Ostpreußen-Warte, Folge 11, November 1951, Teil 3

Seite 9 Totensonntag: Gedenken an eine Mutter/Carla von Bassewitz
Foto: „Die drei Kreuze“ – Ehremal bei Lyck. Hier ruhen aus den Kämpfen von 1914 um Lyck gemeinsam mit den ostpreußischen Gefallenen auch Landwehrmänner aus Hamburg und Flensburg. Aufn. W. Raschdorff, verstorben

Nun bist Du schon weit über Jahresfrist dahin hingegangen, liebe Mutter -- und hast mich in einem arbeitsreichen, aber heimatlosen Dasein zurückgelassen - allein, obgleich wir nicht zusammen wohnten und unseren Alltag nicht gemeinsam begingen, so dass rein äußerlich sich nichts bei mir änderte. Nur - Deine Gedanken waren immer um mich.

Mit Deinen armen schwachen Augen und rheumatischen Schultern hättest Du mir keine Arbeit abnehmen können. Schon nach Vaters Tode - er hätte Dich auf Händen getragen und Dir alles Unangenehme fernzuhalten versucht bliebst Du etwas hilflos zurück. Wie oft haben Deine energischen Töchter Dir geschäftlich und persönlich helfen müssen, und griffen manchmal sogar gegen Deinen Willen ein! Wie oft waren Dir unsere fröhliche Geselligkeit und unser Kinderlärm zu viel. Wie oft tatest Du, in eigene Gedanken tief versunken, gerade das, was gegen unsere geheiligten Hausordnungen war!

Nein, eine Familienmutter, die fehlende Hilfskräfte in den Haushalten ihrer Kinder vertritt, alles benäht und bestrickt - energisch in mancherlei Situationen eingreift, wo es ihr geboten scheint , Ordnung zu schaffen - das warst Du nicht.

Aber die Leere, die Du hinterlässt, ist grenzenlos!

Nicht nur, weil Du uns unvergängliche, innere Werte hinterlassen hast durch Deine glückliche Ehe und Deine Kunst. Dies sind wohl zwei Seiten des Lebens, durch welche das Kind schon im Elternhaus für künftige Erlebnisse gerüstet und geprägt wird.

Vieles Schwere hätte ich später vielleicht nicht ertragen ohne aufgewachsen zu sein in der klaren Luft der gegenseitigen Liebe meiner Eltern, die nicht nur im „Dienen der Frau" sondern auch in zartester Ritterlichkeit des Mannes bestand.

Und was gabst Du den Kindern nicht schon mit durch Deinen in ernstem Studium geschulten Gesang, dem unser junger fröhlicher Vater so andachtsvoll zuhörte! Schon früh habe ich echte Kunst von Wertlosem unterscheiden gelernt und erfahren, welche Kraft wir uns in schweren Tagen aus dem wirklich Großen und Schönen holen können. Jedoch das Wesentliche ist dies beides nicht.

Nie werde ich vergessen können, welchen Anteil Du an meiner wachsenden kleinen Familie und meinem eigenen Hause nahmst und zwar gerade in Deiner ausgesprochenen Zurückhaltung. Nie griffst Du ein, nie machtest Du Deine Meinung geltend. Aber sie war unerschütterlich und unbestechlich, und deshalb doch von Einfluss auf unser Tun. Nie fühltest Du Dich übergangen oder zu wenig beachtet. Zu dieser Ausgewogenheit des Wesens trug vornehmlich die soziale Arbeit bei, die Dir in Deiner Heimat einen Lebensinhalt gab und Dich innerlich unabhängig machte.

So gingst Du bei Deinen jährlichen Besuchen zu allen Jahreszeiten still Deinen eigenen Weg - kanntest jeden Winkel im Garten und alle Alten und Einsamen im Dorf.... Das letzte Mal, als Du gegen Schluss des Krieges bei mir warst, stand der Feind schon an der Grenze, mein Mann, meine älteren Söhne und alle eingearbeiteten Hilfskräfte waren bei der Wehrmacht und am Ostwall - ich war ganz allein zuhause, denn auch die jüngeren Kinder hatte ich westwärts in Sicherheit gebracht. Da hast Du ohne Furcht treu

bei mir ausgehalten, still bei meinen Wirtschaftsverhandlungen im Hintergrund gesessen, Dir das Nötigste ohne zu drängen erklären lassen - mich auf mancher Fahrt durch diesen letzten goldenen Herbst in der Heimat begleitet - und mir immer Mut zugesprochen. Bis ich dann auch Dich zur Abreise veranlassen musste . . .

Welches Band waren nach der Flucht all diese schönen und schmerzlichen Erinnerungen bei meinen Besuchen in Deiner stillen kleinen Stube mit den nickenden wilden Rosenzweigen und grünbuschigen Hemlockstannen vor dem Fenster -! Immer wieder sprachen wir - nun beide in eine uns neue Umgebung verschlagen – von allen Menschen, Tieren, Pflanzen und Räumen mit lieben vertrauten Dingen, die wir nicht mehr wiedersehen konnten, und waren für Stunden daheim - - sei es in Deinem oder meinem Haus …

Ach und wie freutest Du Dich, wenn ich kam! Was nur möglich war, hattest Du dann gesammelt - ein Stück Schokolade aus einem Paket - ein Gläschen Johannisbeergelee, das nach „zuhause" schmeckte, das Geschenk einer Försterfrau, die Du öfters in ihrer Einsamkeit besuchtest - unendlich viele Blätterzweige und Waldblumen, große Büsche leuchtend roter Heide . . . Wie verstandest Du dies alles in Ermangelung von nicht genügend Vasen in Blechgefäßen und Tontöpfen zierlich zu ordnen - das ganze Zimmer war stets geschmückt und bunt - ein herber Duft von Kaffee und frischem Grün schwebte über allem.

Immer war es wie ein kleines Fest - und war doch nur Du hast gottlob nie Not gelitten, sondern treue Fürsorge erfahren.

Aber der Kummer um Dein verlorenes Heim und Deine Arbeit - und mein und der Kinder zerstörtes Familienleben hat Dich langsam aufgezehrt. Du bist, wie es der Volksmund in den alten Märchen ausspricht, in des Wortes buchstäblicher Bedeutung ,an gebrochenem Herzen" gestorben.
Gelegentlich hast Du geäußert, wir sollten nicht um Dich trauern, wenn Du tot seiest, denn Du möchtest nicht mehr leben. Dann dachte ich wohl: „Mit wem soll ich dann sprechen, an wen soll ich dann schreiben?" - Trotzdem wir ja heute alle eher mit zu viel als zu wenig Menschen nahe zusammenleben müssen!

Es ist vielfach mit uns so bestellt, dass zwar zum „Sprechen" genug Menschen da wären, auch manchmal freundliche Menschen — wer aber will wirklich wissen, was uns innerlich angeht? Mit wem möchten wir uns so nahe stellen, dass wir ohne Maske über unsere Nächsten - alte Freunde und eigene Kinder - sprächen, über Alltagsärger und größere Sorgen, bei wem wäre man sicher, dass es in Schweigen bewahrt bliebe, wie man selbst es bewahren würde?

Wohl uns, wenn wir in all' dem großen Verlieren bei der Flucht unsere Mutter behalten haben …
Wie leicht nimmt sich ein Zuhörender eben aus der Tatsache, dass wir ihn teilnehmen lassen, die Gelegenheit, uns einmal „ordentlich die Wahrheit zu sagen". Ach, und meistens ist so was gar nicht „die Wahrheit", sondern höchstens seine eigene Meinung, die oft nicht auf unsere anders gelagerten Verhältnisse passt . . Du aber hörtest zu, und Deine Kritik war gütig. Du hattest viel erlebt. Alter und Erfahrung sollten uns alle nicht schärfer, sondern gütiger machen . . .
Zwar war es oft so, dass Du einen Rat nicht geben konntest. Man braucht auch manchmal keinen. Besonders wenn man schon jahrelang - Gott sei's geklagt! - das Amt von Vater und Mutter versehen musste, weiß man all. mählich, was man will.

Aber immer, in jeder Lebenslage, kann man Güte und Anteilnahme brauchen - einen Menschen, der gerne alles wissen will, was uns angeht, nicht aus Herrschsucht oder Neugier, sondern um mit uns zu fühlen und zu erleben - der uns sein Urteil als unbeeinflusster Dritter ungeschminkt, aber in Liebe sagt.
Noch heute muss ich bei allen entscheidenden Ereignissen in meinem und der Kinder Fortkommen, bei jeder spärlichen Nachricht aus der Heimat, bei jedem Auftauchen eines tot geglaubten Menschen, bei jeder Freude - denken: „Das muss ich Mutter nächstes Mal erzählen! Das muss ich Mutter morgen schreiben!"

Viele können das noch. Ich nicht mehr. In Deinem Lieblingspsalm, liebe Mutter, steht am Anfang „Herrgott Du bist unsere Zuflucht für und für" und später: „Der Du die Menschen lassest sterben, und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!" So bist Du nun „wiedergekommen" in die Ewigkeit, aus der wir alle stammen, und in der Du glaubtest und erwartetest, einmal all" Deine Lieben wiederzufinden. -
All Ihr anderen lieben Mütter und Großmütter aber, die gerettet wurden aus dem Zusammenbruch, in dem so viele Jüngere sterben mussten - die Ihr glaubt, Ihr hättet hier keine Aufgabe mehr, weil Ihr zur Arbeit nicht mehr taugt soll ich Euch heute sagen, wozu den abgehetzten Angehörigen oft Gedanke, Worte und Feder fehlen: Wie unentbehrlich Ihr seid?

Nicht, Was wir tun, kann immer und überall unseren Wert ausmachen, sondern was wir denken - und sind. Ihr braucht nur da zu sein, und Euch zu freuen, wenn wir kommen. Ihr braucht nur miterleben zu wollen, was uns persönlich und beruflich angeht. Ihr braucht nur mit ganzem Herzen zu antworten, wenn wir sagen: (oh, welches Geschenk ist es, das sagen zu dürfen!) „Liebe Mutter hör doch nur - ! denke Dir!"

Seite 9 Des Heimvertriebenen Allerseelen-Tag. Von Dr. Graf Brünneck

Ich stand allein am Tage Allerseelen
Auf einem Friedhof, er war reich geschmückt.
Die Gräber derer, die wir Gott befehlen,
Sie ruhten still, soweit das Auge blickt,
Ganz überdeckt mit Chrysanthemenblüten,
Die das Erinnern an die Toten hüten.

Die Toten? Sind sie denn nicht weit lebend'ger,
Als wir die trauernd an den Hügeln steh'n?
Ist nicht ihr leuchtend' Sein ungleich bestand’ger
Als uns'res, die wir noch im Dunkel geh n?
Drum denk ich oft, wenn Menschen von uns scheiden,
Man sollte, statt zu trauern, sie beneiden.

Und also denkend wandte ich die Schritte
Zum Ausgang aus dem Blütenmeer zurück,
Da fiel - wohl in der Gräberreihen Mitte -
Auf ein verfall'nes kleines Grab mein Blick,
Das jedes zarten Blütenschmuck's entbehrte
Und das - mich fesselnd - mir den Ausgang wehrte.

Nun hört' ich unter den entlaubten Rüstern,
Die um dies Grab, wie treue Wächter steh'n,
Geheimnisvoll ein Raunen und ein Flüstern:
„Recht tust du dran, das irdische Vergeh'n
Zu schau'n im Licht von Ewigkeitsgedanken,
Der Tod zerbricht ja nur der Erde Schranken;

Doch führt er uns zurück in Gottes Nähe,
Aus der wir schieden, als verhängnisvoll -
Uns stürzend aus des Paradieses Höhe -
Der Selbstsucht böser Trieb im Menschen schwoll,
Der ihn verführte zu dem sünd'gen Streben,

Gott gleich zu sein. Da wich dem Tod das Leben!
Durch die Erlösungstat, die Er vollbracht,
Durch die Erlsungstat, die Er vollbracht,
Nun strahlen wieder Gottes Gnadensonnen,
Auch in das Dunkel uns'rer Erdennacht,
Ergreifen wir nur Seine Liebeshände,
Dann wird der Tod ein Anfang, nicht ein Ende.

Wohl ist es schön, wenn Menschen Gräber zieren
Zum Zeichen, dass man uns'rer noch gedenkt,
Doch kann ich nicht in Trauer mich verlieren,
Dass meinem Grab kein Blümlein heut' geschenkt,
Und neidlos kann ich auf die an'dren blicken,
Die nun so viele Blütenkränze schmücken.

Ist's nicht auch oft, dass mit solch' äußrem Zeichen
Es Menschen heute zu den Toten trieb,
Um jener Liebe Mangel auszugleichen,
Die er den Lebenden einst schuldig blieb?

Mit ird'schem Maße kann man nimmer messen
Ob Menschen treu sind - ob sie uns vergessen.

Der Liebe aber, die bereits am Werke,
Eh' sie die Welt erschuf, und die man preist
Als die, die ihre nie ermess'ne Stärke,
Vergebend selbst dem Sünder noch, erweist,
Ihr kannst du ohne Wanken glaubend trauen,
Du wirst sie einst in vollem Glänze schauen." –

Dem, was dies stille Grab zu mir gesprochen,
Ihm dacht' ich sinnend nach im Abendschein.
Da wurde da, was mir die Welt zerbrochen.
Ob's mich auch noch so schmerzt, gering und klein,
Und, schließend hinter mir die Friedhofspforte,
Ging ich davon - und denke jener Worte!

Seite 11 Familienanzeigen

Sprüche 16, 9: Die Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, aber der Herr allein gibt, das er fortgehe.
Offenb. 2, 10: Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.
Nach Gottes unerforschlichem Ratschluss verschied heute in Goslar infolge eines Verkehrsunfalls, der Vorsteher unseres Hauses, Pfarrer Friedrich Stachowitz, im 63. Lebensjahr.
Ein reich gesegnetes Leben hat mit dem tragischen Heimgang des Entschlafenen einen jähen Abschluss gefunden. Tief ergriffen stehen Vorstand und Schwesternschaft der „Barmherzigkeit“ mit Frau und Kindern des so früh Vollendeten an der Bahre ihres verehrten und geliebten Pfarrers.
Mitten aus vollem Wirken ist Pfarrer Stachowitz abberufen worden. Sein Tod ist für uns ein unersetzlicher Verlust. Sein Andenken wird in unferen Herzen immer fortleben. Berlin-Nikolassee, den 24. Oktober 1951, Kirchweg 53. Im Namen des Vorstandes und der Schwesternschaft des Königsberger Diakonissen-Mutterhauses der Barmherzigkeit. Friedrich, Vorsitzender

Weinet nicht an meinem Grabe, stört mich nicht in meiner Ruh, denkt, was ich gelitten habe, eh’ ich ging zur ewigen Ruh. Heute erlöste Gott sanft, nach langem, mit großer Geduld ertragenem Leiden, meine liebe Frau, meine gute Mutti und Schwiegermutter, unser allerbestes Omilein, meine einzige Schwester, Schwägerin und Tante, Käte John geb. Broebe, im 58. Lebensjahre. In tiefstem Schmerz: Hans John. Otto Freise und Frau Christel geb. John. Kristiane und Hans-Dieter. Willi Broede und Familie.
Göttingen, den 20. September 1951. Groner Straße 15. Früher: Königsberg/Pr.

Fern der Heimat verschied am 08.07.1951 nach schwerem Leiden mein lieber Mann und treusorgender, selbstloser Pappa, Franz Fleischmann, im Alter von 52 Jahren. Wir haben ihn am 12.07.1951 auf dem hiesigen Friedhof zur letzten Ruhe gebettet. Erna Fleischmann geb. Werner. Karin Fleischmann. Göttingen, Lotzestraße 35. Früher: Kriminalpolizei Braunsberg/Ostpreußen

Mein herzensguter, lieber Mann, mein fürsorglicher Sohn, unser lieber Bruder, Schwager und Onkel
Rektor, Dr. Paul Glaß, ist im Alter von 52 Jahren für immer von uns gegangen. In tiefer Trauer: Frieda Glaß, geb. Olschewski, im Namen aller Angehörigen. Gronau (Hann.), den 28. September 1951 z. Zt. Wursterheide über Bremerhaven, Krankenanstalten

Nachruf zum Totensonntag! In Liebe und Dankbarkeit gedenke ich meiner Schwester, Frau Hedwig Schruba, geb. Behring, 43 Jahre, und ihres Mannes, Lehrer Albert Schruba, 49 Jahre, letzter Wohnort Neuwiese bei Liebenfelde, Kreis Labiau, verschleppt nach Sibirien, verstorben beide im Juli 1945. Ferner gedenke ich meines Bruders, Revierförster Ewald Behring, 50 Jahre, letzter Wohnort Revierförsterei Post, Kurisches Haff, Kreis Königsberg., verschleppt März 1945 nach Graudenz, verstorben September 1945. Oberförster Hellmuth Behring, Braunschweig, Lönsstraße 1

Am 9. Oktober 1951 hat unser lieber Turnbruder, Fritz Nath, nach langem, schwerem Leiden in Oldenburg (Oldbg.), fern seiner geliebten Heimat für immer die Augen geschlossen. Als langjähriger Vorsitzender des Turn- und Sportvereins Nikolaiken und Gauvertreter des ostpreußischen Mittelgaus der Deutschen Turnerschaft hat er sich um die Förderung des Turnens und die Pflege Jahnschen Geistes bleibende Verdienste erworben. Vor allem muss seiner engen Verbundenheit mit der Turnerjugend und seiner Bemühungen gedacht werden, dieser Jugend fröhliches Tummeln in freier Natur zu ermöglichen und in ihr ebenso die Freude am Wandern wie an besinnlichen Stunden in den Turnerheimen zu wecken.

Ehre seinem Andenken! Im Namen der Turnerfamilie Ost- und Westpreußen: Wilhelm Älm, Fritz Babbel

Anfang Juni 1945 ist unser lieber, treusorgender Vater, der Kaufmann und Kürschnermeister, Otto Klemenz, im 65. Lebensjahr, in Königsberg/Pr. im Krankenhaus der „Barmherzigkeit" während der Russenbesatzung verstorben. Die Todesnachricht wurde erst nach 3 Jahren übermittelt. Im Namen der trauernden Kinder und Enkelkinder Dr. med. Hermann Klementz, Nervenarzt Bad Wildungen, sowie die Familien: Otto Klementz jun., Hamburg-Altona Lange v. Stocmeier, Hamburg. Quaet-Faslem, Hamburg
Bad Wildungen , den 21. Oktober 1951

Zum Gedenken an unsere Toten! Mathilde Lehmann, geb. Danowski geb. am 07.03.1885, gest. am 07.02.1944 in Landsberg/Ostpreußen. Rentner Jofeph Lehmann, geb. 01.06.869,gest. 19.02.947 In Landsberg/Ostpreußen. In stiller Trauer: Gertrude Lehmann, Geismar-Göttingen, Bruno Lehmann, Immenstedt bei Husum. Hedwig und Otto Arndt, Süderbarup, Frieda und Franz Manke, Hamburg, Margarete u. Paul Henne, Hamburg.

In Königsberg starben meine liebe treusorgende Mutter, die Dompfarrer-Witwe, Frau L. Nietzki, im April 1945 und meine liebe Schwester, Ruth Nietzki, im März 1948 kurz vor ihrem Abtransport ins Reich.
Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben! G. Nietzki, Pfarrer. Oetlingen / Teck, Tobelstraße 6 (früher: Rhein/Ostpreußen)

Seite 12 Schicksal des Königsberger Stadtgeschichtlichen Museums. Von Dr. Gause
Foto: Das kneiphölische Rathaus, in dem das Stadtgeschichtliche Museum untergebracht war. Aufn.: Kühlewindt

Dass unser Ostpreußen ein schönes Land war, hatte sich auch „im Reich“ schon herumgesprochen, und jeder von uns Vertriebenen wird in seinem neuen Wirkungskreis Menschen kennengelernt haben, die Ostpreußen als Soldaten, Reisende oder Wanderer erlebt haben und die Schönheit der Landschaft, die Güte des Bodens oder die Gastlichkeit der Menschen rühmen. Dass aber unsere Heimat nicht nur das Land der Seen und Wälder, der Pferde und der Kartoffeln war, dass es auch Kulturschätze aufzuweisen hatte als Zeugnisse einer langen und reichen Geschichte, das wissen nicht viele in Deutschland und - seien wir ehrlich - auch nicht alle unsere Landsleute. Selbstverständlich konnten sich unsere Museen und Sammlungen an Größe und Wert nicht messen mit dem Kaiser-Friedrich-Museum oder der Dresdener Galerie, aber es gab doch östlich des pergamenischen Altars und der Sixtinischen Madonna noch manches, was zu sehen sich lohnte, eine breite Fülle von Erzeugnissen bodenständiger Kultur, aber auch manches Kunstwerk oder Zeugnis großer Vergangenheit, das weit mehr als provinzielle Bedeutung hatte.

Es ist gut, wenn wir uns heute, sechs Jahre, nachdem wir mit unserer Heimat auch fast alles, was sie an Kulturgütern barg, verloren haben, uns erinnern an das, was wir einst unser nennen konnten, nicht nur weil wir dem Verlorenen nachtrauern, sondern auch weil wir darauf hinweisen können, dass unsere Heimat auch an Kultur hinter anderen deutschen Landschaften nicht zurückstand.

Es wird vielen Ostpreußen bekannt sein, dass das Stadtgeschichtliche Museum das ganze ehemalige kneiphöfsche Rathaus in der Brodbänkenstraße füllte. Das Gebäude, das in einzelnen Teilen bis ins
14. Jahrhundert zurückreichte, bestand ursprünglich aus mehreren Häusern, die am Ende des
17. Jahrhunderts durch eine Fassade im Stile holländischer Renaissance zu einem Baukörper verbunden worden waren. So wie die Kaufmannstadt Kneiphof die reichste der drei Städte Königsberg war, so war dieses Rathaus auch prächtiger und geräumiger als die der Altstadt und des Löbenicht und wurde deshalb nach der Vereinigung der drei Städte 1724 das Rathaus der gesamten Stadt. Diesem Zweck diente es bis zur Erbauung des Stadthauses am Hansaring.

Als die städtischen Dienststellen mit ihren Akten auszogen, fasste der Oberbürgermeister Lohmeyer 1928 den Entschluss, ein stadtgeschichtliches Museum zu gründen und in dem leer gewordenen Rathause unterzubringen. Er betraute mit dieser Aufgabe den rührigen und umsichtigen Kunstmaler Eduard Anderson, dessen Sammeleifer und Spürsinn es gelang, in kurzer Zeit aus Leihgaben der Staatsbibliothek, der Kunstsammlungen und vieler anderer Stellen sowie durch glückliche Ankäufe ein Museum von erstaunlicher Reichhaltigkeit aufzubauen. Er hat es zehn Jahre lang geleitet und ist leider schon 1947 in Stade, fern der Heimat, gestorben.

Die schönsten und größten Räume des ehemaligen Rathauses blieben von Museumsgut frei. Sie dienten weiterhin für Empfänge und sonstige Repräsentation der Stadtverwaltung, da es in dem nüchternen Zweckbau des neuen Stadthauses an geeigneten Räumen dafür fehlte. Es waren der alte

Magistratssitzungssaal mit einer prächtigen Stuckdecke, die zu den schönsten ihrer Art in Deutschland gehörte, geschaffen von einem unbekannten Meister zu derselben Zeit, in der die Renaissancefassade des Rathauses errichtet wurde, das gegenüber gelegene Oberbürgermeisterzimmer, in das eine reich geschnitzte Holzdecke aus dem Patrizierhause „Goldene Axt“ eingebaut wurde, und der Junkerhofsaal, der einst der Festsaal der Königsberger Kaufmannschaft und dann der Sitzungssaal der Stadtverordneten gewesen war. In ihm wurde Agnes Miegel der Ehrenbürgerbrief überreicht. Diese Säle mit ihrem reichen Schmuck waren an sich sehenswert genug.

Die übrigen Räume – es waren über zwanzig in drei Stockwerken – waren gefüllt mit Zeugnissen der Geschichte Königsbergs, Bildern, Büchern, Modellen, Kunstwerken und mannigfachen Andenken an die Vergangenheit. Es soll hier kein Museumskatalog geschrieben werden. Aus der Fülle des Kulturgutes seien nur einige Dinge herausgegriffen. Da gab es Bernsteinarbeiten mit Bodenfunde aus vorgeschichtlicher Zeit wie die Ergebnisse der Ausgrabungen bei denen Professor Lahrs 1927/1928 im Schlosshof nach der ersten Anlage der Ordensburg forschte, Münzen und Medaillen von der Ordenszeit bis zur Gegenwart, Innungstruhen und Handwerksschilder, alte Haus- und Küchengeräte, kunstvolle Gegenstände aus Porzellan und Glas mit Wappen und Ansichten aus Königsberg, Bilder und Stadtpläne, Kupferstiche, und seltene Drucke, Geräte der Schützengilde, Büsten und Portraits berühmter Königsberger, die Totenmaske Sudermanns, Erinnerungen aus der Geschichte der Universität, ihrer Professoren und ihrer Studentenschaft, Schiffsmodelle und Gegenstände aus der Welt des Handels und der Kaufmannschaft und auch Zeugnisse aus der Kriegsgeschichte vom Wikingerschwert das bei Baggerarbeiten im Pregel gefunden war, über die Fahne des National-Kavallerie-Regiments von 1813 bis zum Modell und der Flagge des ersten Kreuzers Königsberg, dem Eisernen Wehrmann aus dem ersten Weltkrieg und dem Ehrenbürgerbrief Hindenburgs. Erwähnt sei noch ein großes Modell der Stadt nach dem Behringschen Plan von 1612, das erst 1939 aufgestellt wurde und deshalb noch nicht so bekannt war, wie es verdient hätte.

Im oberen Stockwerk war Raum für wechselnde Ausstellungen, von denen auch der Königsberger Rundfunk – Waldemar Kukkuck war der Sprecher – in der Sendung „Zeitgeschehen“ berichtete. Das Museum nahm aber gern auch fremde Ausstellungen bei sich auf, etwa solche der Briefmarkenfreunde oder die große Berliner Wanderausstellung „Aus dem Schaffen der preußischen Landbaumeister“. Die letzte Ausstellung „Königsberg im Weltkriege“ vom August 1914 erhielt durch den Ausbruch des zweiten Weltkrieges eine erschreckende Gegenwartsbedeutung.

Alle diese Dinge waren aber nur von stadtgeschichtlicher oder provinzieller Bedeutung. Das Museum barg jedoch noch einen Schatz, der es weit über seine eigentliche Bestimmung hinaushob und bekannt machte. Das waren die Andenken an Kant, den größten Sohn der Stadt, die im Erdgeschoss als besonderes Kantmuseum aufgestellt waren. Das Schicksal ist dem Andenken Kants, soweit es am Gegenständlichen haftet, nicht gnädig gewesen. Kant war Junggeselle und pflegte mit seinen Verwandten wenig Umgang. Sein Nachlass wurde in alle Winde zerstreut, sein Haus durch Umbauten verändert und schließlich abgebrochen. Immerhin ist einiges durch allerlei Zufälle erhalten geblieben. Der Schreibtisch, an dem er seine Werke schuf, sein Hut, sein Stock und einige andere Dinge des täglichen Gebrauchs waren im Museum zu sehen. Den Hauptbestandteil des Kantmuseums bildeten die mit großer Sorgfalt gesammelten Büsten und Bilder von Kant und seinen Freunden, Bilder von Kantstätten, Handschriften und Erstdrucke sowie Kantlehrungen von einer auf Seide gedruckten Huldigungsadresse livländischer Studenten bis zur Plakette, die die Stadt Königsberg hervorragenden Gästen verlieh. Auch die in vielen Büchern abgebildeten Porträts von Hamann und Hippel sowie das bekannte Bild von Dörstling „Kants Tafelrunde" hingen im Original im Museum.

Da unser großer Mitbürger auch im fernen Osten sehr verehrt und Buddha und Konfuzius an die Seite gestellt wurde, pflegten Chinesen, Japaner und Inder, wenn sie nach Ostpreußen kamen, auch das Kantmuseum zu besuchen. Sie haben die Bilder und Gegenstände, die von dem Leben und Wirken des großen Philosophen zeugten, vielleicht mit mehr Ehrfurcht betrachtet, als viele Deutsche es taten. Das beweisen manche Briefe, die mit Anfragen und Dankesbezeugungen aus Ostasien in Königsberg eintrafen.

Das alles ist gewesen und lebt nur noch in der Erinnerung weiter. Die Bestände des Museums waren im Kriege in der Hauptsache nach den Gasthäusern der Dörfer Karwinden und Lomp ausgelagert, die wertvollsten Dinge in Bunkern unter dem Museum und in der Kopernikusstraße untergebracht worden. Aus Ostpreußen ist nichts herausgekommen. Von dem Schicksal der ausgelagerten Bestände ist nichts bekannt. Sie sind wahrscheinlich verbrannt oder durch Plünderung vernichtet worden. Von den Bunkern gibt eine Angestellte des Museums, die erst 1948 aus Königsberg herausgekommen ist, folgende
Schilderung:

„Wegen der großen Unsicherheit wagten wir erstmalig im August 1945, in die zerstörte Stadt zu gehen. Der Bunker im kneiphöfschen Rathaus hat auch der letzten Etappe der Vernichtung standgehalten. Selbstverständlich war der Inhalt durchwühlt und dabei zum größten Teil vernichtet. Der Kantbüste von Hagemann war der Kopf abgeschlagen, er lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Das Schicksal wollte es, dass ich mit einem gut deutsch sprechenden Russen bekannt wurde, der in Deutschland studiert hatte. Mit ihm unternahm ich es, den Bunker in der Kopernikusstraße, in dem die Kant-Andenken untergebracht waren, aufzusuchen, leider mit wenig Erfolg. Denn dort, es war inzwischen März 1946 geworden, war kaum noch etwas zu finden. Der Bunker selbst stand, innen jedoch, war nur Zerstörung, und die Orientierung mit einer Kerze schlecht. Dass ich mich an der richtigen Stelle befand, konnte ich aber daran feststellen, dass dort noch ein paar Stammbücher der Stadtbibliothek aus dem
17. Jahrhundert herumlagen. Außerdem fand ich ein Stück der großen Vase aus dem Kant-museum - sonst weiter nichts. Bei meinem Abschiedsgang durch die Stadt im März 1948 stellte ich fest, dass das Kantgrabmal völlig unversehrt geblieben war. Der Mittelteil des kneiphöfischen Rathauses war eingestürzt und hat alle im Bunker verbliebenen Reste unter sich begraben.
So traurig das alles ist, so ist es doch in gewisser Weise konsequent. Den neuen Herren des Landes hatten die Zeugnisse einer deutschen und europäischen Tradition eben nichts zu sagen. Ihnen war tot und fremd, was uns lebendig und fruchtbar gewesen war.

Seite 12 Unser Treuburg. Von Oskar Körner

Von Markgraf Albrecht von Brandenburg gegründet, führte die Stadt erst den Namen Marggrabowa. Als am 11.07.1920 die Bevölkerung auch dieser Stadt und ihres Kreises zur Abstimmung aufgerufen wurde, stimmten 28 625 Bürger für Deutschland und nur zwei für Polen. In der Stadt selbst gab es nicht eine einzige Stimme für Polen. Nach diesem einmütigen Treuebekenntnis zur deutschen Heimat wurde die Stadt in Treuburg umbenannt.

Man könnte diese schöne masurische Stadt als ein Veilchen, das im Verborgenen blüht, bezeichnen, denn sie hatte Sehenswürdigkeiten aufzuweisen, die größere Städte nicht haben. Da ist zunächst einmal der 28 Morgen große Marktplatz, der der größte Deutschlands ist. Weiter ist zu nennen der Hindenburg-Park mit der herrlichen Sportplatzanlage und dem auf der Höhe gelegenen Kreiskriegerdenkmal, das nach dem Reichsehrenmal Tannenberg der größte Natursteinbau dieser Art in Ostdeutschland war. Sein Vorplatz war oft die Stätte für Gedenkfeiern und Kundgebungen, an denen bis zu 4000 Personen teilnahmen.

In guter Erinnerung sind vielen Ostpreußen auch noch die Freilichtaufführungen, zu denen das markante Denkmal die würdige Kulisse gab. Besonders gut hat die Aufführung von Schillers „Wilhelm Tell“ gefallen. Der Entwurf des Denkmals stammte von Reg.-Baumeister Dr. Schneck. Auf dem am Fuße des Denkmals gelegenen Sportplatz fanden häufig sportliche Wettkämpfe internationaler Prägung statt Auf der die Rasenfläche einfassenden Pferderennbahn – genannt Wachsmann-Ring - konnte man bei gut besuchten Turnieren unsere edlen Trakehner bewundern. Im Zusammenhang mit diesen Anlagen dürfen nicht vergessen werden die vorbildlichen Schießstände, die beispielhaften Tennisplätze und die schöne Badeanstalt.

Wir Treuburger durften mit vollem Recht stolz sein, wenn wir diese schönen Sehenswürdigkeiten unserer Stadt Gästen aus dem übrigen Ostpreußen oder aus anderen Teilen Deutschlands zeigen konnten. Immer wurde dabei der Name dessen genannt, dem wir das Aufblühen unserer Stadt zu verdanken haben: Es war der hochherzige Landrat Dr. Jur. Bruno Wachsmann.