Liebe Listenleser,
ich lese ab und zu in dieser Liste mit, sowie auch in einigen anderen,
und bin erstaunt, welche "Gerüchte" sich hartnäckig halten.
(Nicht alle Punkte unten beziehen sich unbedingt auf diese Liste)
Vorweg gesagt sei, daß auch ich nicht unfehlbar bin, falls Sie im
Folgenden einen Fehler entdecken, erschlagen Sie mich bitte nicht
Gerücht : GEDCOM ist GEDCOM
Wahrheit: Der GEDCOM-Standard ist kontinuierlich weiterentwickelt
worden. Mittlerweile gibt es bereits Entwürfe für Version 6.0. Der
Umfang des GEDCOM-Standards ist enorm, und es dürfte kein Programm
geben, das einen aktuellen GEDCOM-Standard vollständig abbildet. Das
war auch von den Machern des Standards nie so geplant.
Dies, gepaart mit einigen "Eskapaden" auch verbreiteter Programme
bietet viel Platz für Inkompatibilitäten und Transferprobleme, auch
ohne das ein beteiligtes Programm immer eindeutig als "schuldig"
identifiziert werden kann.
Trotzdem bietet GEDCOM (bei all seinen Unzulänglichkeiten) ein Niveau
des Datenaustausches, wie es sich andere geradezu wünschen würden.
Wer "Standards" wie beispielsweise DATANORM kennt wird wissen, was ich
meine: Ich kann bis heute die aktuellen Artikel- und Preisinformationen
meiner Lieferanten nicht in meine Datenbank einlesen, obwohl der
finanzielle Druck hierzu beileibe größer wäre, als für den Austausch
von Ahneninformationen.
Gerücht : GEDCOM ist keine Datenbank
Wahrheit: GEDCOM (hier: Version 5.5) ist ein Datenformat, das am
ehesten mit XML vergleichbar ist. Nicht ohne Grund gibt es
Bestrebungen GEDCOM in Zukunft XML-Konform zu machen (siehe GEDCOM 6,
GedML, GeniML). XML-Dateien sind Datenbanken, auch wenn Programmierer
beim Begriff "Datenbank" vielleicht zunächst an MS-Access oder Oracle
denken mögen. Dies mag erklären, warum Austausch von Daten über anders-
geartete Systeme nicht wirklich einen Fortschritt darstellt.
Die einzige wirkliche Alternative, Daten auszutauschen ist es, jedes
Programm mit speziellen Import/Export-Funktionen für jedes andere
Programm auszustatten. So (bzw. so ähnlich) macht es beispielsweise
TMG, aber auch andere Programme, die beispielsweise PAF-Dateien direkt
einlesen können (wenngleich selten in der Fülle der Formate)
Für alle praktischen Überlegungen ist es aber unsinnig davon auszugehen
daß
a) Alle Programme einen gegebenen Standard komplett unterstützen,
und trotzdem alle Daten sinnvoll dahin exportieren können
oder
b) 100 Programmierer sich an Im- und Export-Routinen für 100 andere
Programme setzen, die dann auch noch in verschiedenen Versionen
vorliegen können. Das macht summa summarum mindestens 20.000
Programmroutinen die es zu erstellen gälte.
Es ist also nicht davon auszugehen, daß das Problem des Datenaus-
tausches in näherer Zukunft für alle Beteiligten optimal gelöst wird,
lediglich viel Enthusiasmus seitens der jeweiligen Programmierer kann
ein bißchen mehr an Kompatibilität schaffen.
Gerücht : GEDCOM-Kompatibel ist PAF-Kompatibel
Wahrheit: Aufgrund der Verbreitung von PAF testen praktisch alle
Softwarehersteller den jeweiligen GEDCOM-Import mit Dateien, die von
PAF erzeugt wurden. Gleichzeitig unterstützt PAF aber nur einen
Bruchteil des Standards, im Vergleich sogar nur einen kleineren Teil,
als viele andere Programme. Dateien, die von PAF nicht vollständig
importiert werden, können sehr wohl GEDCOM-Kompatibel sein. Zum Teil
stellt der GEDCOM-Import das korrekt im Fehlerlogbuch dar (z.B. als
Fehler: "PAF kann nur einen Namen pro Person speichern"), zum Teil
erscheint es jedoch so, als sei es ein Fehler der jeweiligen Datei.
(z.B. "Unerwartete Kategorie 'ADDR' in Struktur Ereignisdetails.")
Gerücht : PAF wurde von den Mormonen (LDS) entwickelt
Wahrheit: PAF ist keine eigenständige Entwicklung der Mormonen. Es
basiert auf einem kommerziellen Produkt namens "Ancestral Quest 3".
Ob die Weiterentwicklung (PAF4,PAF5) nunmehr von den Mormonen, oder
nach wie vor durch die ehemaligen Entwicker vollzogen wird, entzieht
sich meiner Kenntnis.
Gerücht : PAF wird *sicher* weiterentwickelt
Wahrheit: PAF für DOS wurde nicht mehr weiterentwickelt. Es wurde
schlicht eingestellt. PAF für Windows (das heutige PAF) wurde nicht
als organischer Nachfolger erstellt, sondern durch Zukauf externer
Software (AQ3) ersetzt. Die Datenübernahme von PAF-Dateien in das
neue PAF für Windows war bereits Teil der Software Ancestral Quest,
bevor es von den Mormonen als designierter Nachfolger eingesetzt
wurde. Zu gegebenem Zeitpunkt werden die Zuständigen wieder
entscheiden müssen, ob sie eine Weiterentwicklung auf neue
Platformen durchführen, ob sie ein neues Produkt erstellen, oder
ob sie bestehende Produkte zukaufen.
Fakt ist auch, daß die langfristige Verfügbarkeit anderer Produkte
von kommerziellen Überlegungen abhängig sind, gleichsam ist die
Verfügbarkeit von PAF von Vorgängen abhängig, die mir jedoch nicht
bekannt sind.
Einige kommerzielle deutsche Produkte gibt es bereits seit über
einem Jahrzehnt, andere wurden bereits nach kurzer Zeit wieder
eingestellt. Garantien gibt es nicht, weder mit PAF noch woanders -
wichtig ist da für den Anwender nur, daß er seine Daten später
möglichst gut weiterverarbeiten kann - womit wir wieder beim Thema
GEDCOM angelangt wären.
Gerücht : PAF ist religiös beeinflußt
Wahrheit: PAF kann wunderbar auch von Nicht-Mormonen eingesetzt
werden. Meines Wissens nach gibt es keine Gründe, das Programm
abzulehnen, nur weil man der LDS-Kirche nicht angehört. Ich kenne
zwar nicht die genauen Beweggründe, die dazu geführt haben, die
neueren PAF-Versionen kostenlos an alle Interessierten zu verteilen,
halte diese aber für lauter. Auch die Internetfunktionen der
Software führen vornehmlich auf Seiten mit nicht-religiösen Inhalten
- es sei den, man würde Daten aus Kirchenbüchern als religiös
einstufen...
Damit mich niemand falsch versteht: PAF ist eine kostengünstige
Möglichkeit, genealogische Daten zu verwalten, und ist beileibe nicht
das schlechteste Programm, zumal zu einem Preis von Null-Euro. Ob es
für den einzelnen Anwender das optimale Werkzeug für seinen Bedarf
ist, und damit wirklich "günstig" ist, muß jeder selbst entscheiden.
Das ich das vielleicht anders bewerte mag man mir verzeihen.
Mit freundlichem Gruß
Jörn Daub
(Autor von Ages!)