"Patrizier und Handelsherren" in Minden-Ravensberg-Lippe

Immer wieder sto�e ich auf Ahnenlisten, in denen Personen des 16.
Jahrhunderts aus Minden-Ravensberg-Lippe - meistens Ratsherren und
B�rgermeister in Lemgo, Horn, Minden, Bielefeld oder Angeh�rige von
Familien, die solche gestellt haben - als "Patrizier und Handelsherr"
bezeichnet werden. Diese Ahnenlisten "refinanzieren" sich entweder bei der
Ahnenliste K�ster aus der hessischen Familienkunde von 1968 oder aus der
Sammlung Brenker im STA Detmold.

Wer von beiden diese Formulierung erfunden hat, mu� dahin gestellt bleiben.
Da K�ster seine lippischen Linien weitgehend von Brenker �bernommen hat,
k�nnte man annehmen, dass Brenker der eigentliche Urheber war. Umgekehrt
findet man die Formulierung an vielen Stellen bei K�ster, wo sie Brenker
nicht verwendet.

Wichtiger ist aber nat�rlich, was von dieser Formulierung zu halten ist.
Wenn man die vielf�ltige Patriziats-Forschung, u.a. durch von Klocke und
Mitgau, anschaut, l�sst sich leicht feststellen, das ein Patriziat in diesem
Sinne in keiner Stadt in Minden-Ravensberg-Lippe existierte (i.w.
Herrschaftsfunktion durch eine begrenzte, nur wenig durchl�ssige Gruppe von
Familien mit geschlossenem Heiratskreis, spezielle Patriziergesellschaften).
Im 16. Jahrhundert habe ich den Begriff "Patrizier" in diesem Raum auch
nicht in zeitgen�ssischen Texten feststellen k�nnen. In der ersten H�lfte
des 17. Jahrhunderts werden gelegentlich einzelne Personen in Minden als
Patrizier bezeichnet (zB bei den Borries).

Auch der Begriff "Handelsherr" ist kaum passend, er trifft eher die
Vrerh�ltnisse f�r die oberdeutschen oder hansischen Gro�kaufleute. Eine
Verm�genssituation und Handelsausdehnung wie dort ist f�r
Minden-Ravensberg-Lippe nicht nachzuweisen. Hier w�rde der Begriff
"Kaufmann", ggf. erg�nzt durch "Fernh�ndler", m.E. besser passen. Wobei
nat�rlich erst einmal der Nachweis zu erbringen ist, dass die jeweiligen
Personen tats�chlich Handel resp. Fernhandel betrieben haben. Da
K�ster/Brenker haben o.a. Formulierung stereotyp genutzt, so dass nicht
davon auszugehen ist, dass in jedem einzelnen Fall der Nachweis vorliegt,
sondern dass er erst erbracht werden muss.