SCHÖNEMANN in Rußland (Friedrich Wilhelm Schoenemann)

Hallo Ralf,

Du nennst leider kein Zeitfenster bzw. annähernde
Zeitangaben. Das aber ist für die Einordnung wichtig.

Darüber hinaus nennst Du leider auch keine Quelle für
die von Dir mitgeteilten Angaben.

Sebastian Deutloff weist auf von Katharina II. als Kolonisten angeworbene
Deutsche hin. Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu, weil diese deutschen
Auswanderer ab 1764 ausschließlich in den Wolgakolonien beiderseit der unteren
Wolga angesiedelt wurden.
Dagegen wiederholte Alexander I. dieses Siedlungswerk, indem er durch ein neu
aufgelegtes Ansiedlungspatent Deutsche aus Süddeutschland im Süden der heutigen
Ukraine (damals Neurußland) ansiedelte.

Der angegebene Ort "Kaschperowka am Gromokle" (jetzt Kaschperiwka bei Tetijiw) liegt jedoch
außerhalb der Kolonistengebiete dieser ab 1803 ins Land gekommenen deutschen Ansiedler.

Es ist deshalb eher davon auszugehen, dass Friedrich Wilhelm Schoenemann als angeworbener
Schafmeister auf einem Gut eines russischen Adligen tätig war.

Hierauf deutet bereits die Mitteilung hin, dass er die Staatsangehörigkeit Anhalt-Köthens
besaß und als Reichsangehöriger bezeichnet wird. [1]
Und hier wird es schwierig. Ein Deutsches Reich existierte erst ab 1871 bzw. vor 1806
(dieses Heilige Römische Reich Dt. Nation stellte jedoch kein völkerrechtliches Subjekt dar,
vielmehr war dieses "Reich" ein nicht klar und eindeutig zu definierender Zusammenschluß von
seit 1648 de jure unabhängigen polit. Einzelterritorien).
Andererseits existierte ein Hztm. (Fstm.) Anhalt-Köthen nur bis 1863. Insofern erscheinen
diese von Dir gen. Angaben mindestens unscharf. Als Verwaltungseinheit bestand Anhalt-Köthen
allerdings auch innerhalb des Hztm. Anhalt (ab 1863).

Jedoch gibt es darüber hinaus einen anderen Zusammenhang der Fürsten v. Anhalt-Köthen
mit bzw. zu Rußland:
"1828 wurde durch Herzog Ferdinand von Anhalt-Köthen eine Kolonie des Herzogtums Anhalt-Köthen mit Namen Ascania Nova gegründet. Die Übertragung des Landes (550 km²) erfolgte am 3. März durch einen Ukas des Zaren. Der Name, russisch transkribiert Askanija-Nowa, bezieht sich auf das anhaltische Herzogsgeschlecht der Askanier und bedeutet sinngemäß Neu-Askanien. Das Gut war auch als Gut Tschapli bekannt.
Das herzogliche Haus verkaufte das Gut mit 30.000 Schafen im Jahr 1856 für etwa 1,5 Mio. Goldmark an den deutsch-russischen adligen Gutsbesitzer Friedrich Fein.

Evtl. stand das Gut in Kaschperowka am Gromokle mit dem Besitztum in Askania Nova in Zusammenhang.
Das aber ist lediglich eine unsichere Vermutung.

Für den Fortgang der Recherche empfiehlt sich die Prüfung der Familienkartei im Landeskirchlichen Archiv
in Dessau (Vierthaler-Kartei). Evtl. erscheint dort auch der FN Schönemann.
https://www.landeskirche-anhalts.de/arbeitsfelder/archiv

In der mir vorliegenden Lit. schwarzmeerdeutscher Kolonisten ist der FN Schöne(r)mann nachweisbar,
jedoch ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem von Dir gen. Friedrich Wilhelm Schoenemann.

Viele Grüße aus Niedersachsen, Thomas Engelhardt, Ilsede

[1] Eine "Reichsbürgerschaft" im Sinne heutiger Staatsbürgerschaft existierte weder vor
     1871 noch nach 1871. Vielmehr besaßen die damaligen Deutschen die Staatsbürgerschaft
     ihres jeweiligen Landes (Deutschland war ein Bundesstaat und bestand aus 22 Bundesstaaten
     (damals Bundesglieder genannt) und drei Freien Städten Hamburg, Bremen u. Lübeck.
     Mit der Staatsbürgerschaft eines dieser Einzelstaaten war eine Person de facto auch
     Reichsangehöriger, ohne dass er eine solche definierte Staatsbürgerschaft besessen hätte.
     Bei Reisen ins Ausland wurden Pässe des jeweiligen Einzelstaates ausgestellt (Preußen,
     Sachsen, Bayern etc.).