Adomeits kommen aus dem Baltikum
Zwei Sprachwissenschaftler erkl�ren die Herkunft der Familiennamen von
Vertriebenen und Fl�chtlingen
Von Thomas Parr
BRAUNSCHWEIG. "Ein Leben dauert eine Generation, ein Name dauert fort".
F�r viele der nach 1950 Geborenen ist diese japanische Weisheit eng mit
der Familiengeschichte verkn�pft.
Ihr Familienname birgt eine Geschichte, die Gro�eltern und vielleicht
auch Eltern nicht mehr erz�hlen k�nnen � die Geschichte von einem Leben
in einem Kulturkreis fern von Deutschland, das aufgegeben werden musste,
um zu �berleben.
Zu Familiennamen der Vertriebenen und Gefl�chteten befragten wir den
Namenforscher Professor J�rgen Udolph von der Universit�t Leipzig,
seines Zeichens Autor des Werkes "Professor Udolphs Buch der Namen.
Woher sie kommen. Was sie bedeuten", sowie die Sprachwissenschaftlerin
Dr. Rita Heuser (Universit�t Mainz), die am Projekt "Deutscher
Familiennamen-Atlas" mitgearbeitet hat.
Hat es eine Zunahme osteurop�ischer Namen in Deutschland nach 1945
gegeben?
J�rgen Udolph: Ja, selbstverst�ndlich. Man sch�tzt, dass mehr als 15
Millionen Menschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, aber auch
weit dar�ber hinaus, so etwa aus Polen, dem Baltikum, aus Wei�russland
und Russland, der Ukraine, aus dem Kaukasusgebiet und vom Balkan nach
Deutschland gekommen sind.
Man kann an der unterschiedlichen Streuung erkennen, ob ein Familienname
in Deutschland heimisch gewesen ist oder durch Zuwanderung gekommen ist.
Rita Heuser: Ohne Nachforschung l�sst sich heute aber nicht ohne
weiteres sagen, ob eine Familie zu den vertriebenen oder gefl�chteten
Familien geh�rte. Der Name Fleischer zum Beispiel kann im Mittelalter
mit in den Osten genommen worden oder dort entstanden sein, und 1944/45
ist er wieder zur�ckgekehrt.
Gibt es Regionen in Deutschland, in denen sich bestimmte Namen h�ufen?
Udolph: Vertriebene, Fl�chtlinge und Umsiedler haben sich in ganz
Deutschland niedergelassen.
Bei Zuwanderung aus Pommern und Ostpreu�en erfolgte die Einwanderung
�ber den Ostseeraum, so dass sich die Namen in Mecklenburg-Vorpommern,
Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen bis hin zum Ruhrgebiet
finden.
Namen aus B�hmen und dem Sudetengebiet lassen sich noch heute daran
erkennen, dass die Familiennamen wie in einem Kranz rings um B�hmen in
den Bundesl�ndern Sachsen, Th�ringen und Bayern gestreut sind.
Siebenb�rger Sachsen stammten fast immer aus S�ddeutschland. Bei ihrer
R�cksiedlung in die Bundesrepublik zog es sie erneut nach
S�ddeutschland. Nur wenige fanden den Weg in den Norden.
Gibt es oder gab es Fl�chtlings- oder Auswandererwellen, die zu
bestimmten Zeiten bestimmte Namen nach Deutschland brachten?
Udolph: Im Wesentlichen geht es um die Zuwanderung, Vertreibung, Flucht
und Umsiedlung, die mit den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges und den
Nachkriegsjahren zusammenh�ngen. Aber auch schon fr�her, etwa im 19. und
in der ersten H�lfte des 20. Jahrhunderts wanderten Menschen aus
wirtschaftlichen Gr�nden aus Ostpreu�en, Pommern und Schlesien aus.
Heuser: Das erkl�rt den erh�hten Anteil polnischer Familiennamen im
Ruhrgebiet. Diese Familien, meist Bergarbeiter, sind schon seit dem 19.
Jahrhundert dort ans�ssig und waren nicht von Flucht und Vertreibung
betroffen.
Kann man Namen bestimmten osteurop�ischen bzw. baltischen L�ndern
zuordnen?
Udolph: Polnische Namen sind Tirpitz, Stemplinski, Kriewitz, Karkowsky,
Jannowitz, Mikulla, Sawade, Warzecha, Kursawe, Kowalski, Urbanek,
Bialas, Biegalke, Nowak, Malik, Suchan.
Tschechische Namen: Horak, Svoboda, Moravetz, Vavra, Vaclav, Vrabec,
Vocelka, Veverka, ?koda, Vaculka, Chudoba, Hospod.
Baltische (litauische, lettische, altpreu�ische) Namen sind: Adomeit,
Aleit, Aschmoneit, Pareigis, Smeilus, Staginnus, Motikat, Ranglack,
Schwellnus, Lebenath, Ramuschkat, Sunkemat.
Sind im osteurop�ischen Raum deutsche Namen bekannt, die osteurop�ischen
Sprachen angepasst wurden?
Udolph: Die gibt es. Meja ist wohl als polonisierte Form zu Meier zu
deuten. Biedrzych, Bedrzych, Bedrych sind sorabisierte und polonisierte
Formen von Friedrich. Wuttke ist eine Eindeutschung aus polnisch W�dka =
poln. Wodka.
Heuser: Es gibt aber auch die schlichten Anpassungen. Nehmen wir
nochmals die Familie Fleischer oder Schultze. Formen wie Fleischerowitz,
Schultzkowski, Schultzki kommen vor.
Kann man von Namensendungen auf die Herkunft schlie�en?
Heuser: Namen-Endungen mit "-ski" oder "-sky" werden sofort mit
polnischer Herkunft identifiziert. Deutlich ist auch die Endung "-eit"
(Sohn des) wie in "Balzereit" zum Beispiel, Die Endung ist litauisch und
kommt h�ufig in ostpreu�ischen Namen vor.
Balzereit leitet sich von Balthasar ab. Gleiches gilt f�r die Endung
"-at". Endrulat ist der Sohn des Andreas. H�ufig ist auch die Endung
"-ow". Meist sind es slawische Ortsnamen, von denen es viele sowohl in
Mecklenburg-Vorpommern als auch in Polen gibt.
Quelle: Braunschweiger Zeitung (17.08.2006)