Durch Zufall fiel mir der folgende Artikel aus Brockhaus- Universal
Enzyklopädie (Ausgabe 1900) in die Haende, von dem ich meine, er habe auch
heute noch ein besonderes Interesse verdient.
"Litauische Sprache,
ein Teil der sog. litauischen , lettischen oder balt. Familie des
indogermanischen Sprachstammes; diese Familie idt der slawischen am nächsten
verwandt und wird mit ihr zu der litu-slaw. Gruppe des Sprachstammes
zusammengefaßt. Sie zerfällt in folgende drei Sprachen:
1) Das bis zum 17. Jahrh. ausgestorbene Preußische (Altpreußische), dessen
Sprachgebiet zwischen der unteren Weichsel (von Thorn abwärts) und dem
Niemen lag. Erhalten sind davon zwei Katechismen von 1545, einer
(Enchiridion) von 1561, herausgegeben von Nesselmann ("Die Sprache der alten
Preußen an ihren Überresten erläutert", Berl. 1845), und ein deutsch-preuß.
Vokabular aus dem Anfang des 15. Jahrh., von demselben (Königsb. 1868), der
auch den Wortschatz zusammenstellte: "Thesaurus linguae Prussicae" (Berl.
1873). Neue Ausgabe der altpreuß. Sprachdenkmäler von Berneker, "Die preuß.
Sprache" (Straßb. 1896)
2) Das Lituaische im engeren Sinne. Die ungefähre Sprachgrenze wird gebildet
durch eine Linie von Labiau am Kurischen Haff bis Grodno, von da bis
Dünaburg, ferner durch die Südgrenze Kurlands, endlich durch die Küstenlinie
von Polangen bis Labiau; demnach fällt der kleinere Teil in das Gebiet
Preußens, der größere in das Rußlands. Die Spracher zerfällt in mehrere
Dialekte, von denen der südlichste als Schriftsprache der preuß. Litauer
dienst. Schriftsprache ist das Litauische seit dem 16. Jahrh., das älteste
Buch (ein Katechismus) von 1547. Die beste wissenschaftliche Bearbeitung des
Kitauischen ist schleichers ("Handbuch der L. S.") (2 Tle, Prag 1856-57),
nächstedem Kurschat, "Grammatik der L.S." (Halle 1876) und Wiedemann,
Handbuch der L-S- (Straßb 1897); umfangreichere Wörterbücher schrieben
Nesselmann (Königsb, 1851), namentlich aber Kurschat ("Wörterbuch der L.S."
(Halle 1870-1883); die älteren Texte gibt neu heraus Bezzenberger;
"Litauisch" und lettische Drucke des 16. (und 17.) Jahrh." (4 Hefte, Gött.
1874-84; vgl desselben "Beiträge zur Geschichte der L.S.", ebd 1877, und
"Litauische Forschungen", ebd 1882).
Die Volkslitteratur der Litauer ist in folgenden Hauptsammlungen enthalten:
"Dainos oder Litauische Volkslieder", hg. von Rhesa, mit Übersetzung (neue
Aufl von Kurschat, Berl. 1843); Nesselmann "Litauische Volkslieder" (ebd
1853, mit Übersetzung ); Juszkiewicz, "Lituvisjkos svotbines dainos"
("Hochzeitslieder", Petersb 1883); Bartsch "Dainu Balsai" (2 Tle, Heidelb
1886-89); Melodien und deutsche Übersetzung litauischer Volkslieder);
Märchen u.a. in Schleichers Sammlung: "Litauische Märchen, sprichworte,
Rätsel und Lieder" (Weim 1857), und in der von Leskien und Brugmann;
"Litauische Volkslieder und Märchen" (Straßb 1882). Die von Beckenstedt,
"Die Mythen, Sagen und Legenden der Zamaiten" (2 Bde, Heiudelb. 1883),
publizierten Sachen sind unecht. Der einzige nennenswerte Kunstdichter der
Litauer war Christian Donalitius.
3) Das Lettische., das von den drei Sprachen die jüngste Form hat, sich zum
Litauischen etwa wie Italienisch zu Latein verhält); das Sprachgebiet
umschließt ungefähr eine Linie: im N. von Marienhausen durch Oppekaln und
Walk bis Salis am Rigaer Meerbusen, im O. von Marienhausen bis an die
Ostspitze Kurlands, im S. die Südgrenze Kurlands. umfaßt also ganz Kurland
und den südl Teil Livlands; das Lettische reicht überdies etwas in das russ.
Gouvernement Witesbk hinein. Von den Dialekten ist der sog. mittlere die
allgemeine Schriftsprache, lettisch wird seit der Reformation geschrieben
(der älteste Druck ist ein "Taufformular", von 1559). Die lettische
Grammatik ist in ausgezeichnetr Weise bearbeitet worden von Bielenstein:
"Die lettische Sprache" (2. Bde, Berl 1863-64). "Lettische Grammatik" (Mitau
1863) und "Die Elemente der lettischen Sprache" (ebd 1866); die älteren
Wörterbücher sind jetzt verdrängt durch das "Lettische Wörterbuch (Tl.1:
Lettisch-deutsch, von Ulmann, Riga 1872; Tl 2:deutsch-Lettisch, von Ulmann
und Brasche, ebd 1880), Eine neue Sammlung der lettischen Volkspoesie giebt
die Lettisch-litterarische Gesellschaft herau, eine sehr große Sammlung
"Latwju dainas" Baron von Wissendorff (Mitau 1894 fg.); vgl außerdem
Bielenstein, Tausend lettische Rätsel (Mitau 1881); ders. Die Grenzen des
lettischen Volksstammes und der lettischen Sprache (mit Atlas), Petersb.
1892); Treuland, Materialy po etnografii latyskago plemeni (Materialien zur
Ethnographie des lettischen Volks, Mosk. 1881); Daims, Litauische
Volksgesänge (Lpz 1897)"
Vielleicht kann der eine oder andere ja mal hineinschauen, diese Literatur
(auch wenn einzelne Aspekte durch neuere Forschungen sicher uebrholt sind)
hat den Vorteil, das sie VOR dem Beginn der massiven Propaganda <ALLER
beteiligten Parteien> des letzten Jahrhunderts herauskam und daher
hoffentlich heute noch als Korrektiv wertvoll sein kann.
Ernst