Adressbuch Biberach a. d. Riß, Hospital und Armenhaus

Liebe Mitforscher,

Auf diesen 2 Seiten in Biberach ist das Hospital mit Armenhaus und
Bewohnern aufgeführt:

Link in der DigiBib:

rechte Spalte Hausnummer 24/ a u. b

Adreß- und Geschäftshandbuch der Oberamtsstadt und des Bezirks Biberach (1902) - Digibib linke
Spalte oben

Armenhaus ist mir klar.

Aber Hospital, die Bewohner würden im Falle eines Krankenhauses wohl
nicht aufgezählt. Ist das als Altersheim zu verstehen? Es scheinen
ältere Bewohner zu sein, bei den Berufen steht "früher" oder "fr.".

Ist das so?

Viele Grüße

Steffi (Schosser)

Liebe Steffi,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

vielleicht kann ich dazu etwas erklären:

Also, dieser "Neue Spital" (in Biberach hat Spital einen maskulinen
Artikel!), erbaut 1866/67, war der sogen. "Rote Bau" (Backsteinbau) zuerst
nur ein Schwesternhaus. 1877 dann als der "Neue Hospital" (außerhalb der
Stadt) eröffnet und die Pfründner und Kranken vom Alten Hospital, befindlich
mitten in der Stadt, dorthin verlegt. Danach wirds kompliziert. In der Folge
sind alte Nebengebäude abgebrochen worden und neue hinzugekommen. Im
dreistöckigen Hauptgebäude waren Kranke und Hospitaliten getrennt
untergebracht, auch noch nach Geschlechtern getrennt, weshalb
bedauerlicherweise keine Eheleute aufgenommen werden konnten.

Waren die Hospitaliten sowohl Kranke als auch Pfründner, letztere sich dort
einkaufen konnten, und dazu ursprünglich ihr gesamtes Vermögen dem Spital
vermachten, wurden später für diese Altersheimbewohner dann entsprechende
Verträge abgeschlossen. Gleichzeitig wurde dieser gesamte Komplex auch der
Ortsarmenpflege übergeben. Im Jahr 1883 waren dort 29 Pfründner und 13
Kranke untergebracht. Nachdem die Verbindung eines Pfründnerhauses
(Altersheim) mit einem Krankenhaus sehr problematisch war und ständig
Nachteile zutage traten, wurde der Ruf nach einem eigenständigen Krankenhaus
immer lauter, welches dann schließlich 1904-1907 an der Riedlinger Straße
erbaut worden ist. Der Rote Bau wurde dann 1907 zu einem reinen Altersheim,
später Bürgerheim umfunktioniert. Ab 1903 konnten sich dort weniger
bemittelte Biberacher Bürger, "achtbare Männer, Frauen und Jungfrauen" als
Pensionäre einkaufen. Aufgenommen wurden Stiftungsgenussberechtigte auf
Lebenszeit gegen einmalige Bezahlung eines bestimmten Betrages
(Eintrittsmindestalter 55 Jahre gegen 8.000 Mark!). Neben den zahlenden
Pfründner war gleichzeitig auch noch Platz für die Hospitaliten und
versorgungsbedürftige Arme.

Nun aber zum Adressbuch:
Deshalb wird das Gebäude "24 a + b Hospitälisches Eigentum: Neues Hospital
mit Armenhaus unter Verwaltung der Ortsarmenpflege" bezeichnet.

Nach dem Personal werden die Hospitaliten namentlich aufgeführt. Es sind
dies 36 an der Zahl (wenn ich richtig gezählt habe) - Armenhausbewohner nur
noch 5. Ob dies damit zusammenhängt, weil das Armenhaus 1903 in das
ehemalige Kapuzinerkloster verlegt worden ist? Kann sein.

Wenn man sich die Namen der Hospitaliten und vor allem Ihre Berufe oder
ihren Stand genau ansieht, fällt auf, dass diese entweder ledig oder Witwen
waren. Wie immer bei den Witwen damals zum Schmunzeln der Zusatz, dass der
Bezeichnung Witwe der Beruf des verblichenen Ehegatten vorangestellt worden
ist. Also, sie war nicht nur Witwe, sondern Bierbrauers-, Schuldieners- oder
Schäfers Wtw. - sogar "Deserta" also eine Verlassene! Am "Besten" finde ich,
wenn diese Witwe gar nicht mit Ihrem Vornamen, sondern zuerst mit dem Namen
des Mannes genannt und gemeint wird!

Dazu auch noch mal die beiden Links von Steffi:
<https://www.digibib.genealogy.net/viewer/image/167811207D_1902/95/&gt;
<https://www.digibib.genealogy.net/viewer/image/167811207D_1902/96/&gt;

Übrigens das städtische Armenhaus (Siechenhaus) bei der Magdalenenkirche
ist 1887 abgebrannt. Nachfolger desselben wurde dann das Hintergebäude des
Neuen Spitals an der Waldseer Straße, also ein neues Armenhaus mit einem
Sonderkrankenhaus.

Interessanterweise sind heute in diesem Roten Bau, nach grundlegender und
denkmalgerechter Vollsanierung, seit 2016 die städtischen Archive
untergebracht. Eine ideale, passende und nunmehr großzügige Lösung und
Verwendung für eine Große Kreisstadt wie Biberach. Besonders auch für alle
Nutzer und uns Forscherinnen und Forscher ein Segen.

Wer an Literaturquellen dazu interessiert ist, bitte bei mir melden.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang Merk
wolle.merk@t-online.de

Lieber Wolfgang,

vielen Dank für diesen ausführlichen und interessanten Bericht zu dem Thema.

Diese 8000Mark damals waren vermutlich eine ordentliche Menge Geld? Also
richtig arme Menschen konnten sich das dann auch wieder nicht leisten
vermute ich mal - ein Hospitant zu sein.

Wenn das Adressbuch komplett erfasst ist (alphabetisches Verzeichnis)
dann schau ich mal ob sich die "Insassen" unter dieser Anschrift alle
wiederfinden.

Viele Grüße

Steffi