt. Die Tradition von den drei Bischofssitzen ist gewiss darauf zur�ck zu f�hren, dass nach Ausbruch des heidnischen Volksaufstandes von 1037/38, der die milit�rische Besetzung von Schlesien durch Herzog Br'etislav I. von B�hmen nach sich zog, der Bischof von Breslau aus seiner Residenz fl�chten musste und sich dann zeitweise offenbar in Schmograu und Ritschen aufhielt; erst nachdem die Polen um 1050 Schlesien wieder erobert hatten, setzte Herzog Kasimir I. von Polen 1051 wieder einen Bischof (Hieronymus) von Breslau ein. Die fr�here kirchliche Organisation war wohl inzwischen zerst�rt und auch die Erinnerung an den urspr�nglichen Bischofssitz Breslau ausgel�scht, so dass der vor�bergehende Aufenthalt der Bisch�fe in Schmograu und Ritschen mit den Anf�ngen des Bistums identifiziert werden konnte. - W�hrend Ritschen Burgort und Kastellaneisitz war, ist nicht ersichtlich, weshalb der Bischof Schmograu zum Aufenthaltsort erw�hlt hatte; vielleicht war es eine St�tte der fr�hen Mission (so HEYNE), vielleicht wurde es wegen seiner Abgeschiedenheit unweit der gro�polnischen und Oppelner Grenze (10 km n. Namslau) aufgesucht. Urkundlich belegt ist Schmograu erstmalig 1288 mit der Nennung des Schulzen von 'Smogorwicz'. Eine Pfarrkirche von Schmograu ist 1400 bezeugt (heutiger Bau von 1861-63 nach Brand der �lteren Schrotholzkirche). Das Dorf geh�rte bis zur S�kularisation den Bisch�fen von Breslau."

Literatur:
1. Scriptorum rerum Silesiacarum, Bd.1, S.157
2. J. HEYNE, Dokumentirte Geschichte des Bistums und Hochstifts Breslau, Bd.1
3. L. SCHULTE OFM, Dlugossiana
4. Die Breslauer Bischofswahlen bis 1200, in: Zeitschrift des Vereins f�r Geschichte Schlesiens, 49 (1915), S.126-143
5. T. SILNICKI, Dzieje i ustroj kosciola katolickiego na Slasku do konca w. XIV
6. Die Bau- und Kunstdenkm�ler Schlesiens, Bd.II, T.1, S. 180-184.

Gr��e aus Hilden,
G�nther B�hm

Lieber Guenther Boehm!
Zum Thema ein Ausschnitt aus der Luziner Chronik: Die Slawen sollen
urspruenglich am Schwarzen Meer gelebt haben. Im 6.Jahrh. kamen sie
nach Schlesien. Sie muessen an der Stelle unseres heutigen Breslau durch
die Oderlandschaft gezogen sein, denn <Wrot> heisst Furt und <slow>
Slawen. Daraus enstand Wratislawia und daraus Breslau. Um 800 wird
als Nachfolger des Lecho, Popielo III. genannt. Er wuetete gegen seinen
Vater und gegen das Volk, noch heute erinnert an ihn das Wort <Popel>.
Um die Mitte des 10.Jahrh. wird als schlesischer Fuerst der Herzog
Miecislaw genannt. Von ihm wird berichtet, dass er nicht Christ werden
wollte. Er hatte mit 7 Kebsweibern gelebt und war nun nahe am Sterben.
Da beschloss er, sich mit der christlichen Dambrowka, der Tochter des
Herzogs von Boehmen zu vermaehlen und Christ zu werden.
(895 trat Boehmen zum Christentum ueber.) Miecislaus liess sich am
7.3.966 in Gnesen taufen. Alsdann liess er in ganz Schlesien anordnen,
die Goetzen abzutun und Gott zu dienen. Das geschah, (nach Sinapius -
erster ev. Pfarrer in Luzine) am Sonntag L�tare des Jahres 966.
Miecislaus baute die erste christliche Kirche zu Smogra (Schmograu)
im Namslauer Bezirk. Es gehoerte der Herrschaft von Prittwitz und war
von Oels 3 kleine Meilen entfernt. Nachdem das Christentum Eingang
gefunden, erstarkte das Deutschtum durch den schlesischen Fuersten
Mieslaus II., der 1015 zur Herrschaft kam und sich mit der deutschen
Prinzessin Rixam vermaehlte, die Deutsche heran zog. In den Kirchen
wurde Deutsch und Polnisch gepredigt. Auf den Richtst�tten wurde die
Deutsche Sprache erst 1350 eingefuehrt.
Mit Gruss, Margarete Reiter

Margarete Reiter schrieb:

Zum Thema ein Ausschnitt aus der Luziner Chronik: Die Slawen sollen
urspruenglich am Schwarzen Meer gelebt haben. Im 6.Jahrh. kamen sie
nach Schlesien. Sie muessen an der Stelle unseres heutigen Breslau durch
die Oderlandschaft gezogen sein, denn <Wrot> heisst Furt und <slow>
Slawen. Daraus enstand Wratislawia und daraus Breslau.

Liebe Margarete Reiter,
die �berlieferung ist eines und die geschichtliche Wahrheit oft ein anderes. Unbestritten hat die �berlieferung ihren Wert, denn an ihr h�ngen vielfach verschlungen pers�nliche Zuneigung und Heimatgef�hl.

Doch obwohl es weder dem deutschen noch dem polnischen Nationalismus in den Kram passen mag:
Der Name Breslau (lateinisch Vratislavia) leitet sich aller Wahrscheinlichkeit nach von Vratislav I. Pr<emysl, Herzog von B�hmen, + 13.2.921, Sohn des Bor<ivoi und Vater Wenzels I. (des heiligen), Herzogs von B�hmen, ab, denn Schlesien geh�rte im 9. Jh. zum Gro�m�hrischen Reich und nach dessen Zerfall Anfang des 10. Jhs. zu B�hmen. Vratislav hat wiederum nichts mit brod = Furt und den Slawen zu tun, die erst im sp�ten 18. Jh. als solche ein ethnisches Selbstbewusstsein entwickelten, sondern mit vra'tit = zur�ckgeben, r�ckerstatten und sla'va = Ruhm, Ehre (also "der [dem Stamm] die Ehre zur�ckgibt", ihn wieder m�chtig macht). Und die Verm�hlung Mieczko I. Ksiaze Polskiego mit Dubrawka, der Tochter des bruderm�rderischen Boleslaw I. Herzogs von B�hmen sagt einiges �ber den b�hmischen Einfluss im 10. Jh. aus.

B�hmische Gr��e aus Hilden,
G�nther B�hm