Mitteleuropäische Höflichkeit

"Gerd Schmerse" <schmerse@t-online.de> schrieb:

Moin Martin Conitzer,

zur Mail vom 25 May 2005 21:21 GMT:

>Auch hier antworten keine von Algorhythmen gesteuerten Maschinen (wie z.B. bei google), sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die sich über ein kleines Dankeschön sicher freuen würden !
>Wer sich über Höflichkeit und ähnliche Themen des "alten Europa" informieren möchte, kann dieses Buch lesen:

"Höflichkeit ist optional" lautet ein alter Spruch im Usenet, und meine
auch sonst verwendete Anrede habe ich nicht verändert, denn Respekt bezeugt
man nicht durch ausschließlich nur eine Form der Anrede. Im "Globalen
Dorf", als welches das Netz in den Jahrzehnten seines Bestehens häufig
bezeichnet worden ist, ist dabei eine weniger förmliche Anrede üblich, als
es in einem bilateralen Schriftwechsel persönlich nicht bekannter Personen
wäre - in meinem "realen" Dorf dagegen käme niemand auf die Idee, sich
gegenseitig als "Sehr geehrter Herr" zu titulieren (es sei denn, man wäre
verfeindet). Ganz sicherlich ist dies kein Zeichen mangelnden Respekts der
anderen Person gegenüber. Nun aber daherzukommen und gegen die üblichen
Gepflogenheit zu lamentieren, erinnert mich doch stark an die Städter, die
auf's Dorf ziehen und dann die Bauern wegen des störenden Hähnekrähens
verklagen. "Auf eine anständige Frage kann ich auch eine anständige Antwort
erwarten" gilt ganz gewiß in einem Zwigespräch, auf das sich beide Partner
freiwillig eingelassen haben - es gilt ebenso sicher nicht für das Netz:
niemand hat das Recht auf eine angemesene Antwort, der Wald, in den man
hier hineinruft, ist keine kostenlose Hotline, und das Echo kann manchmal
ganz anders ausfallen als man erwartet hat. Auf jede Frage eine vernünftige
Antwort haben zu wollen, ist eine Ich-will-alles-und-zwar-sofort-und-
umsonst-Erwartungshaltung, die von völliger Fehleinschätzung zeugt. Wer
eine Antwort geben kann, wird dies sicherlich tun - wenn die Form dabei
nicht den Vorstellungen des Anfragenden genügt, darf er gerne auf die
Hilfestellung verzichten. Wenn ich zwei bis drei Dutzend Anfragen, in
verschiedenen Listen und auch privat, bekomme, die ausführlich beantwortet
werden wollen, dann nutze ich auch die Fähigkeit des Computers als "von
Algorhythmen gesteuerte Maschine" bei der Beantwortung. Und wenn man einen
Dank dafür bekommt (was meiner Erfahrung nach häufig der Fall ist), dann
freut man sich; wenn nicht, tröstet man sich, daß es derjenige nicht besser
kann und froh ist, die Frage richtig abschicken gekonnt zu haben... ;-))

Gruß
Gerd (Schmerse)

Moin Gerd Schmerse,

danke für Deine Worte, die mir zu denken gegeben haben.

Schöne Grüße

Martin (Conitzer)