[NS] Berufsbezeichnung "Inlieger"?

Hallo Martina,

der G�nter war (wie immer) auf dem richtigen Weg: Man mu� die Sache abk�rzen.

�ber die Sozialstruktur der schlesischen D�rfer gibt es genug Literatur, darunter auch
einige Doktorarbeiten. Man k�nnte �ber Bauern, Einlieger usw. hier also lange Mails
schreiben, die dann aber nachher doch keiner mehr liest.

Zumindest mu� nach Ort und Zeit differenziert werden. In OS war die Bev�lkerung viel
schlechter dran als in NS. Dort gab es in einigen Teilen richtig wohlhabende Bauern, die
so etwas wie einen Bauernadel darstellten. In jedem Fall verf�gten sie �ber einen gr��eren
Reichtum als viele richtige Adlige in OS. Die Untertanenordnung galt in Schlesien von 1652
bis 1807. D.h. anschlie�end sah alles -mit entsprechender Zeitverz�gerung- etwas anders aus.

Es wird noch im 18. Jhd. kaum Handwerker im Vollerwerb auf dem Land gegeben haben. Von
M�hlenbetreibern mal abgesehen. Die meisten waren G�rtner oder H�usler und betrieben
nebenbei ein Handwerk. Auch ben�tigte man eine Erlaubnis des Grundherrn, um seinen Sohn
eine Ausbildung in einem bestimmten Handwerk machen zu lassen. Anschlie�end mu�te dieser
als Geselle f�r die Dauer von 10 Jahren auf dem Gut bleiben. Als Untertan durfte man das
Dorf nicht verlassen, in dem man geboren wurde. Dazu war ein Losbrief notwendig.
Anschlie�end, als ein freier Mann konnte sich der Handwerker vielleicht doch bei gen�gend
Kundschaft eine eigene Existenz aufbauen. Was sich auf die Position auf der
Standespyraminde ausgewirkt haben d�rfte. Es fehlen dort ja auch die Pfarrer, Schullehrer
und Organisten sowie Dorfschulzen. Letztlich darf hier das herrschaftliche Personal nicht
vergessen werden. Handelte es sich um ein wohlhabendes Adelshaus einer gr�flichen Familie,
dann stand ein dort besch�ftigter herrschaftlicher Schneider oder sicher noch mehr ein
herrschaftlicher Koch - beide eigentlich 'nur' Handwerker - in h�herem Ansehen als andere
'unten' im Dorf.
Kurzum - man mu� die jeweiligen Gegebenheiten �berpr�fen, um die Stellung der Handwerker
einsch�tzen zu k�nnen.

Es kam in erster Linie auf das Besitzrecht an. Man unterscheidet in erblich oder
unerblich. Im �berwiegend Teil von OS besa� der unerbliche Lassit seine Stelle nur so
lange, als es seinem Gutsherren zusagte, er konnte sie weder verkaufen noch vererben.
Seinen Nachfolger bestimmte in jedem Fall der Gutsherr. Wurde die Stelle eines G�rtners
frei, konnte sie ein H�usler bekommen, wenn dieser mit seiner Familie dem Grundherrn mehr
zusagte. Oder der G�rtner hatte nur T�chter, dann konnte �ber diesen Weg, bei erblichen
Besitzrecht, ein H�usler die Stelle 'erheiraten'.

Wer sich n�her mit diesem gro�en Thema besch�ftigen m�chte, dem sei empfohlen:

Hallo Klaus,
hallo Listenleser,

danke f�r deine Erkl�rungen.
Hier tauchen nat�rlich neue Fragen auf und ich hoffe, dass du sie mir auch noch beantworten kannst. (Oder auch andere)
Ich hoffe auch, dass ich nicht zuviel "nerve" mit meinen Fragen, aber ich m�chte versuchen, z.B. die Wahl der Paten in M�rzdorf am Bober zu verstehen bzw. auch das Leben...... und ich habe den Eindruck gewonnen, dass du dich mit dem damaligen Leben schon sehr auseinander gesetzt hast. Einige andere Listenleser erwecken ebenfalls den Eindruck - ich bin f�r jede Antwort dankbar :slight_smile:

Zumindest mu� nach Ort und Zeit differenziert werden. In OS war die Bev�lkerung viel
schlechter dran als in NS. Dort gab es in einigen Teilen richtig wohlhabende Bauern, die
so etwas wie einen Bauernadel darstellten. In jedem Fall verf�gten sie �ber einen gr��eren
Reichtum als viele richtige Adlige in OS. Die Untertanenordnung galt in Schlesien von 1652
bis 1807. D.h. anschlie�end sah alles -mit entsprechender Zeitverz�gerung- etwas anders aus.

Es handelt sich um die Zeit von ca. 1650 bis ca 1798 in (kath) M�rzdorf a.Bober, Kreis L�wenberg, Niederschlesien

Es wird noch im 18. Jhd. kaum Handwerker im Vollerwerb auf dem Land gegeben haben. Von
M�hlenbetreibern mal abgesehen. Die meisten waren G�rtner oder H�usler und betrieben
nebenbei ein Handwerk.

Ja, stimmt, es lautet in den Taufeintr�gen meistens z.B. "H�usler und Schneider" usw.
Also war dann die Aus�bung der T�tigkeit des Schneiders eine Art Nebenerwerb - hei�t es dann, dass sie "nur" als z.B. Schneider von dem Verdienst nicht leben konnten? Oder wollte man auf jeden Fall von der Obrigkeit her die landwirtschaftliche T�tigkeit des Einzelnen nicht "vernachl�ssigt" sehen?

Lediglich der Schmied, der Kretschmer, der Kirch-und Gerichtsschreiber und der M�ller waren ohne den Zusatz H�usler oder G�rtner genannt. (Diese fallen mir jetzt spontan ein....)

Auch ben�tigte man eine Erlaubnis des Grundherrn, um seinen Sohn
eine Ausbildung in einem bestimmten Handwerk machen zu lassen. Anschlie�end mu�te dieser
als Geselle f�r die Dauer von 10 Jahren auf dem Gut bleiben.

Der Grundherr war wahrscheinlich das Kloster Liebenthal - jedenfalls waren hier Abgaben zu entrichten. Es gab einen Erb- und Gerichtsscholz im Ort, der konnte die Scholtisei frei verkaufen - so habe ich es zumindest in der Chronik des Ortes gelesen.

So musste dann das Kloster die jeweiligen Erlaubnisse geben? Zu welchem Gut musste sich der jeweilige "Handwerker" dann verpflichten, wenn der Grundherr ein Kloster war?

Als Untertan durfte man das
Dorf nicht verlassen, in dem man geboren wurde. Dazu war ein Losbrief notwendig.

Wie war das denn bei Heiraten? Ich habe viele Heiraten, bei denen z.B. ein Mann aus einem anderem Ort kam und in M�rzdorf eine M�rzdorferin heiratete. Musste diese dann auch einen Losbrief haben, um mit dem Mann in den anderen Ort zu gehen?

Anschlie�end, als ein freier Mann konnte sich der Handwerker vielleicht doch bei gen�gend
Kundschaft eine eigene Existenz aufbauen. Was sich auf die Position auf der
Standespyraminde ausgewirkt haben d�rfte. Es fehlen dort ja auch die Pfarrer, Schullehrer
und Organisten sowie Dorfschulzen. Letztlich darf hier das herrschaftliche Personal nicht
vergessen werden. Handelte es sich um ein wohlhabendes Adelshaus einer gr�flichen Familie,
dann stand ein dort besch�ftigter herrschaftlicher Schneider oder sicher noch mehr ein
herrschaftlicher Koch - beide eigentlich 'nur' Handwerker - in h�herem Ansehen als andere
'unten' im Dorf.
Kurzum - man mu� die jeweiligen Gegebenheiten �berpr�fen, um die Stellung der Handwerker
einsch�tzen zu k�nnen.

Ich glaube, in M�rzdorf gab es kein Adelshaus. Ich habe in der Chronik nichts dar�ber gelesen......

Es kam in erster Linie auf das Besitzrecht an. Man unterscheidet in erblich oder
unerblich. Im �berwiegend Teil von OS besa� der unerbliche Lassit seine Stelle nur so
lange, als es seinem Gutsherren zusagte, er konnte sie weder verkaufen noch vererben.
Seinen Nachfolger bestimmte in jedem Fall der Gutsherr. Wurde die Stelle eines G�rtners
frei, konnte sie ein H�usler bekommen, wenn dieser mit seiner Familie dem Grundherrn mehr
zusagte. Oder der G�rtner hatte nur T�chter, dann konnte �ber diesen Weg, bei erblichen
Besitzrecht, ein H�usler die Stelle 'erheiraten'.

Musste der jeweilige z.B. H�usler dann "umziehen", wenn er die G�rtnerstelle bekam (nicht auf das Einheiraten bezogen) oder bezieht sich das nur auf das Land, was er als G�rtner zur Bewirtschaftung bekam ? M�rzdorf war ein Waldhufendorf - also eine Ansiedlung von Bauernh�fen rechts und links einer Dorfstra�e, hinter denen sich ein Landstreifen bis zur Gemarkungsgrenze des Dorfes hinzog. In der Regel lag am Haus das Ackerland, dann folgte Wiese und der Wald. (aus der Chronik).
Wie ich las, wurden die H�usler und G�rtner zwischen den Bauernstellen angesiedelt - so w�re doch ein Umzug zwangsl�ufig, oder ?

Und irgendwie kommt es mir vor, als wenn zu bestimmten Zeiten besonders viele Ver�nderungen dieser Art stattfanden, vmtl nach Kriegen oder Krankheitswellen (Pest u.�.). Kann es sein, dass dadurch bestimmte Stellen frei wurden und so neu besetzt wurden - bei manchen eben auch nur solange, bis sich ein "besserer" Bewerber fand und so z.B. der H�usler ein G�rtner wurde und nach einigen Jahren, wenn der Ort sich wieder "erholt" hatte, dieser wieder zum H�usler "degradiert" wurde, weil sich dann im Ort andere Menschen ansiedelten und vielleicht besser geeignet schienen f�r eine solche Stelle bzw. bessere "Kontakte" hatten? Ich hoffe, ich habe mich hier verst�ndlich ausgedr�ckt :slight_smile:

Wer sich n�her mit diesem gro�en Thema besch�ftigen m�chte, dem sei empfohlen:
****
Ziekursch, Johannes, Hundert Jahre schles. Agrargeschichte, vom Hubertusburger Frieden bis
zum Abschlu� der Bauernbefreiung, Breslau 1927
****

Befa�t sich dieses Buch auch mit solchen Fragen wie meinen - erkl�rt also das Alltagsleben - oder ist es "allgemein" zur Agrargeschichte gehalten..... ?

Mit freundlichem Gru�
Klaus Liwowsky

Ich danke im voraus f�r die hoffentliche Beantwortung meiner neugierigen Fragen.

Viele Gr��e
Martina (Picker)

Hier tauchen nat�rlich neue Fragen auf und ich hoffe, dass du sie mir auch
noch beantworten kannst. (Oder auch andere)

Hallo Martina,

jede Gegend hatte oft seine Besonderheiten. Ich kann nur von meiner
Forschung mitteilen.

Das Lasser Bodenrecht war in Schlesien vom Mittelalter bis ins
19.Jahrhundert
g�ltig.

� Das Bauerngut war nicht Erbgut, sondern wurde dem Bauer lebenslang
verpachtet. (Die Grundherrschaft wollte gute, arbeitsame Bauern - nur
dadurch
hatte sie sichere Eink�nfte und eine Wertsteigerung der Grundherrschaft
ansich)

� Nach Ableben des Erbgrundherrn oder des Bauern wurde ein neuer
Pacht-Vertrag ausgefertigt. (Mit Bezahlung/Steuer des neuen Pachtvertrages)

� Der Bauer [und seine Familie] war verpflichtet dem Grundherrn Grundzins,
Frondienste, Ehrungen (Abgaben) zu leisten. (heutzutage Steuererhebungen)

siehe auch: Boehm-Chronik -- Lasser Bodenrecht
und Boehm-Chronik -- Dominium
Generell zur Geschichte der Grundherrschaften im Waldenburger Bergland:
Boehm-Chronik -- Grundherrschaft

Etwas zu Taufpaten:
1571-1595: Der Bauer Adam Behm(e), der Bauer George Behm und
sein Sohn Christoph Behm aus Wei�stein werden im evangelischen
Waldenburger Kirchenbuch erw�hnt. Adam Behm(e) wird auch in den
umgebenen D�rfern mehrmals als Taufpate genannt.

Herzliche Gr�sse aus Upstate New York,
Guenter Boehm (*1939 Friedland, Kreis Waldenburg in Schlesien)

Lieber Klaus,
liebe Listenmitglieder!

Das immense Wissen, das sich u.a. in den Antworten zur Frage der Inlieger niederschl�gt, ist bewundernswert. Vielen Dank, dass wir alle davon profitieren k�nnen!

Deshalb bin ich - in der Hoffnung, dass sie beantwortet weden - auch dankbar f�r Martinas Fragen. Und hoffe auf Antwort.

Mich interessieren in diesem Zusammenhang noch Fragen zur Stellung der Frau. Wer enrschied in den beschriebenen Zeiten, wen die Tochter eines G�rtners, H�uslers usw. heiraten durfte? Der Vater? Die Herrschaft?

Wie sah es mit der Kinderarbeit aus? - Gibt es Literatur zu diesem Thema?

Einen sch�nen Restsonntag w�nscht

Sophie (Nelke-Brauner)

Hallo Guenter,

vielen Dank f�r die Erkl�rungen. Ein bi�chen hilft mir das schon weiter.

Viele Gr��e
Martina (Picker)