Quellen

Guten Morgen,

Kann mal bitte jemand eine*Definition* erstellen:
Was genau ist eine "Quelle"?
Und was ist eine Quelle nicht? bzw. wie nennt man das dann stattdessen?

da muss man ja keine neue Definition erfinden. Bei Ahasver von Brandt: Werkzeug des Historikers oder in diversen Einführungen ins Geschichtsstudium oder die GEschichtswissenschaft findet man das.

In Kürze, wie ich es in der Oberstufe unterrichte:

Wir haben es mit zwei Kategorien von Texten etc zu tun:

A. Quellen
B. (Forschungs-, Sekundär-)Literatur

QUELLEN ist alles, was aus der Vergangenheit selbst stammt und uns irgendwelche Informationen über historische Ereignisse vermitteln kann. Für uns Genealogen: Kirchenbücher, Standesamtsregister, Gerichtsbücher, Melderegister, Verkaufsurkunden, Testamente, Hausinschriften, Grabsteine ... Es gibt natürlich auch mündlich Quellen, wenn Onkel Otto aus der Jugend der Urgroßeltern erzählt, wofür es selbstredend nichts anderes gibt als diese Erinnerungen. Für das Geburtsdatum der Urgroßeltern ist Onkel Otto aber keine Quelle.

Man kann, wenn man will, Primär- und Sekundärquellen unterscheiden. Primärquelle ist die Erstschrift des Kirchenbuchs oder Standesamtsregisters, Sekundärquelle die Zweitschrift oder meinetwegen die daraus gezogene beglaubigte Abschrift.

Die Materialität, wie uns die Quelle vorliegt, hat mit Primär- vs. Sekundärquelle nichts zu tun; ob das KB im Original vor uns liegt, als Mikrofilm, als Foto, als Kopie oder als Digitalisat bei Archion, ist wurscht. Anzugeben ist in erster LInie auch nicht Archion, sondern das besitzende Archiv.

Quellen können direkt im Archiv benutzt werden, sie können auch in unterschiedlicher Form aufbereitet sein: Ein gedrucktes Urkundenbuch, Regesten, ggf. das Findbuch eines Archivs, u.U. eine Verkartung; dann natürlich eine Edition.

Dieser Quellenbegriff ist STRENG ZU TRENNEN von einem umgangssprachlichen QUellenbegriff, wo alles das als "Quelle" bezeichnet wird, woher man eine Information hat. Onkel Otto ist keine "Quelle" für das Geburtsdatum der Urgroßeltern, auch wenn Onkel Otto mal das Datum genannt hat. Die Quelle ist das Kirchenbuch oder Standesamtsregister; Onkel Otto ist dann ein Informationsgeber oder Hinweisgeber. Mehr nicht.

LITERATUR ist alles das, was das Ergebnis einer forschenden Tätigkeit eines Historikers ist. Es sind in der Regel Darstellungen zu einer Person, einem Ereignis ...; sie beruhen auf der Auswertung von Quellen, sind aber auch das Ergebnis von Wertung, Auswahl, Gewichtung, Beurteilung.

Als Genealogen haben wir meistens eher mit QUELLEN zu tun als mit LITERATUR; Literatur kommt ins Spiel bei einer gedruckten Familiengeschichte, einer Untersuchung zu den Scharfrichtern im Bistum Osnabrück, der GEschichte des Ortes soundso oder einem Aufsatz über die Rentmeister auf Burg Hoheneck im 16. und 17. Jahrhundert.

Bei einer historischen Forschung und Veröffentlichung bezieht man sich selbst auf QUELLEN und/oder LITERATUR und weist die Fundstellen daraus jeweils exakt nach. Ob man sich für bestimmte Fragen auf die Literatur (= Forschung anderer) verlässt oder die Quellen selbst einsieht, kommt auf die Fragestellung, die Wichtigkeit einer Aussage etc. an. ES gilt, dass man nach Möglichkeit für eine Aussage die bestmögliche Quelle angibt - das Kirchenbuch, sofern vorhanden; die Datenauszüge aus dem Jahr 1937 nur dann, wenn das KB selbst verloren ist. Eine wissenschaftliche Veröffentlichung eher als eine flapsige Darstellung zu Karl dem Großen im "Spiegel".

Wenn man es nicht möglich ist, eine wichtige Fundstelle selbst einzusehen, zitiert man aus zweiter Hand ("Karl Marx: Das Kapital. London 1848, S. 27, hier zitiert nach: Karl Meier: Helden des Sozialimus, S. 19").

Genealogische Programme bieten in der Datenbank die Möglichkeit, Quellen und Literatur in gleicher Weise zu erfassen bzw. unterscheiden nicht. Gedruckte Veröffentlichungen enthalten hinten oft zwei Sektionen, "Archivquellen" und "Literatur".

Neben QUellen und Literatur, die in einer Veröffentlichung nachgewiesen werden, hat natürlich jeder Forscher noch seinen "Zettelkasten" mit Informationen, Hinweisen und so weiter, die vielleicht wichtige Spuren geben, aber erst noch mit Literatur oder Quellen untermauert werden müssen.

Was ist mit einer Gedcom-Datei? Eine QUelle im geschichtswissenschaftlichen Sinne ist sie per definitionem nicht. Ob man sie unter "Literatur" = Forschungsergebnisse subsumiert, kommt m.E. auf die Qualität an. Es mag sehr gute Gedcom-Dateien geben, die man als quasi veröffentlichungsfähig und als zitierfähig einstuft. Ansonsten sind Gedcom-Dateien oft eher eine mehr oder weniger verlässliche Materialsammlung, die man nutzen und auf der man aufbauen kann, die man vor einer Veröffentlichung aber selbst mit den Quellen abgleicht.

Von der Einschätzung der Qualität hängt es ab, ob man sich bei einer Quellenangabe mit dem Verweis auf die Gedcom-Datei X begnügt (was auch die Aussage beinhaltet: ich vertraue den Angaben) oder ob man die Angaben nachprüft. Und sobald man nachgeprüft hat, ist die Gedcom-Datei irrelevant bzw. dann ist es nur noch ggf. freundlich, in der Veröffentlichung hinzuweisen: "Wichtige Hinweise verdanke ich ..., wofür ich sehr danke."

Wenn Renate Ell in der CG den umfangssprachlichen Quellenbegriff verwendet haben sollte, dann ist das sehr bedauerlich und wenig hilfreich.

Viele Grüße

Tobias A. Kemper

Hallo Tobias und auch ein Hallo an die Programm-Entwickler und Mitleser,

da diese Definitionen auf eine Wiki-Seite übernommen werden sollen,
fehlen aus meiner Sicht noch ein paar Informationen, welche zur
ursprünglichen Fragestellung/Diskussion geführt haben. Evtl. können auch
einige Beispiele ähnlich der Computergenealogie 4/2016 auf der
Wiki-Seite eingefügt werden. Meine Anmerkungen habe ich unten eingefügt.

Guten Morgen,

Kann mal bitte jemand eine*Definition* erstellen:
Was genau ist eine "Quelle"?
Und was ist eine Quelle nicht? bzw. wie nennt man das dann stattdessen?

...

Bei einer historischen Forschung und Veröffentlichung bezieht man sich
selbst auf QUELLEN und/oder LITERATUR und weist die Fundstellen daraus
jeweils exakt nach. Ob man sich für bestimmte Fragen auf die Literatur
(= Forschung anderer) verlässt oder die Quellen selbst einsieht, kommt
auf die Fragestellung, die Wichtigkeit einer Aussage etc. an. ES gilt,
dass man nach Möglichkeit für eine Aussage die bestmögliche Quelle
angibt - das Kirchenbuch, sofern vorhanden; die Datenauszüge aus dem
Jahr 1937 nur dann, wenn das KB selbst verloren ist. Eine
wissenschaftliche Veröffentlichung eher als eine flapsige Darstellung
zu Karl dem Großen im "Spiegel".

Wenn man es nicht möglich ist, eine wichtige Fundstelle selbst
einzusehen, zitiert man aus zweiter Hand ("Karl Marx: Das Kapital.
London 1848, S. 27, hier zitiert nach: Karl Meier: Helden des
Sozialimus, S. 19").

....

Genealogische Programme bieten in der Datenbank die Möglichkeit,
Quellen und Literatur in gleicher Weise zu erfassen bzw. unterscheiden
nicht. Gedruckte Veröffentlichungen enthalten hinten oft zwei
Sektionen, "Archivquellen" und "Literatur".
Neben QUellen und Literatur, die in einer Veröffentlichung
nachgewiesen werden, hat natürlich jeder Forscher noch seinen
"Zettelkasten" mit Informationen, Hinweisen und so weiter, die
vielleicht wichtige Spuren geben, aber erst noch mit Literatur oder
Quellen untermauert werden müssen.

Die Informationen aus dem "Zettelkasten" werden zur Dokumentation im
Genealogieprogramm zum Ereignis erfasst. Wenn dann die Informationen
anhand einer Quelle/Literatur nachgeprüft sind, wird die
Quelle/Literatur zur Dokumentation an dem Ereignis hinterlegt. Da die
überwiegende Anzahl der Genalogieprogramme nicht nach wissenschaftlichen
Kategorien unterscheidet, erfolgt die Dokumentation des "Zettelkastens"
in den Feldern zur "Quellenangabe" also z. B. "Gespräch mit Onkel Max",
"Mail vom xx des Forschers yy", "Stammliste x erstellt von y vom ...",
"Familienbibel Müller", usw.

Enthält die Information des "Zettelkastens" einen Verweis auf eine
Quelle/Literatur sollte dieser Verweis in einem separaten Feld abgelegt
werden bzw. die Quellenangabe so wie im obigen Beispiel "Karl Marx"
zitiert werden.

Gibt es einen sinnvollen Begriff, welcher sowohl die wissenschaftlichen
Quellen/Literatur als auch den "Zettelkasten" zusammenfasst? Das würde
es leichter machen, sich darauf zu beziehen. "Quellenangabe" scheint ja
zu speziell, ggf. "Fundstelle"??

Was ist mit einer Gedcom-Datei? Eine QUelle im
geschichtswissenschaftlichen Sinne ist sie per definitionem nicht. Ob
man sie unter "Literatur" = Forschungsergebnisse subsumiert, kommt
m.E. auf die Qualität an. Es mag sehr gute Gedcom-Dateien geben, die
man als quasi veröffentlichungsfähig und als zitierfähig einstuft.
Ansonsten sind Gedcom-Dateien oft eher eine mehr oder weniger
verlässliche Materialsammlung, die man nutzen und auf der man aufbauen
kann, die man vor einer Veröffentlichung aber selbst mit den Quellen
abgleicht.

Von der Einschätzung der Qualität hängt es ab, ob man sich bei einer
Quellenangabe mit dem Verweis auf die Gedcom-Datei X begnügt (was auch
die Aussage beinhaltet: ich vertraue den Angaben) oder ob man die
Angaben nachprüft. Und sobald man nachgeprüft hat, ist die
Gedcom-Datei irrelevant bzw. dann ist es nur noch ggf. freundlich, in
der Veröffentlichung hinzuweisen: "Wichtige Hinweise verdanke ich ...,
wofür ich sehr danke."

Damit man die Angaben nachprüfen kann, sollte dann als Quellenangabe
nicht nur "Gedcom-Datei X" erfasst werden, sondern zusätzlich auch die
Quellenangabe, welche in der Gedcomdatei zum Ereignis hinterlegt ist.

Ein Genealogieprogramm dient sowohl zum Berichten über die eigene
Forschung (mit entsprechenden Angaben, woraus die entsprechenden Angaben
entnommen wurden), als auch als "Arbeitswerkzeug", in dem der Stand der
Forschung dokumentiert wird, damit man eine zentrale Stelle zum
Nachschauen hat (und keinen "Zettelkasten" nebenher führen muss).

@ Programm-Entwickler

[Im Folgenden verwende ich "Quelle" nicht im wissenschaftlichen Sinn,
sondern als Bezeichnung für die Feldgruppe der Quellenangaben in
Genealogieprogrammen]

Bei der Quellenverwaltung habe ich es bisher nur in US-amerikanischen
Programmen (aktuell fällt mir da z. B. The Master Genealogist oder
Legacy ein) gesehen, dass man bei Anlage einer Quelle zunächst den
"Quellentyp" (Kirchenbuch, E-Mail, Zeitungsartikel, Dissertation,
Testament, Buch (diverse, je nach Literaturart, usw.) auswählen muss.
Von dem Quellentyp hängt es dann ab, welche Felder bei der Erfassung
einer neuen Quelle und der späteren Zitierung in den Ereignissen zur
Verfügung gestellt werden. Dadurch ist es möglich die Angaben
einheitlich vorzunehmen und in Berichten dann auch entsprechend
einheitlich auszugeben. In dem Quellentyp könnte auch eine
"Klassifizierung" z. B. "Quelle (wissenschaftlich)", "Literatur
(wissenschaftlich)", "Fundstelle" erfolgen. Bei Berichten und Export
könnte der Anwender dann ggf. eine Einschränkung anhand der
Klassifizierung und/oder Quellentypen vornehmen, ob die zugeordneten
Quellen ausgegeben werden sollen.

Viele Grüße,
Thomas (Wildeboer)

Hallo Thomas,

Danke für Dein Engagement :slight_smile:

Vielleicht hilft es ja, wenn hier nochmal das Wichtigste
zusammengetragen wird (habe deshalb den Betreff ergänzt).

Weitere Diskussion ist später natürlich auch auf der Diskussionsseite im
Wiki möglich: Diskussion:Quelle – GenWiki

Ich bin gespannt, wer nun die Doku im Wiki übernimmt :slight_smile:
http://wiki-de.genealogy.net/Quelle

Mit herzlichem Gruss,
Markus