Im "Namslauer Heimatruf Nr. 173 / Juni 2002 fand ich den Artikel
"Nachrichtensperre" von K.E.Lober, den ich hier in Auszügen wiedergebe.
Aufmerksame Leser des Heimatrufs wissen, dass der Kreis Namslau von den Polen
der oberschlesischen Wojwodschaft Oppeln zugeordnet wurde.
Die Wojwodschaften sind in Polen die Instanz unterhalb der Republik, damit
unseren Bundesländern vergleichbar und besitzen einen Landtag (Sejmik).
Im Landtag von Oppeln ist seitden Wahlen im Jahr 1998 die Fraktion der
deutschen Volksgruppe die zweitsstärkste Fraktion des Landtages und verfügte
über nur einen Sitz weniger als die die führenden Postkommunisten.
Bisher bildete die deutsche Fraktion eine Koalition mit der AWS, der
Freiheitsunion und einem weiteren Partner.
Dabei stellte die Volksgruppe mit Richard Galla den Vizemarschall, eine
Position, die mit dem stellv. Ministerpräsidenten in unseren Bundesländern
vergleichbar ist.
Nachdem es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Benachteiligungen für die
deutsche Volksgruppe durch die anderen Regierungsparteien gegeben hatte und
ihr z.B. eine Radiofrequenz im Oppelner Raum verweigert wurde, obwohl in
dieser Region 27 polnischsprachige Sender zu hören sind, wurde die Koalition
aufgekündigt. Ein Hintergrund für diesen Schritt ist aber auch in der
Tatsache zu sehen, daß zwar am 17.Juni 1991 ein deutsch-polnischer
Nachbarschaftsvertrag geschlossen wurde, die dort enthaltenen
Minderheitenrechte bis zur Stunde aber nicht realisiert und in polnisches
Recht umgesetzt sind.
Am 19.April 2002 wurde nun eine neue Koalition im Oppelner Parlament zwischen
der sozialistischen SLD und der deutschen Fraktion gebildet und der bisherige
Vizemarschall Richard Gall wurde zum Marschall (Minister-
Präsidenten) von Oppeln gewählt.
Ich weilte in diesen Tagen im Kreis Namslau, hatte Gespräche mit Landtags -
und Kreistagsabgeordneten unserer Volksgruppe, aber auch mit dem Landrat von
Namslau und anderen Kommunalpolitikern geführt und das Geschehen auch in den
politischen Medien verfolgt. Es war für viele Menschen eine ausgesprochene
Sensation, die auch sehr kritisch kommentiert wurde. ......
Bei meiner Rückkehr nach Deutschland - wenige Tage nach dem Oppelner Ereignis
- musste ich mit Verwunderung feststellen, dass ich mit einer Ausnahme kein
deutsches Medium gefunden habe, das über diesen Vorgang berichtet hat. Nur
das in Görlitz erscheinende unabhängige Magazin "Schlesien heute" brachte aus
der Feder von Till Scholtz-Knobloch einen umfassenden Beitrag.
Die Tageszeitung "Die Welt" verfügt zwar mit Dr.Gerhard Gnauck über einen
eigenen Warschauer Korrespondenten - ist also nicht auf Presseagenturen
angewiesen, aber auch dort herrschte totales Schweigen über diesen Vorgang.
Das macht stutzig, denn die Tatsache, dass ein polnisches Parlament einen
Deutschen zum Ministerpräsidenten wählt, ist doch ein gewaltiger Schritt auf
dem Weg zu einer europäischen Gemeinsamkeit.
Ein Grund für die bundesweite "Nachrichtensperre" die nicht gerade Ausdruck
einer guten demokratischen Informationspolitik ist, könnte in der Tasache
liegen, dass wir Bundesbürger nicht wissen sollen, wie stark die deutsche
Volksgruppe in unserer schlesischen Heimat im Jahre 2002 tatsächlich ist.
Eine Erklärung habe ich bereits in meinem umfangreichen Archiv gefunden.
Unter dem 5.Oktober 1990 brachte "Die Zeit" einen mehrseitigen Beitrag über
die Situation in Oberschlesien unter dem Titel
"Der schleichende Anschluss - Oberschlesien ist deutscher als die Politik
erlaubt."
Vielleicht ist das der Schlüssel für die eigenartige Verfahrensweise in
unseren Medien. Den bundesdeutschen Pressegesetzen entspricht diese
Verfahrensweise nicht.
K.-E. Lober
Soweit der Artikel von Herrn Lober, der auch für aktive Genealogen
interessant sein dürfte. Namslau - Oppeln , hier überlappen sich Nieder- und
Oberschlesien, ich bitte um Nachsicht bei Listen-Puristen.
MFG Joachim Kirsch