OW-Preussen L, Band 27, Eintrag 2, Kontributionskataster 1772

Hallo Michael und alle anderen an Westpreussen Interessenten,
Du stellst die Angelegenheit mit dem Kontributionskataster etwas auf den Kopf und daraus ergeben sich dann Deine "falschen" Fragen. Nach der ersten polnischen Teilung 1772 beauftragte Friedrich der Große den Geheimen Finanzrat Rembert Roden damit, ein Steuer-Kataster für diese neuen Gebiete zu erarbeiten. In den Jahren 1772/1773 waren daher drei Kommissionen mit 60 Beamten und 40 Befragern mit dieser Arbeit beschäftigt.
Die preussisch/russische Grenze verlief damals fast genauso wie bis 1920. Der Drewenzwinkel gehörte also auch schon damals zu Preussen. Warum? Weil sonst seine Wohnplätze - wie Grabowiecz, Nowawies(Neudorf), Silno, Zlotterie und sogar Obory (später auf der anderen Seite der Grenze) - nicht im Kataster enthalten wären! Warum hätte der preussische König ein Steuerkataster anlegen sollen, in einem Land, welches ihm nicht gehörte. Ausgeschlossen war in dem hier interessierenden Landstreifen lediglich die Stadt Thorn und nur diese. Auch die der Stadt Thorn gehörenden Ländereien (also auch die Thorner Stadtniederung) waren bereits 1772 an Preussen gefallen. Welche Auswirkungen dieses Abtrennen der Stadtländereien von der Stadt Thorn für die Stadt aber insbesondere für die Bauern der Niederung hatte, kannst Du ganz gut in dem Aufsatz von Hermann Saß 'Aus der Niederung schwerster Zeit' (www.thorn-wpr.de/fqbase13.htm) nachlesen. Insofern sind Deine Ausführungen zur 1. Teilung Polens '(allerdings ohne Danzig und ohne Thorn - auch ohne die Thorner Niederung)' und zwar was den letzten Teil dieser Aussage betrifft - nicht ganz korrekt.

Es gab übrigens anläßlich der preussischen Besitzergreifung nur die Landaufnahme von 1772/73. Von einer solchen aus dem Jahre 1793 ist mir bisher in Bezug auf westpreussisches Territorium nichts bekannt. Das Kataster ist also nicht nur angeblich von 1772 sondern tatsächlich von 1772 bzw. 1773.

Allerdings ist der Gedanke an eine 1793 vorgenommene Nacherhebung nicht ganz von der Hand zu weisen, für den Fall, dass die Stadt Thorn 1772 doch nicht ihren ganzen Landbesitz an Preussen verloren hat. Hierfür ergeben sich sogar Hinweise aus den "Teilauszügen". Da Thorn 1772 noch nicht preussisch war, musste ein Amt Culmsee eingerichtet werden und dieses taucht auch als solches in den Listen auf. Bei einigen Gutsbezirken wird aber als Amt nicht 'Culmsee' sondern 'Thorn' angeführt. Dies kann allerdings erst 1793 nach der 2. polnischen Teilung möglich gewesen sein. Ich habe mir mal die Mühe gemacht die Wohnplätze je nach angegebenem Amt auf einer Karte gesondert farblich kenntlich zu machen. Dies ergibt einen rechten Flickenteppich, der eigentlich gegen diese Arbeitshypothese spricht. Die Orte mit Thorn als Amt liegen zwar ziemlich konzentriert zwischen Thorn und Culmsee, aber es gibt auch Ausrutscher wie Cichoratz(Tannhagen), Skludzewo(Hohenhausen), Pensau, Roßgarten u.a., die von Amt-Culmsee-Dörfern umringt sind und vice versa z.B. Gostkowo mit Amt Culmsee, weches von Amt-Thorn-Wohnstätten umgeben ist.

Eine Klärung dieser Frage ist bestenfalls durch Einsicht in das Originalkataster dieser mit Amt Thorn bezeichneten Wohnplätze möglich, in welchen das Jahr der Erhebung angegeben sein sollte. Die Wohnplätze im Drewenzwinkel sind allerdings all mit Amt Culmsee gekennzeichnet.

Bei dieser Gelegenheit darf ich auch auf die in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung des Wortes 'Auszug' hinweisen. Vom Herder-Institut hast Du keinen Auszug für das Dorf Grabowitz aus dem Kontributionskataster erhalten, sondern einen Auszug vom Auszug vom Auszug, nämlich einen Grabowitz betreffenden Auszug aus den sogenannten "Teilauszügen" der sogenannten "Gesamtauszüge", die zusammen die sogenannten "Marburger Auszügen" ausmachen. Auch die beiden excel-Dateien, die ich Dir gestern geschickt habe, sind nur Abschriften der "Teilauszüge" der "Marburger Auszüge", in denen eben neben dem Wohnplatz und dem zuständigen Amt nur noch die Erhebungsmerkmale Nachname und Vorname des Familienvorstandes übriggeblieben sind. Alle anderen Erhebungsmerkmale sind weggelassen worden.

Wie dieses Kataster tatsächlich aufgebaut war und welche Erfassungsmerkmal es zusätzlich noch enthielt, kannst Du z.B. für Altthorn auf meiner Seite www.thorn-wpr.de/fq1772At.htm sehen.

Für heute genug der Besserwisserei!
Gruss Volker

Volker Krüger
Webmaster www.thorn-wpr.de
heim@thorn-wpr.de