Lieber Herr Brauer!
siehe dazwischen
Hallo Herr Hoffman.
Diese Anfrage ist kein alberner Scherz, obwohl dieser Ausdruck als ich
ihn zum ersten mal hörte durchaus spöttisch scherzhaft gemeint war.
Diese Anfrage hat auch nichts mit [OWP] zu tun, obwohl die Mutter
meines Vaters aus Ostpreußen stammt. Ich möchte nur ihr kompetentes
militärisches Wissen ein wenig anzapfen damit ich bei meinen
Recherchen über meinen lange verstorbenen Vater (1971) keine
überflüssigen Umwege mache.
Der Hintergrund zu dieser Anfrage an sie:
Ich weiß nicht ob dieser Ausdruck (siehe Betreff) von meinem Vater
stammt (solche scherzhaft lächerlichen Bemerkungen waren sein
Markenzeichen) aber ich denke daß die Truppe zu der mein Vater im 2.
Weltkrieg gehörte, nannte sich scherzhaft selber so.
Mein Vater ist 1941 oder 1942 (so genau weiß ich es nicht) freiwillig
zur Marine gegangen. Er war ursprünglich freigestellt weil er aus
seiner Jungendzeit eine schwere Kopfverletzung hatte und weil er in
einem kriegswichtigen Betrieb (Krupp) als Werk- und Schlossermeister
arbeitete.
Als Kriegsfreiwilliger konnte er den Wehrmachtsteil wählen zu dem er
gehen wollte . Er entschied sich für die Marine. Warum er dann nie
Dienst auf einem Schiff getan hat weiß ich nicht. Er kam sehr bald
nach seiner Ausbildung zu einer Nachschubeinheit die in Griechenland
und Jugoslawien eingesetzt war.
Jetzt zur "reitenden Gebirgs-Marine". So nannte er diese (seine)
Einheit, weil er als Marinesoldat in einer Nachschubeinheit mit Eseln
im Gebirge (Nordgriechenland) herumkrebste.
Der Ausdruck "Reitende Gebirgs Marine" ist ein Ausdruck der wohl zuerst
im oder kurz vor dem Norwegenfeldzug 1940 erfunden wurde. Damals ist
eine Zerstörerflotille in den Narvik-Fjord eingelaufen und dann sehr schnell
auf Grund: Churchill hat in seinen Memoiren selbst zugegeben, dass es britisch-franzoesische
Plaene zur Sicherung/ Abschneiden der schwedischen Erzeinfuhren gab und die Royal Navy
in den letzten Zuegen lag um nach Narvik auszulaufen, als die "Weseruebung" anlief. Daraufhin
lief die Royal Navy mit "full speed" nach Narvik und bereitete der Zerstoereflotille ein schnelles
feuchtes Ende. Gleichzeitig hatte die Marine Dietl´s Gebirgsjaeger dort angelandet (Sicher nicht mit den Zerstoerern,
die waren AUSSCHLIESSLICH fuer meine heimische Badewanne zu groß). Nachdem die
Marine ihrem Badeurlaub ausgiebig gefroent hatte, wurden sie eben umgeschult und in das Gebirgsregiment
voll integriert (einschliesslich der "Behuetung" der Tragtiere) Hiervon gingen sehr schnell Bilder einer
Kriegsberichtererstatter.einheit durch die Presse (ich bin mir nicht sicher ob die jemals herausgefunden haben
wer darauf Marine und wer Maultier war! Mann kam ja schliesslich aus Bayern!) und das Wort von der
"Reitenden Gebirgs Marine" war geboren.
Schon vor vielen Jahren (Anfang der 50ger Jahre) hatte ich von
Greueltaten (angeblichen Greueltaten ???) der Wehrmacht in
Nordgriechenland gehört und habe damals meinen Vater gefragt was er
davon weiß, oder ob er damals davon gehört hat. Ich bekam keine
befriedigende Antwort, auch konkreten Fragen nach seinen Erlebnissen
in den Kriegsjahren wich er konsequent aus.
Lassen wir das Wort Greueltaten mal da wo es hingehoert: in der Schublade fuer "politisch korrekte Bezeichnungen"
(ist wohl eine Rueckuebersetzung des Begriffes "Propaganda" aus dem Englisch-amerikanischen Bereich)
Tatsache ist: Die damals gueltige Haager Landkriegsordnung von 1904/7 behielt das Recht zur Kriegfuehrung ausschliesslich der
Armee vor. (Den Sonderfall Levee en masse lassen wir augenblicklich mal aussen vor). Zivilisten durften sich an den Kampfhandlungen
ausdruecklich nicht beteiligen. <Die Konvention zum Schutz der Zivilisten ist erst von 1948 > und die Haager Landkriegsordnung genehmigt
ausdruecklich Repressalien gegen Verstoesse. <Die Genfer Konvention nicht mehr>
Schauen wir mal von der anderen Seite: Da entwickelte sich in den Doerfern und Staedten ein schwungvolles Etappenleben mit Kaffeehausbesuchen
Theaterauffuehrungen und "Kriech was ist das". Und dann schmeisst ohne erkennbaren Anlass ein nicht zu identifizierender "Zivilunke" eine Handgranate
in die Menge als es gerade anfing lustig zu werden. In der Einheit war die Stimmung sofort auf null und da man mit den Opfern persoenlich befreundet war
ueberstieg die Anzahl der Freiwilligen fuer eine "Strafaktion gegen den Bruch des Voelkerrechts" sehr schnell die festgelegte Kriegsstaerke der Einheit.
(1. Stufe der Eskalation).
Die 2, Stufe der Eskalation beginnt damit, dass die sich sammelnden "Horden von Partisanen" keinen geregelten Nachschub und keine Besoldung erhalten
und auch die Zufuhr von "Marketenderwaren" wie Zigaretten und Rotwein gegen null gefahren wurde, Also begann man als koenigstreuer-kommunistischer Partisan "aus dem Lande" zu leben und ging nachts in die Doerfer (die man kannte) zum einkaufen und bediente sich dabei natuerlich vorrangig in den Geschaeften (Bauernhoefen usw) mit deren Eigentuemern noch ein Huehnchen zu rupfen hatte ("der hat mich schon in der Schule nie abschreiben lassen") Am naechsten Morgen stand dann ein heulender Buergermeister
beim Ortskammanddanten: "Die haben uns schon wieder beklaut". "Da muss man jetzt aber was unternehmen" (2. Stufe der Eskalation)
Je laenger der Krieg dauerte desto weiter dehnte sich dieses Unternehmen aus und beide Seiten waren eifrigst bemueht der gegnerischen Seite Munition fuer den politisch-
moralischen- Unterricht" zu liefern und nach ganz kurzer Zeit wusste keiner mehr wer auf welcher Seite stand, wer Rechte hatte und wie das eigentlich angefangen hatte.
Auf der deutschen Seite hatte es sich jedenfalls zu einer Frage des "Ueberlebens" hochstilisiert und wurde von den Betroffenen auch so wahrgenommen. Dennoch wussten beide
Seiten wie schmutzig das Geschaeft geworden war! Die "Kriegswirtschaft " verhinderte jedenfalls die Zufuhr von Waschmitteln wie Persil oder Imi.
(Wer heute wachen Auges, nahöstliche Zeitungen BEIDER Seiten liest, kann sich ein genaues Bild des Dilemmas machen ohne feststellen zu koennen, wer denn nun
eigentlich Recht hat! und wer heute vor einer Kompanie steht und einen Unterricht ueber die Genfer Abkommen haten darf, weiss was ein Dilemma ist! ("Koennt ihr nicht endlich mal die Schnauze halten: Wir klaeren erst mal was in der Vorschrift drin steht, und in der uebernaechsten Stunde fangen wir dann mit dem Thema "Weltverbesserung" an, und danach mache ich dann mit EUCH Weltrevolution immer uebern Kasernenhof: Auf, hinlegen, auf hinlegen")
Seit dem hege ich den Verdacht das er direkt oder indirekt mir diesen
Vorkommnissen in Griechenland zu tun hatte. Vielleicht ist mein
Verdacht auch unberechtigt und er wollte einfach nicht von diesen
Erlebnissen sprechen. Vielen Männern ging es nach dem Krieg so.
Es scheinen WENIGE gewesen zu sein die ihre persoenliche Grausamkeit ausleben konnten
und es scheinen viele gewesen zu sein, die pflichtgemaess in dieses "Schlamassel" hineingezogen
wurden und ihre Pflicht taten, nicht mehr und nicht weniger.
Jetzt meine Fragen:
1. Kennen sie solche Einheiten, Marinesoldaten im Norden Griechenlands
und in Jugoslawien, die als Nachschubeinheiten (kämpfende
Nachschubeinheiten) in den genannten Gebieten eingesetzt waren.
Es gab dort viele Einheiten von Heer, Marine und Luftwaffe (aber auch Polizei usw)
der Ausweitung des Partisanenkrieges konnte sich auf Dauer keine entziehen
2. Wo sind diese Einheiten ausgebildet worden? Ich vermute in der
Umgebung von Kiel, in dieser Gegend ist er auch mit seiner Einheit
1945 in englische Gefangenschaft gekommen.
Am 8. Mai 1945 war der Krieg an der Elbe fuer die Engländer zu Ende. Es wurde
Stacheldraht ausgelegt und entsprechend der Kapitulationsbedingungen fuehrten
noerdlich der Elbe die deutschen Offiziere ihre Einheiten weiter, nach allen Regeln der
Kunst: mit Pistolen am Koppelschloß, Urlaubscheinen, Exerzieren, Ausbildung, Marschbefehlen
Essensmarken und Dienstreisen. Die Wehrmachtfuehrung arbeitete in Flensburg bis Juli 1945
als Abwicklungsstab mit englischen Verbindungsoffizieren weiter. Die Ueberfuehrung in
Kriegsgefangenlager (oder besser die Verkleinerung des Kriegsgefangenenlagers Daenemark/Schleswig-Holstein
auf kleinere Lager erfolgte ganz langsam nach dem Prinzip der "Vemehrung der Stachelschweine" ganz ganz Vorsichtig.
(Im Winter 1945 holten die Engländer und Amerikaner die Reste der Besatzungen der Luftverteidigung noch mal aus den
Lagern und besetzten die Stellungen mit ihnen und fuhren eine 14 tägige Uebung! "Abschuesse wurden allerdings nicht mehr anerkannt")
3. Nach dem Krieg ist er sehr bald aus der Gefangenschaft entlassen
worden, ist aber in deutscher Uniform (???) ohne Hoheitsabzeichen,
aber mit fast allen Auszeichnungen (Rangabzeichen ???), von den
Engländern wie ein Soldat in einer Kraftfahrereinheit eingesetzt
worden.
Das nannte sich dann "Labour-Service" und bestand (in verkleinerter Form) bis
1955. Manche sind von dort direkt zur Bundeswehr gegangen!
4. So ist er auch (angeblich in deutscher Uniform ???) um 1945/47 von
Schleswig Holstein aus in Essen (Ruhrgebiet) auf Urlaub gewesen und
anschließend wider nach Schleswig Holstein zurückgefahren.
Ueberrascht mich nur in Bezug auf das Wort angeblich, das war so! und gegruesst wurde
wie zu Kaisers Zeiten....
Letzteres sind Aussagen seiner Neffen (Kinder seiner Geschwister) die
ich für sehr unglaubwürdig halte.
ICH nicht ! Ich hab diese Einheiten in Bad Oeynhausen (Hauptquartier der Britischen Rheinarmee
noch selbst gesehen) "Ich spuerte, ich muss was ganz besoneders sein: Ich war fuenf " und wohnte im Sperrgebiet ! <Werthers Aechte>
Ich selbst habe ihn damals so nicht
gesehen, ich habe ihn nach dem Krieg erst Anfang 1949 wieder gesehen
und um 1955/56 zu dem Geschilderten befragt.
Es wäre sehr nett und hilfreich, wenn sie mir bevor ich Anfragen an
Archive loslasse in ihrer kompetenten und humorvollen Art einige
Hinweise geben könnten.
Mir freundlichem Gruß
Jörg Brauer aus Berlin.
Berlin Schleswig-Holstein oder Hinterpommern <grins>
Fragen Sie <oder besser DU !> ruhig weiter,
Ernst