Am 14. Februar 1955 jährte sich zum zehnten Mal der Todestag meines lieben Mannes, unseres guten Vaters, Schwiegervaters und Großvaters, des Bauern Heinrich Rasokat, der auf der Flucht in Helenenhof, Kreis Braunsberg, ums Leben kam. In stillem Gedenken im Namen der Angehörigen: Frau Emma Rasokat, geb. Plutat, Altengraben, Kreis Tilsit-Ragnit. Jetzt: Elverdissen 130 über Herford, Westfalen.
Am 20. Februar 1955 jährt sich zum zehnten Mal der Todestag meines lieben, unvergesslichen Sohnes, unseres guten Bruders, Herbert Holweck, Leutnant in einem Pnzer-Gren.-Regiment. Gleichzeitig gedenken wir in Liebe meines lieben Mannes, unseres herzensguten, stets für uns sorgenden Vaters, Karl Holweck, vermisst seit April 1945. In stiller Trauer: Frau Gertrud Holweck, geb. Teichner. Irmgard Holweck. Gerhard-Peter Holweck. Sabine Holweck. Königsberg, Brodbänkenstraße 32. Jetzt: Rotenburg, Hannover, Große Straße 19
Wir gedenken unseres geliebten Verstorbenen, des Oberzollsekretärs i. R. Michael Jenko, gestorben am 21.02.1945, auf der Flucht. Berta Jenko und Kinder. Königsberg, Meisenweg 24. Jetzt: Berlin W 35, Schwerinstraße 14
Zum treuen Gedenken. In Liebe gedenken wir unseres unvergesslichen, hoffnungsvollen, lieben Sohnes, Gerhard Lamm, gb. 06.10.1926, gefallen im Februar 1945. Ernst Lamm und Frau Frida, geb. Hinzke. Königsberg, Baczkostraße 45. Jetzt: Salzgitter-Lebenstedt, Am Papenkamp 1
Zum zehnjährigen Gedenken. In steter Liebe und Wehmut gedenken wir unseres lieben, ältesten Sohnes und Bruders, Erwin Gregel, geboren am 19.06.1922, in Siegerfeld, Ostpreußen, der im Februar 1945 auf der Flucht von den Russen verschleppt wurde. Wer weiß etwas über sein Schicksal und gibt uns Nachricht? In stillem Gedenken: A. Gregel. Früher: Siegerfeld, Kreis Lyck, Ostpreußen. Jetzt: Hildesheim, Bergsteinweg 44
Zum Gedenken. Wer in den Herzen seiner Lieben lebt, der ist nicht tot, er ist nur fern. Am 19. Februar 1955 jährt sich zum zehnten Male der Todestag unserer lieben Mutter, Schwiegermutter, Oma, Schwester und Schwägerin, Frau Anna Groß, verw. Growe, geb. Kohn, geb. am 15.02.1885, in St. Lorenz, Kreis Samland, Ostpreußen, gestorben am 19.02.1945, auf der Flucht in Pillau. Gleichzeitig gedenken wir unserer lieben Brüder, Uffz. Wilhelm Growe, geb. 21.09.1915 in St. Lorenz, gefallen am 17.10.1944 in Litauen; Obergefr. Ernst Growe, geb. 06.06.1920 in St. Lorenz, vermisst in Allenstein, Ostpreußen, im Januar 1945. Wir gedenken ihrer in Liebe. Im Namen aller Angehörigen: Antonie Growe, St. Lorenz, Kreis Samland, Ostpreußen. Jetzt: Hanbuche bei Eckenhagen
Wenn sich der Mutter Augen schließen, der teure Tod das Herz zerbricht, dann ist das schönste Band zerrissen, denn Mutterliebe ersetzt sich nicht. Zum zehnjährigen Gedenken. Am 22. Februar 1955 jährt sich zum zehnten Male der Tag, da unsere liebe Mutter, Schwiegermutter und Oma, Ida Gutzeit, geb. Wahner, geb. 14.03.1874 in Münsterberg, Schlesien, gestorben am 22.02.1945 in Gotenhafen während der Flucht aus der geliebten Heimat, infolge Herzschlages, den Tod fand. Ihr folgte nach einem schicksalsschweren Leben, ihr lieber Mann, unser lieber Vater, Schwiegervater und Opa, Schmiedemeister Karl Gutzeit, geboren am 11.03.1877 in Godeglienen, Kreis Gerdauen, gestorben 29.08.1950 in Benthen, Mecklenburg, früher wohnhaft in Schönlinde, Kreis Gerdauen. In stetem Gedenken: Herbert Gutzeit, Zeven, früher: Königsberg, Beeckstraße 21. Hildegard Gutzeit, geb. Kruska. Martin Gutzeit, Husberg, Neumünster, früher: Schönlinde. Artur Klausberger, Berlin-Kladow, früher: Stallupönen. Magda Klausberger, geb. Gutzeit. Als Enkelkinder: Wolfgang, Wendelin, Werner
Verstorben ist am 16. Januar 1955, im alter von 93 Jahren, Frau Wilhelmine Sperwien. Neuhäuser, Kreis Samland. Jetzt: Hamburg-Harburg, Hastedtstraße 22a, bei Schmidtke
Durch Flucht und Ausweisung verlor ich meine liebsten Menschen, Erika Feuersenger, geb. Maschke, aus Danzig-Langfuhr, gestorben 27. März 1945; Oberstleutnant a. D. Franz Kowaleck, aus Königsberg, Ostpreußen, gestorben am 16. Januar 1946; Sanitätsrat Dr. Max Maschke, aus Liebemühl, Ostpreußen, gestorben am 16. Januar 1946. Else Kowaleck, geb. Maschke, Niendorf-Ostsee, Strandstraße 89
Auf der Flucht vor dem Schrecken des Krieges, verloren wir vor nunmehr zehn Jahren, unsere liebe Mutter, Großmutter, Urgroßmutter, Schwester, Schwägerin und Tante, die Lehrerwitwe Martha Kallweit, geb. Schmidtke, aus Ebenrode, im 78. Lebensjahre, verschollen im März 1945 in Gotenhafen. Sie lebte und wirkte nur für uns. Gleichzeitig gedenken wir unserer lieben Geschwister, die fern der Heimat den Tod fanden: Erna Schulz, geb. Kallweit, aus Ebenrode, gestorben am 20.10.1945 in Kappeln, Schlei; Reinhard Kallweit, aus Schmilgen, gestorben am 26.09.1946 in Neumünster. Im Namen der Familie: Charlotte Kallweit. Brockel, Kreis Rotenburg, Hannover, im Februar 1955
Wir hofften alle auf ein Wiedersehen, aber Gott, der Herr, hat es anders gewollt. Am 9. Januar 1955 entschlief sanft, nach kurzem, schwerem Leiden, in unserer ostpreußischen Heimat, meine liebe, herzensgute Mutter, Schwiegermutter, Großmutter und Tante, Charlotte Willutzki, geb. Stopka, Dannen, Kreis Lötzen, Ostpreußen, im 78. Lebensjahre. In tiefer Trauer: Johann Willutzki und Frieda Willutzki, Dannen, Kreis Lötzen, Ostpreußen. Familie Otto Willutzki, Hörnum (auf Sylt). Fmilie Paul Willutzki, Bedburg (Erfurt). Familie Gustab Prystav, Bad Essen. Julius Willutzki und Frau, Hamburg-Wilhelmsburg. Ernst Willutzki, Osnabrück. Hildegard Bottke, Bad Essen. Hamburg-Wilhelmsburg, Weimarer Straße 27
Am 10. Februar 1955 starb nach kurzer, schwerer Krankheit, meine liebe Frau, unsere gute Mutter und Großmutter, Anneliese Feller, geb. Meyer, im 48. Lebensjahre. Fritz Feller. Ursula Feller. Elisabeth Kiltz, geb. Feller. Karl Feller. Johann Feller, Margarete Feller. Friedrike Feller. Hans Kiltz und Sohn Georg. Lothar Esau. Kaimelswerder, Kreis Gumbinnen. Jetzt Nußbaum, Kreis Kreuznach
Nach einem gesegneten Leben, ging am 2. Februar 1955, in stillem Frieden, unsere liebe Mutter, Schwiegermutter, Großmutter und Urgroßmutter, Marie Stopka, geb. Scharna, im Alter von 93 Jahren in ihrer Heimat Bartlowo, Kreis Sensburg, zur ewigen Ruhe. In stiller Trauer: Otto Stopka, noch vermisst. Lotte Stopka, geb. Rattay; Marta Stopka, geb. Stopka, beide noch in Ostpreußen. Elisabeth Wriedt, geb. Stopka nebst Enkel und Urenkel. Früher: Keilern, Kreis Sensburg. Jetzt: Künzelsau, Künzbacher Weg 6
Seite 9 Sechs Jahre durfte sie nicht schreiben. Wieder kehrt eine Totgesagte heim, und der Mann ist verheiratet
„Nachdem ich Dich fünf Jahre erfolglos gesucht hatte, habe ich Deine Todeserklärung beantragt, und sie wurde ausgesprochen. Jetzt bin ich mit einer anderen Frau verheiratet!“
Was tut eine Frau, wenn sie von ihrem Ehemann einen solchen Brief bekommt, gerade in dem Augenblick, wo die Hoffnung besteht, dass sie in kurzer Frist zu ihm zurückkehren kann?
Man kann es sich schwer vorstellen, wenn man es nicht am eigenen Leibe, am eigenen Herzen erlebt hat. Dieses Herz, das so wild schlägt vor Sehnsucht und Schmerz und Zorn, hat nach einer nüchternen amtlichen Erklärung kein Recht mehr zu schlagen. Sie sagt dir Schwarz auf Weiß: Du bist tot! Der Mensch, den du am meisten liebtest, hat gewollt, dass diese Erklärung geschieht. Er hat keine Geduld gehabt, auf deine Rückkehr zu warten. Ihm war nichts anderes mehr wichtig als sein eigenes Glück und Wohlergehen. Seine Liebe, die du durch viele Jahre verspürt hast, die dir das Wichtigste war in deinem Leben, die du mit allen Fasern deines Seins erwidert hast, mit der du durch Dick und Dünn gegangen bist und alle Qualen für nichts geachtet hast, hat er einer anderen Frau geschenkt, die nichts von eurem gemeinsamen Leben weiß. Du stellst dir vor, in stillen einsamen Nächten, wie sie jetzt alles Vertrauen und alle Liebe empfängt, nach denen du Sehnsucht hast. Deine Hoffnung, die dich durch viele Jahre getragen hat, zerbricht wie ein Schiff auf sturmgepeitschtem Meer, und du fühlst den Untergang. Und du musst trotzdem weiterleben, denn das Leben hat nichts mit amtlichen Erklärungen zu tun. „Das ist Schicksal!“, wird mancher sagen, aber das, was wir Schicksal nennen, ist der Vollzug einer höheren Macht. Untreue aber ist etwas menschliches, unzulängliches; es ist Schuld.
Das Vertrauen blieb
Das alles hat Frau Helene Kislat aus Gumbinnen am eigenen Leibe erlebt. Sie kann sich nicht erinnern, in irgeneiner Hinsicht versagt zu haben. Es war nicht ihre Schuld, dass sie vor zehn Jahren von der Roten Armee überrollt wurde. Ihr Mann war Soldat, und sie war mit ihrem Sohn Erwin allein, der zwar kein Kind mehr war, aber noch nicht erwachsen genug, um für die Mutter eine Entscheidung zu treffen. So blieben sie in ihrer Gumbinner Wohnung zurück, bis der Zugriff der feindlichen Macht sie aus dem Zuhause vertrieb und sie irgendwo in der Umgebung zur Arbeit zwang. Damals schon ahnte sie, dass sie den Mann für lange nicht wiedersehen würde, aber das Vertrauen in ihrem Herzen blieb, dass sie von ihm nicht Vergessen war. Wo ein Wille ist, dachte sie, da ist auch ein Weg. Dar war ihre Hoffnung.
Es dauerte nicht lange, bis Frau Kislat einsah, dass sie auch diesen Gedanken fürs erste begraben musste. Sie sah es ein, dass es unmöglich war, Hilfe von einem Menschen zu erwarten, der sich wahrscheinlich selbst in Gefangenschaft befand. An seinen Tod glaubte sie nicht. Das Gefühl in ihr war zu stark, dass er am Leben war. Frauen, wenn sie einen Menschen ganz stark lieben, haben oft ein geheimnisvolles Wissen. Darum gab sie die Hoffnung trotz allem, was noch kam, nicht auf. Hoffnung ist eine göttliche Kraft, die alle Not überwindet. Und die Not stieg wie eine Flut.
Der Sohn entfloh aus dem Transportzug
Zuerst wurde ihr der Sohn entrissen. Eines Tages brachte man ihn fort, und sie wusste nicht wohin. Soviel konnte sie sich aber denken, dass man ihn nicht in Sicherheit brachte. Für die Verschleppten gab es nur eine Richtung, die nach Osten. (Foto: Nach zehn Jahren als Toterklärte zurückgekehrt. Frau Kislat mit ihrem Sohn, ihrer Schwiegertochter und ihren beiden Enkelkindern).
Erwin aber hatte sich zu helfen gewusst. Mit vielen anderen Deutschen, mit Jugendlichen und Frauen, wurde er in einen Güterzug verladen. Es sprach sich bald herum, dass die Fahrt erst weit im Innern Russlands ihr Ende finden würde. Dazu hatte er keine Lust. Alle seine Sinne waren wach und auf Rettung gerichtet. Auf einer kleinen polnischen Station, wo der Zug längere Zeit liegen blieb, entschlüpfte er aus dem Zug. Geschicklichkeit und Glück waren seine Helfer. Als der Zug abfuhr, verließ er sein Versteck und begann eine beschwerliche Wanderung nach Westen zurück. Hunger und Durst waren seine Begleiter. Aber dann und wann fanden sich Menschen, die ihm etwas zu essen zusteckten. Als er die Oder hinter sich hatte, wurde es leichter. Und schließlich kam er nach Berlin. Auch hier blieb er nicht lange. Die endgültige Rettung konnte er nur jenseits der Elbe finden. Als ihm der Übergang gelungen war, hatte er nichts anderes im Sinn, als den Vater zu finden, und das gelang ihm auch. In der Nähe von Bremen bot sich den beiden dann ein vorläufiges Zuhause, und nur der Gedanke blieb übrig, dass auch die Mutter eines Tages zu ihnen hinfinden möge.
Für den Mann muss ich leben
Die Mutter aber war indessen in das Getriebe eines fremden Machtwillens geraten. Eines Tages wurde sie vor ein Gericht gestellt, sie wusste nicht warum. „Zehn Jahre Zwangsarbeit“, lautete das urteil. Eine Reise begann die endlos erschien. Erst hinter dem Ural fand sie ihr Ende. Und dann, in Salanka, begann das Elend, von dessen Unerbittlichkeit wir schon aus dem Munde vieler anderer Frauen und Männer wissen, die vor ihr zurückgekehrt sind. Bis zur Erschöpfung, im härtesten Winter, mit zunzlänglicher Nahrung, musste sie Bäume fällen. Ihr Soll, das sie zu erfüllen hatte, stand um nichts hinter dem der Männer zurück. Nichterfüllung der geforderten Arbeitsleistung bedeutete noch mehr Hunger, abgesehen von grausamen Strafen.
Aber das alles ertrug Frau Kislat in dem Gedanken, dass irgendwo der eine Mensch lebte, für den sie sich unter allen Umständen erhalten musste. Sie dachte; er wartet auf mich, und um seinetwillen muss ich leben und alles ertragen. Sie dachte; einmal sind auch zehn Jahre zu Ende, und dann werde ich zurückkehren und bei ihm sein, und wir werden alles vergessen und glücklich werden. In Mühe und Not, Krankheit und Lebensgefahr bewahrte sie diese Vorstellung vor dem letzten Zusammenbruch. Sie zählte die Tage.
„Versuchungen, sich in Untreue zu verlieren, gab es auch für uns Frauen“, sagte Frau Kislat. „Und es gab einige, die sind der Versuchung erlegen, vielleicht um ein Stück Brot mehr, den Hunger zu stillen, oder aus der Hoffnung, dadurch schneller abgeschoben zu werden, oder aus rein menschlichen Gründen.“
„Aber für solche Frauen und Mädchen konnte ich nur Verachtung empfinden“, erklärt Frau Kislat. „Auch nur so etwas zu denken, hätte mich gehindert, meinen Mann jemals wieder vor die Augen zu treten!“
Denn eben das war ihr einziger Gedanke; der Mann! Der Sohn! Ihr Leben wäre ihr sinnlos erschienen, hätte sie davon ablassen können, sich ihr Dasein außerhalb dieses Kreises vorzustellen.
Sie konnte es ihm nicht sagen, denn schreiben durfte sie nicht. Auch hatte sie keine Ahnung, wohin sie ihre Brefe hätte richten sollen.
Ihre Welt zerbrach
Plötzlich dann diese unbändige Freude! Nach sechs Jahren härtester Fron brach für die Frauen wie ein sonniger Tag die Freiheit an. „Ihr seid entlassen“, hieß es, „begnadigt!“
Nur nach Hause, nach Deutschland, durften sie noch nicht. Aber die Hoffnung wuchs. „Mit der Heimkehr müsst ihr noch ein paar Monate warten“, sagte man ihnen, „aber ihr seid frei und könnt gehen und tun wohin und was ihr wollt!“ Da sie die Wahl hatten, wollten sie gern alle in die Ukraine, und ihr nächster Wunsch war, möglichst alle zusammenzubleiben. Aber die Russen lachten. „Ihr wollt wohl eine deutsche Kolonie aufmachen?“ Sie wurden zu kleinen Grußßen verschickt. Frau Kislat geriet in einen Transport, der nach Charkow führte. Sie kam nach Bogoduchow. Da war eine Sowchose, die den Namen „Karl Liebknecht“ führte. Drei Frauen aus Ostpreußen, mit denen sie in Salanka die Tage der schlimmsten Not geteilt hatte, blieben auch hier bei ihr.
Nun, reisen konnte sie noch nicht, aber sie durfte schreiben. Sie schrieb einen Brief an das Deutsche Rote Kreuz nach Berlin und harrte der Antwort. In sechs Jahren lernt man Geduld. Eines Tages musste die Antwort kommen, darin würde stehen, wo sie ihre Lieben zu suchen hatte. Zwei frauen erhieltn Brief und waren glücklich. „Wir warten auf dich“, schrieben die Männer.
Bald, viel schneller, als sie erwartet hatte, hielt auch Frau Kislat den schicksalsschweren Brief in den zitternden Händen. Aber dann hätte sie plötzlich weinen mögen, wenn nur die Trnen gekommen wären. Hätte sie doch besser einer der vielen Baumriesen aus den Wäldern hinter dem Ural erschlagen!
In dem Brief stand eben das: „Jetzt bin ich mit einer anderen Frau verheiratet!“
Wenn sie nur nicht immer so gläubig, so treu gewesen wäre, wenn der Mann, den sie liebte, in ihren Gedanken nicht der verlässlichste Mensch von der Welt gewesen wäre, vielleicht hätte sie es dann leichter ertragen. Nun zerbrach diese Welt unter ihren Händen wie ein Stück Glas, und sie spürte die spitzen Scherben, wie sie ins Herz eindrangen.
Das Heim des Sohnes als Zuflucht
Trotzdem durfte sie nicht nachlassen; sie musste durchhalten. Sie musste arbeiten. Es stand nicht mehr die Knute dahinter, es war eine freiwillige Fron, aber wie schwer war sie doch, weil die Hoffnung zerbrochen war. Die Arbeit auf der Sowchose wurde bezahlt, und für die dortigen Verhältnisse nicht einmal schlecht. Sie musste sich von den Rubeln, die sie verdiente, ernähren. Aber das war Nebensache. Die Hauptsache war, einen Rubel auf den anderen zu legen, um die Reise nach Deutschland bezahlen zu können. Für dieses Ziel konnte man auch etwas hungern. Und manchml steckten einem die ukrainischen Frauen etwas zu, ein bisschen Brot, ein Stückchen Fleisch.
Nach Deutschland musste sie gelangen, denn der Sohn wartete auf sie. Das war ein Trost. Er schrieb, dass er eine Frau habe, die sich mit ihm auf die Heimkehr der Mutter freue. Viel Raum war nicht da, aber das würde sich finden. Und Enkelkinder waren auch schon geboren.
Endlich vor kaum zwei Wochen, war es soweit, Die 278 Rubel waren beisammen, welche man für die Reise braucht. Die notwenigen Papiere trafen aus Moskau ein. Zwei Frauen von der kleinen Gruppe waren bereits in der Heimat, mit ihren Männern und Kindern vereinigt.. Eine Frau blieb noch zurück, als letzte. Ihr Mann ist gefallen. Sie muss sich damit abfinden. Frau Kislat hat das Gefühl, es sei leichter als das Bewusstsein, das sie nun erfüllt: Ein paar Kilometer abseits von dem Ort, wo sie nun bei ihrem Sohn und der Schwiegertochter eine Zuflucht fand, lebt ihr Mann, und an seinem herd steht eine andere Frau, auch eine Ostpreußin.
Sie hat ihren Mann gesehen. Er kam, um sie zu begrüßen, und sie haben lange und viel mteinander gesprochen. Aber in ihrem Herzen ist noch zu viel Bitterkeit, zu viel Enttäuschung, dass sie über den Augenblick hinausdenken könnte, um zu wissen, was sie nun eigentlich zu tun hat, wie sie sich verhalten soll.
Vorerst müssen die Behörden die Lage klären, sie wieder als Lebende anerkennen, ihr sozusagen das Leben neu schenken. Und vielleicht wird dann die Zeit helfen…….
Seite 10 Oberbaurat a. D. Gerlach 70 Jahre alt
Am 24. Februar 1955 wird der jetzt in Freiburg im Breisgau, Schliebergstraße 23, wohnende Oberbaurat a. D. Hans Gerlach, siebzig Jahre alt. Sein Name ist eng verknüpft mit der Bautradition des Königsberger Schloß- und Universitäts-Bauamtes, dessen letzter Vorstand er gewesen ist. 1913 bestand der Jubilar sein Staatsexamen; er wurde danach zum umbau des Landwirtschaftsministeriums in Berlin hinzugezogen. Den Ersten Weltkrieg, in dem er zweimal verwundet wurde, machte er bei den Feld-Artillerie-Regimenten 16 und 72 mit. Am 1. Juni 1920 wurde er zum Vorstand des Schloß- und Universitäts-Bauamtes ernannt, bis zu unserer Vertreibung war er in diesem Amte tätig. Unter seiner Verantwortung entstanden eine Reihe von modernen Bauten für Kliniken und Institute der Albertina. (Das Ostpreußenblatt wird demnächst über dieses großzügig durchgeführte Bauprogramm berichten).
1945 wurde Oberbaurat Gerlach, der im Polen-Feldzug als Hauptmann Dienst getan hatte und danch vom Wehrdienst zurückgestellt worden war, mit fast sechzig Jahren zum Volkssturm eingezogen. Bei der Kapitulation von Königsberg geriet er in russische Kriegsgefangenschaft. Er überstand acht Monate Gefängnis und wurde eines Tages von den Russen dem sogenannten Ingenieurstab des Lagers Ostpreußenwerk zugeteilt. Später kam er noch in die Lager Pr.-Eylau und Georgenburg, von wo aus er im Jahre 1948 entlassen wurde.
Seite 11 In der Sowjetunion zurückgehalten. Heimkehrernachrichten über Verschleppte und Verstorbene
Wir veröffentlichen im Folgenden nunmehr weitere Namen von Zivilverschleppten, die in Russland zurückgehalten werden oder verstorben sind. Die Namen sind