Folge 48 vom 27.11.1954
Seite 5 Advent 1954/Von Erminia von Olfers-Batocki
Nun zündet die Lichter der Weihnacht an
Zu festlich adventlichen Kränzen
Holt winterlich Grünes vom dunkelen Tann,
Lasst drinnen die Kerzen erklänzen.
So war es daheim in Hütte und Haus
In den alten, vertrauten Räumen.
Doch all diese Lichter, sie gingen uns aus,
Wir können davon nur träumen.
Vertriebene gingen wir Schritt für Schritt
Durch den Schnee und im Straßenstaube;
Wohin es auch sei, zog mit uns mit
Der kindliche Weihnachtsglaube.
Und Christnacht wird’s von Jahr zu Jahr
Und wird es allerorten
Und bleibt es jetzt und immerdar
Mit den alten, heiligen Worten:
„Ehre – Ehre sei Gott in der Höh
Und Friede den Menschen allen,
Friede auf Erden in Fern und Näh
Und den Menschen ein Wohlgefallen.“
Auch unsere Heimat – ein Stück der Welt –
Ruht geduldig in Gottes Händen.
Doch wenn es dem großen Herrgot gefällt,
Dann kann sich alles wenden!
Heut strahlen die Herzen viel Wärme zurück,
Ein Silberband zieht in die Ferne,
Als leuchtete auf unser tränender Blick:
Seht, die Heimat hat noch ihre Sterne!
Drum zündet der Heimat die Lichter an
Dass ein jedes Herz sich erfreue.
Wer nicht sein Stück Erde vergessen kann,
Dem hält auch die Heimat die Treue!
Seite 5 Dr. Bruno Schumacher (mit Foto)
Zu seinem 75. Geburtstage. Der Senior der ostpreußischen Historiker, Prof. Dr. Schumacher, wird am 2. Dezember 1954, 75 Jahre alt (mit Foto), und seine vielen Freunde und Schüler nehmen gern die Gelegenheit wahr und haben allen Anlasse, an diesem Tage ihm zu danken für das, was er ihnen gegeben hat, und zu wünschen, dass sein Wissen und sein Rat uns noch recht lange erhalten bleiben möge.
Von ostpreußischen Eltern in Straßburg im Elsaß geboren, besuchte Schumacher das Königsberger Friedrichskollegium, die Schule, der ein großer Teil seiner Arbeit und Liebe gegolten hat und heute noch gilt. Er studierte Theologie und Geschichte an der Albertina, wo er im Kreise einer wissenschaftlichen Studentenverbindung gleichstrebenden Freunde fand, und kehrte nach dem Staatsexamen (1902) als Lehrer an die Schule zurück, die er als Schüler verlassen hatte. An ihr wirkte er, nur von der Teilnahme am Ersten Weltkriege unterbrochen, bis 1922. Ungern verließ er Königsberg, um Direktor des Gymnasiums in Marienwerder zu werden, doch gewann er auch dieser Zeit reichen Ertrag ab durch das Studium der friderizianischen Epoche und der politischen Gegenwartsprobleme, die sich gerade in dieser nahe der neuen polnischen Grenze gelegenen Stadt aufdrängten. So ließ er auch in Marienwerder viele Freunde zurück, als er 1934 Leider „seiner“ Schule, des Friedrichskollegs wurde, und damit die Stellung erreichte, die ihm gebührte und die er bis zum Untergang Königsbergs in einer Weise ausgefüllt hat, die den besten Traditionen dieser Schule entsprach.
Die meisten ihrer Direktoren waren nicht nur Pädagogen, sondern auch Gelehrte gewesen. Beides war auch Schumacher, ein Lehrer, der durch die Kraft seiner Persönlichkeit und seines Wortes seine Schüler zur Wissenschaft führte, und ein Gelehrter, der auf der Grundlage einer umfassenden Bildung im Geiste der humanistischen Tradition der preußischen Gymnasien ein selbstgewähltes Feld der wissenschaftlichen Forschung mt reichem Gewinn beackerte. Dieses Feld war die preußische, besonders die altpreußische Geschichte. Von seiner Dissertation über die niederländischen Niederlassungen im Herzogtum Preußen zur Zeit Herzog Albrechts (1903) an bis heute, also in mehr als einem halben Jahrhundert wissenschaftlicher Arbeit hat er in zahlreichen Beiträgen und Aufsätzen die Kenntnis der Vergangenheit unserer Heimat, besonders die des Deutschen Ritterordens, vertieft und bereichert. Seine Schriften können hier nicht aufgezählt werden. Der Kenner weiß sie zu finden und ihren Wert zu schätzen.
Einen Höhepunkt dieser Arbeit bedeutete die Festrede bei der 700-Jahr-Feier Ostpreußens im großen Remter der Marienburg am 14. Juni 1931, bei der Schumacher als Sprecher aller Ostpreußen vor dem greisen Reichspräsidenten von Hindenburg und einer erlesenen Versammlung einen geistvollen Überblick über die Geschichte des Preußenlandes im Rahmen der deutschen und europäischen Geschichte gab. 1937 erschien dann als reife Frucht seiner vielseitigen Studien die große Geschichte von Ost- und Westpreußen, die für jeden, der unsere Heimat liebt und ihre Vergangenheit können lernen will, unentbehrlich ist. Jetzt machte sich auch die Universität sein Wissen und seine große Arbeitskraft zunutze, indem sie ihn zum Honorarprofessor für Landesgeschichte ernannte. Auch dieses Amt in seiner glücklichen Verbindung von Wissenschaft und Unterricht hat Schumacher mit der Kraft seiner Persönlichkeit erfüllt und fruchtbar gemacht.
Der Verlust der Heimat erschütterte den 65jährigen, nahm ihm aber nicht den Mut zur weiteren Arbeit. In Hamburg, wo er heute wohnt, wirkte er eine Zeitlang am Johanneum und bis zum vergengenen Jahre an der Universität. Seine Liebe und seine wissenschaftliche Arbeit gehören weiterhin seiner alten Schule und unserer Heimat. Als natürliches Oberhaupt aller ehemaligen Friderizianer, die er zu einer festen Gemeinschaft zusammengeschlossen hat, schrieb er zur 250-Jahr-Feier der Schule, die 1948 in Hamburg stattfand, eine kurze Geschichte des Friedrichskollegs. Die Erinnerung an die Heimat hielt er auch aufrecht durch zahlreiche Vorträge und durch Aufsätze im „Ostpreußenblatt“, die er in einem volkstümlichen Buche „Aus der Geschichte Ostpreußens“ zusammenfasste.
Sein größtes Werk hat er soeben vollendet, eine Neubearbeitung seiner Geschichte von Ost- und Westpreußen. Wir hoffen, dass es bald zum Druck kommen wird. Dass es die Beachtung finden wird, die es verdient, dessen sind wir sicher. Wir wissen aber auch, dass dieses wohl die Krönung, aber nicht den Abschluss seiner Lebensarbeit bedeuten wird, denn die Wissenschaft hört niemals auf. So wünschen seine dankbaren Freunde und Schüler dem Jubilar noch ein langes otium cum dignitate.
Seite 6 Aus Festungsgelände – Grünanlagen
Zum 80. Geburtstag von Gartenbaudirektor Ernst Schneider (mit Fotos)
Am 3. Dezember 1954 wird Gartenbaudirektor Ernst Schneider 80 Jahre alt. Alle Königsberger kennen seine Grünanlagen, aber die wenigsten wissen, dass unsere Heimatstadt auf diesem Gebiet eine Musterstadt war. Was die Menge der Grünanlagen je Kopf der Bevölkerung anbelangt, wurde sie nämlich nur von Köln übertroffen. Was heute von den großen Städten angestrebt wird, besaß Königsberg schon lange!
Weist man Gartenbaudirektor Schneider darauf hin, wie groß seine Verdienste darum gewesen sind, dass Königsberg zu einer „Stadt im Grünen“ wurde, so meint er, das habe sich so ergeben. Die großzügige Durchdringung des Stadtbildes mit Grün bis weit in das Samland hinein sei nicht zuletzt der weitschauenden Planung der Stadtväter und der vorbildlichen Zusammenarbeit der Dienststellen zu danken gewesen und freilich auch der Tatsache, dass Königsberg ihm selbst eine große städtebauliche Aufgabe bot. Die Stadt habe eine glänzende Grundstückspolitik getrieben. Und 1919, als er sein Amt antrat, hätten in reichem Maße Mittel der produktiven Erwerbslosenfürsorge zur Verfügung gestanden, um ohne große Sonderkosten die gerade aufgelassenen alten Befestigungen umzuwandeln.
Gartenbaudirektor Schneider war Leiter des Garten-, Kleingarten-, Friedhofs- und Landschaftsamtes. Wie begeistert und energisch er sich an seine Arbeit machte, wie behutsam er Tradition und Natur zu etwas völlig Neuem zu verbinden verstand, dafür sind eben die Wallanlagen ein schönes Beispiel. Er ließ nämlich nicht etwa die Wälle abtragen und die Gräben ausfüllen, sondern benutzte sie als architektonisches Ausdrucksmittel. So entstanden besonders zwischen Roßgärten und Königstor abwechslungsreiche Spazierwege. In Ostpreußen nahm er sich der Kriegerfriedhöfe an, als Landschaftspfleger beriet er Oberpräsidium und Regierung, die Wasserbaudirektion und den Samländischen Küstenschutz und viele Städte. Seine Erfahrungen vermittelte er dem Nachwuchs als Dozent der Architekturklasse der Kunsthochschule.
Neun Millionen Quadratmeter Grünfläche.
Das Vierteljahrhundert, das Ernst Schneider in Königsberg wirkte, ist gleichbedeutend mit dem Ausbau des gesamten Grünflächenwesens der Pregelstadt. Von seinem Vorgänger übernahm er einschließlich der Stadtgärtnerei nur drei kleine Anlagen mit insgesamt 51 269 Quadratmeter Fläche. An Stelle von einzelnen verstreuten Plätzen schuf er ein ganzes zusammenhängendes Grünflächensystem. Königsberg besaß schließlich sieben Millionen Quadratmeter Grünfläche, mit den Kleingärten sogar weit über neun Millionen Quadratmeter – und dabei keinen Wald!
Alle wertvollen Flächen, die sich boten, wurden der Bevölkerung „gerettet“, so dass die grünen Lungen in die Bebauung übergriffen und sie ins bester Gleichgewicht brachten, und dabei wirkten sie natürlich und ohne Pathos.
Wo konnte man wohl sonst solch weite Wanderungen machen – quer durch eine Großstadt – wie vom Münzplatz bis zum Max Aschmannpark? Oder in sechs Kilometer langem Bogen um den Stadtkern? Oder vom Nordbahnhof zum Landgraben und bis nach Wargen? Wo konnte man um weite Wasserflächen herumspazieren – wie um Schloß- und Oberteich? Wo durfte man sich auf Rasenflächen tummeln und aalen, ohne von einem Parkwächter weggejagt zu werden? Die meisten Rasenflächen waren freigegeben! Wo wurde gar Trampelpfade, die man verbotenerweise querfeldein getreten hatte, als Richtlinien für befestigte Wege genommen, wie das mehr als einmal geschah?
Die Erholung der Einwohner wurde „groß geschrieben“. Es gab Sport- und Spielplätze, ein Schwimmstadion, Badeanstalten, Planschbecken, Radfahr- und Reitwege, Sprunggärten, Skisprungschanzen und Rodelbahnen und eine Freilichtbühne. Über dem Großen wurde das Kleine nicht vergessen; Rosen-, Stauden- und Steingärten, ungestörte Liegeplätze für die Jüngsten und Ältesten, geschützte Heckennischen mit Tischen und Bänken für die Skatbrüder. Kleingärten wurden in „Kinderwagenentfernung“ so angelegt, dass sie vor späterer Bebauung sicher waren. Die Stadtgärtnerei wurde ständig modernisiert und ergänzt zu einer Sehenswürdigkeit mit reichen Pflanzenschätzen.
Liebe zur Pflanze
Als Leiter der Gruppe „Preußen“ der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst stand Ernst Schneider stets in reger Verbindung mit anderen kulturellen Vereinigungen – dem Bund Deutscher Architekten, dem Kunstgewerbeverein, den Gartenausführenden und dem Stadtgeschichtlichen Museum, was anderswo durchaus nicht immer üblich ist.
Ernst Schneider ist in Würzburg geboren, er verbrachte seine Lehrzeit dort am Botanischen Institut der Universität. Nach bestandenem Examen an der Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Proskau war er in Berlin, Würzburg, Köln, Neuß, Bochum und Remscheid tätig. 1904 machte dr das Staatsexamen als Diplom-Gartenbauinspektor mit „Sehr gut“. Danach war er Städtischer Gartenbaudirktor in Görlitz und Posen. Den Ersten Weltkrig erlebte er an der Front in Russland.
Es ist bestimmt kein Zufall gewesen, dass es ihn, den gebürtigen Franken, nach dem Osten zog. Ihn reizten die Weite und die Vielgestaltigkeit der Landschaft. Seine Vertrautheit mit den klimatischen Möglichkeiten und sein Einfühlungsvermögen gaben ihm auch das „Material“ in die Hand, so dass seine Pflanzungen ungewollt und bodenständig wirkten. Er bediente sich bewusst der in Ostpreußen heimischen Gewächse.
Da er bis zur Vertreibung im Amt geblieben war, hat er die Vernichtung seines Lebenswerkes mit ansehen müssen. Eine umfangreiche Korrespondenz verbindet ihn heute mit Angestellten und Arbeitern des Gartenamtes. Ausgewanderte bekunden ihm ihre Verehrung. Er lebt jetzt mit seiner Frau in Gmünd in der Eifel, Urftseestraße, und zehrt an der Erinnerung an die „unvergleichbar erhebende und arbeitsfröhliche Zeit“ in Königsberg. In bescheidenen Grenzen ist er seinem Beruf und der Liebe zur Pflanze treu geblieben – Eifelvereine und einige Städte außerhalb seines stillen Ruhesitzes ziehen ihn zu neuen Planungen heran. Die stille Heiterkeit seines Wesens überdeckt nur die tiefe Trauer um sein geliebtes Ostpreußen, wo er seine „Heimat und seine treuesten Freunde fand“.