Hallo Denis,
jenes Schönwiese, welches ich in meiner letzten Mail angesprochen hatte,
liegt auf jeden Fall auch im Kreis Königsberg-Land. Mit Hilfe der Karten-Links,
die Dir von anderen Listenlesern genannt wurden, kannst Du es leicht einordnen
und lokalisieren. Meines Wissens war jenes Schönwiese im Kirchspiel
Heiligenwalde niemals ein Rittergut, zumindest nicht in dem Zeitraum, über den ich
Kenntnis habe. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß es später im 19. Jh. zu
einem Rittergut oder sonstwie bedeutenderen Gut wurde.
Ich denke, daß jenes andere große Gut, welches Dir in der Gegend südlich von
Königsberg (auch noch Kreis Königsberg-Land) von einem anderen
Listenmitglied nachgewiesen wurde und welches auch im Güteradressbuch erwähnt wird, sollte
eher zutreffen können.
In Preußen wurde zwischen Bauernhöfen, Gütern und meist adeligen
Rittergütern unterschieden:
Auf "normalen" Bauernhöfen saßen meist sogenannte Hufenwirthe, die etwa 1 -
4 Hufen (1 Hufe = ca. 15 ha) bewirtschafteten, dafür entsprechende Steuern +
Abgaben, sowie in früheren Zeiten auch gewissen Dienstleistungen (sogn.
Scharwerk) zu leisten hatten. Je nach dem konnte dieser Besitz (trifft auf die
Zeit vor der Preußischen Landreform 1807 zu) auch zu einem adeligen Gut oder
einer königlichen Domäne gehören. Dann gehörte den Bauern das Land nicht, sie
durften es nur bewirtschaften. Für die Überlassung dieses Rechtes waren sie
gutsuntertänig, hatten Scharwerk auf dem adeligen Gut bzw. auf der königl.
Domäne zu leisten.
Dann gab es sogenannte Köllmer/Cöllmer: der Ausdruck geht zurück auf das
sogn. Culmische Recht, auf dessen Basis seit der Ordenszeit Land zu Eigentum
überlassen wurde. Das heißt, Cöllmer waren Bauern, die ihr Land wirklich als
Eigentum besaßen und auch verkaufen konnten. Manchmal findet man auch den
Begriff "Freysaße". Sogn. Hochzinser waren auch Freibauern, die sich das
Eigentumsrecht bzw. die Befreiung vom Scharwerk durch einen höheren Zins
(=Steuern/Abgaben) erwarben/erworben hatten.
Cöllmer können auch kleine oder mittlere Güter besitzen, haben aber nicht
die Rechte wie die ursprünglich nur adeligen Gutsbesitzer. Nach der Preußischen
Landreform 1807 verwischten sich mehr und mehr die Standesgrenzen,
Bürgerliche konnten ehedem adelige Güter erwerben oder sich auch mehrere kleinere
Bauernhöfe zusammenkaufen, die dann schon stattliche Besitzgrößen wie ein
adeliges Gut erreichten (die zusammengekauften Güter konnten sich aber nie "adelig"
oder "Rittergut" nennen).
Auch wenn die Standesgrenzen allmählich an Bedeutung verloren, die
ursprünglichen an den jeweiligen Grundbesitz gebundenen (Vor-)Rechte blieben bestehen.
Es heißt also immer noch "adeliges Gut/Rittergut", auch wenn da schon ein
Meyer/Müller/Irgendwer ohne "von" drauf saß. Der bürgerliche Besitzer genoß mit
diesem ehedem adeligen Gut immer noch traditionelle Vorrechte bzw. stand in
gewissen Verantwortlichkeiten: z.B. das Patronatsrecht in der zugehörigen
Kirche oder ähnliches. Man hielt auch aus Dünkel gern an den alten Anachronismen
fest und vergaß auch im 20. Jh. nicht zu erwähnen, daß man nicht nur irgend
ein Gut besaß, sondern ein "adeliges Rittergut", insbesondere wenn man kein
"von" war.
Ich habe hier nur mal schnell meine Kenntnisse oberflächlich zusammengefaßt.
Sicherlich gibt es zu dem Thema noch mehr zu sagen. Aber vielleicht können
andere meine Ausführungen ergänzen, wo es nötig erscheint...
Grüße aus Berlin
Viktor