Schlesische Ortschaftsverzeichnisse

Liebe Listenmitglieder,

den Zusammenhang zwischen Ortschaftsverzeichnissen und der
Familienforschung in Schlesien (Anfrage von Herrn Obst) sollte man
vielleicht doch etwas eingehender darstellen.
Es gibt eigentlich nur zwei solche Verzeichnisse von Schlesien. Eine
Reihe wurde von Johann Knie und die andere vom Verlag Korn jeweils in
Breslau ver�ffentlicht. Beide sind in erster Linie f�r
(Justitz-)Beh�rden erstellt worden. Die meisten Informationen, die aus
damaliger Sicht nat�rlich wichtig waren, sind f�r uns heute v�llig
belanglos. Etwa: Angaben zur n�chsten Poststation, Entfernung zur
Kreisstadt, Name des adligen Grundherren (der hat meist viel zu oft
gewechselt), Einwohnerzahl, Vorhandensein einer Brennerei, Siederei
oder Ziegelei (es werden n�mlich keine Familiennamen genannt)....

Warum sind diese B�cher aber trotzdem heute so wichtig?
Es gibt immer noch kein Verzeichnis f�r Schlesien, oder im PC-Zeitalter
- keine Datenbank, aus der ersichtlich ist, wo f�r welchen Ort die
Kirchenb�cher beider Konfessionen und die Standesamtsb�cher gef�hrt
worden sind. Von Ostpreu�en soll aber jemand eine solche
Zusammenstellung ver�ffentlicht haben(?)

Alle diese schlesischen Ortschaftsverzeichnisse geben also zu jedem
kleinen Ort oder Gut an, zu welchem gr��eren Dorf sie geh�rten. Dort ist
dann die Zugeh�rigkeit zum Kirchenspiel und Standesamtsbezirk
beschrieben. In den neueren Ausgaben finden sich diese Angaben auch
direkt f�r die kleineren Ortschaften. Wenn man diese Zuordnungen erfa�t
hat, folgt meisten die Kontrolle in der Datenbank von familysearch.org,
ob es entsprechende Verfilmungen gibt.

Aber - ganz so einfach ist die Sache nun doch nicht. Das erste Buch von
Knie ist im Jahr 1830 und das letzte von Korn im Jahr 1941 erschienen.
In den mehr als 100 Jahren blieb die Zugeh�rigkeit der Gemeinden zu
bestimmten Kirchen nat�rlich NICHT unver�ndert. Besonders in
Oberschlesien sind viele ev. Kirchen erst nach 1870 entstanden, daher
fehlen zum Teil im 1845er Verzeichnis die Angaben zur ev.
Kirchenzugeh�rigkeit in OS. Zweifelsohne ist aber das System der
Kirchenbuchf�hrung der ev. Kirche in OS sowieso ein Kapitel f�r sich!
Des weiteren sollte man noch auf den Ausdruck 'Filial-' oder
'Tochterkirche' achten. Nach meiner Erfahrung hatte eine katholische
Tochterkirche in der Regel KEIN eigenes Kirchenbuch gef�hrt, sondern die
Eintragungen finden sich in der jeweiligen Mutterkirche. Es gibt aber
Ausnahmen! Es ist daher ratsam, sich erst zu vergewissern, ob die
genannte Tochterkirche f�r den ben�tigten Zeitraum nicht doch eigene
B�cher gef�hrt hatte, bevor man bei familysearch.org die Verfilmungen
der Mutterkirche bearbeitet.

Gr��te Vorsicht ist auch bei den Standesamtsbezirken, also f�r den
Zeitraum nach 1875, geboten. Aufgrund der gro�en Abwanderungen in die
oberschlesischen oder westdeutschen Industriegebiete haben die
Bev�lkerungszahlen auf dem Lande sehr stark geschwankt. Daher wurden
manche Standes�mter geschlossen und die jeweiligen Gemeinden in andere
Standesamtsbezirke verlegt. Ich habe bis heute noch keine Aufstellung
finden k�nnen, die alle jemals vorhandenen Standes�mter in Schlesien
auflistet. Dazu m��te man vermutlich erst alle Amtsbl�tter der
verschiedenen Provinzialverwaltungen durcharbeiten. Auch das neueste
Buch zu diesem Thema: 'Dt. Personenstandsb�cher u.
Personenstandseintr�ge von Deutschen in Polen', Frankfurt 2000,
beinhaltet ganz abenteuerliche Fehler. Der polnische Autor hat aber
bereits Besserung versprochen.

Fazit: Wer seine Vorfahren um das Jahr 1850 bearbeiten m�chte, kann
schon mit den Angaben aus dem 1910er Verzeichnis v�llig daneben liegen.
Vorsicht bei den Standesamtsangaben! Wer unsicher ist, sollte bei
familysearch.org nicht direkt alle Verfilmungen des genannten
Standesamtes bestellen.

Abschlie�end eine �bersicht der mir bekannten Ortsverzeichnisse:
1.) �sterreich-Schlesien
Topographisches Post-Lexikon aller Ortschaften der k.k. Erbl�nder / mit
h�chster Bewilligung d. k.k. oberst. General-Directoriums u. d. oberst.
Finanz-Hofstelle hrsg. von Christian Crusius. - Wien : Schuender, 1798

2.) Provinz Oppeln
Statistisch-topographische Uebersicht des Departements der K�niglichen
Preu�ischen Regierung zu Oppeln in Schlesien. - Oppeln : Feistel, 1819.
- VIII, 263 Seiten.
Nachweis: Halle, Universit�ts- und Landesbibliothek und G�ttingen,
Nieders�chsische Staats- und Universit�tsbibliothek

3.) Schlesien
Reihe KNIE
Alphabetisch-Statistisch-Topographische Uebersicht aller D�rfer,
Flecken, St�dte und andern Orte der K�nigl. Preu�. Provinz Schlesien,
mit Einschlu� des ganzen jetzt zur Provinz geh�renden Markgrafthums
Ober-Lausitz, und der Grafschaft Glatz : nebst beigef�gter Nachweisung
von der Eintheilung des Landes nach den verschiedenen Zweigen der
Civil-Verwaltung / verf. von Johann Georg Knie. Durchges. von J. M. L.
Melcher. - Breslau : Gra� [u.a.], 1830
Nachweis: UB Rostock

desgl. von 1845
Nachweis: Halle, Universit�ts- und Landesbibliothek, G�ttingen,
Nieders�chsische Staats- und Universit�tsbibliothek und Wolfenb�ttel,
Herzog-August-Bibliothek.

Reihe KORN von 1. 1881 bis 13.1941 erschienen.
Nachweise [nur Auswahl!]:
1.1881 StaBib. Berlin
2.1883 Corvey
3.1893 S�chsische Landesbibliothek
4.1897 StaBib. Berlin
5.1901 StaBib. Berlin
6.1908 S�chsische Landesbibliothek
7.1913 MOB Herne
8.1919 UB Regensburg
9.???
10.1925 FHB Ingoldstadt
11.1928 S�chsische Landesbibliothek
12.1934 StaBib. Berlin
13.1941 StaBib. M�nchen

F�r weitere Nachweise siehe:
http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html
Bei Titel dann: schlesisch* Ort* eingeben sowie den entspr. Katalog
ausw�hlen.

Schlie�lich noch ein Hinweis auf die Vollst�ndigkeit. Ich habe mehrere
Jahrg�nge der o.g. B�cher bearbeitet. Nach meiner Einsch�tzung wurde die
Reihe des Verlags Korn etwas oberfl�chlicher bearbeitet, als die 1845er
Ausgabe von Knie. Ich kann dies allerdings vor allem f�r den Kreis
Rosenberg/OS feststellen. Eine nun wirklich fast hundertprozentige
Erfassung aller noch so kleiner 'H�usergruppen' findet sich dann in:
Bundesanstalt f�r Landeskunde: Amtliches Gemeinde- u.
Ortsnamenverzeichnis der Deutschen Ostgebiete unter fremder Verwaltung,
Remagen 1955.

Mit freundlichem Gru�
Klaus Liwowsky