Mühlenconsignationen

In einer eMail vom 03.11.2009 21:02:54 Westeuropäische Normalzeit schreibt
_ursula.wenzke@t-online.de_ (mailto:ursula.wenzke@t-online.de) :

Wo liegen diese Akten? Wenn Du schon geforscht hast, sind Dir

dann die Müller mit den Namen Wen(s)zke, Audorf oder Collin aufgefallen?
<<

An Ursula und alle anderen Interessierten,

die Mühlenconsignationen werden zusammen mit den Praestationstabellen im
Staatsarchiv Berlin-Dahlem archiviert. Wie ich schon geschrieben habe, wurden
diese Listen von den jeweiligen Ämtern angefertigt, um die gleichmäßige
Auslastung der Mühlen zu überwachen. In diesen Listen findet man die
Auflistung sämtlicher Einwohner der Dörfer, die einer bestimmten Mühle zugewiesen
waren. Mit Namen genannt werden die Haushaltsvorstände, zahlenmäßig erfaßt
sind die Haushaltsmitglieder (z.B. 1 Wirthin, 1 Sohn, 1 Tochter, 1 Knecht, 1
Magd, 1 Dienstjunge, 1 Margell, 2 Kinder unter 12, 1 Alte [über 60]).
Mitunter werden die Kinder unter 12 noch genauer differenziert nach Alter und
Geschlecht angegeben. Mit Hilfe dieser Angaben kann man z.B. kontrollieren,
ob man zu einem gegebenen Zeitpunkt alle Familienmitglieder im Kirchenbuch
gefunden hat, oder ob es noch Unstimmigkeiten gibt. Oder man kann Lücken
in Kirchenbücher mit diesen Angaben teilweise ergänzen.

Diese Listen sind deswegen so interessant, weil darin nicht nur - wie in
den Praestationstabellen - die Grundbesitzer erfaßt sind, sondern alle
Bewohner eines Dorfes. Zusätzlich finden sich noch Angaben zum (Berufs-)Stand und
manchmal Angaben, bei welchem Hausbesitzer die Nicht-Eigentümer
untergebracht sind.

Ich hoffe, es wird durch meine Erläuterungen klarer, daß es bei diesen
Listen nicht vordergründig darum geht, etwas über die Müller zu erfahren. Als
Nebeninformation kriegt man darüber natürlich auch etwas zu wissen. In
bestimmten Jahrgängen gibt es einen mehr oder weniger ausführlichen Fragekatalog
an die Müller, wie sie finanziell und arbeitstechnisch gestellt sind, was
teilweise sehr interessant sein kann.

Aber mein Forschungsschwerpunkt sind n i c h t die Müller. Ich habe
nicht in ganz Ostpreußen nach Müllern geforscht, so daß ich jetzt über alle
Müller weit und breit und durch alle Jahrhunderte in der Lage wäre, Auskunft
zu erteilen. Es tut mir leid, aber da haben die geneigten Leser dieser
Liste etwas falsch verstanden. Es haben mich sehr viele Anfragen zu diesem
Thema direkt erreicht. Ich muß leider allen Fragenden diese -enttäuschende-
Antwort geben.

Wenn man genau wissen möchte, ob zu der eigenen Forschungsregion solche
Mühlenakten existieren, empfehle ich eine Anfrage beim Staatsarchiv:
_http://www.gsta.spk-berlin.de/_ (http://www.gsta.spk-berlin.de/)

Allerdings reicht es nicht, einfach zu fragen, ob z.B. für den Kreis
Sensburg Mühlenconsignationen existieren. Als die Mühlenconsignationen gefertigt
wurden, gab es noch keine Kreise im modernen Sinne. Die Provinz Ostpreussen
war in Ämter (Haupt- und Cammerämbter) eingeteilt. Man kann in speziellen
Nachschlagewerken die alten Ämterzugehörigkeiten nachschlagen (der alte
Goldbeck hilft da weiter). Wenn man nett fragt, übernehmen die
Archivmitarbeiter vielleicht diese einfach Recherche nach der Ämterzugehörigkeit, um dann
sagen zu können, ob für das betreffende Amt diese Akten vorliegen (ich
habe bisher noch kein Amt ohne diese Akten gefunden, die Wahrscheinlichkeit
ist sehr hoch, daß es für alle Ämter derartige Akten gibt). In der Regel
werden die Mühlenconsignationen gemeinsam unter der gleichen Signatur wie die
Praestationstabellen geführt. Das heißt, wenn man im Archiv etwas derartiges
bestellt, bekommt man oft beides in einer Akte zusammengefaßt. Beide
Archivalien ergänzen sich in ihrem Informationsgehalt ideal.

Meistens beginnen diese Art der Aufzeichnungen in den 1720er bis 1730er
Jahren. Die Mühlenconsignationen werden ab 1800 nicht mehr weiter geführt,
weil der Mühlenzwang abgeschafft wurde. Die Praestationstabellen werden bis
maximal Mitte des 19. Jh. weitergeführt, hören aber oft schon um 1830 auf.
Beide Listen wurden im Abstand von ca. 6 Jahren erneut gefertigt. Wenn man
alle Jahrgänge eines Amtes durchkämmen will, kann das möglicherweise
bedeuten, daß man sich durch einen Stapel von mehr als 2 - 3 Metern Akten
hindurcharbeiten muß. Das bedeutet mindestens 1-2 Wochen Arbeit am Stück, wenn man
das gründlich machen will und erfordert excellente Lesefertigkeiten und ein
gutes Stück Erfahrung im Umgang mit ungewohnten Formulierungen und dem
eigenartigen Sprachstil jener Zeit, um sich ein wirkliches Verständnis der
Vorgänge zu erarbeiten.

Ich habe den Eindruck, daß viele der Fragenden keine rechte Vorstellung von
der Materie hatten. Ich hoffe, meine Erläuterungen helfen in dieser
Hinsicht weiter und machen vielleicht nachvollziehbar, daß ich nicht alle
eingegangenen Fragen einfach mal so schnell beantworten kann.

Für einige Ämter in Ost- und Westpreußen gibt es bereits publizierte
Abschriften der Praestationstabellen und Mühlenconsigantionen. Ich empfehle den
Katalog der Veröffentlichungen des Vereins für Familienforschung in Ost- und
Westpreußen (VFfOW). Große Bibliotheken sollten diese Veröffentlichungen
verfügbar haben.

Grüße aus Berlin

Viktor Haupt