Meersburg 1805 zuständig für Pfälzer Pass?

Hallo zusammen,

ich habe eine merkwürdige Sache, bei der ich einen Tip gebrauchen könnte:

Auf der Suche nach einer deutschen Frau in den Diensten Napoleons, die angeblich um 1780 in Hohwiller/Elsass geboren ist, habe ich bestätigten Hinweis, dass sie sich 1805 über den Präfekten in Mainz einen neuen Pass (alter Pass und Kopie war offenbar beide verloren gegangen) vom "Greffe des Grand Bailliage von Meerbourg, Grafschaft Baden" hat ausstellen lassen. Das müsste die "Kanzlei der Vogtei Meersburg" sein.

Hier der original Wortlaut des Schreibens übersetzt aus dem Französischen:
9. Januar 1807, Strassburg – Kopie eines Schreibens des 21. Juni 1806 des Préfet des Mont-Tonnerre, Herr Jeanbon Saint-André, in Mainz. Das Original wurde geschrieben nach einem deutschen Pass der am 24. Dezember 1805 vom Greffe des Grand Bailliage von Meerbourg (Grafschaft Baden) ausgestellt wurde.

Ich vermute, dass sie in Nothweiler/Pfalz geboren wurde, auch wenn sie in Hohwiller gelebt hat (da der Zusatz "bei Soultz" lautet). Hohwiller war nie deutsch.
Warum sollte aber ein Pfälzer über den Präfekten in Mainz einen Pass aus Meersburg anfordern? Vor allem, da ihre Reise nach Straßburg auch durch Landau-Barbelroth geführt hat? Hätte ein Pfälzer nicht auch woanders als in Mainz einen Pass bekommen können?

Oder ist diese Person gebürtig aus BaWü? Warum aber dann nach Mainz reisen?

Könnte mich jemand aufklären? Ich habe keinen Schimmer was das alles bedeutet.
Weiterleitung auf die BaWü Liste ist erwünscht.

Es grüßt,
Andrea Kindelberger

Oberdischingen, 21. September 2012

Sehr geehrte Frau Kindelberger, liebe Leser !

Meersburg war Regierungssitz des 1803 säkularisierten Bistums Konstanz, danach zur Markgrafschaft, ab 1806 zum Großherzogtum Baden gehörig. Der Besitz des Bistums wurde durch Obervogteiämter verwaltet, deren Protokolle sich im Generallandesarchiv Karlsruhe befinden. Meersburg als Stadt hatte eine Sonderstellung, die städtische Verwaltung führte eigene Protokolle, die im Stadtarchiv aufbewahrt werden. Hier könnten sich auch Register der ausgestellten Reisepässe befinden, oder die besagte Frau war damals (etwa als Emigrantin?) einige Zeit in Meersburg ansässig und taucht in anderem Zusammenhang auf. Eine große Kolonie französischer Emigranten lebte in Konstanz (heute mit Meersburg durch eine Fähre verbunden), auch in Meersburg könnte es welche gegeben haben.

Ich sehe keinen Hinweis darauf, daß der Präfekt des Kantons Donnersberg einen Paß aus Meersburg angefordert hat. Eher ist denkbar, daß die besagte Frau ihren dort ausgestellten Paß - vielleicht weil er abgelaufen war oder ein badischer Paß in Frankreich nicht gültig war - abgegeben und einen neuen bekommen hat.

Freundliche Grüße, Friedrich R. Wollmershäuser

"Andrea Kindelberger" <andrea@kindelberger.de> schrieb:

Dank allen für die Weiterleitung / Hinweise!

Vielleicht ist der Fall auch ganz anders. Man hat ja manchmal Bretter vorm Kopf...

Diese Frau, im Dienste von Napoleons Armee, wurde - laut der einen Aussage - nach der Schlacht von Günzburg am 9.10.1805 von Kosaken gefangen genommen und in russische Gefangenschaft gebracht. 2 1/2 Monate später war sie aber schon wieder zurück in Deutschland. Sie kann unmöglich in dieser kurzen Zeit - schwer verletzt ! - diese Strecke zurückgelegt haben?!

Ihrer eigenen Aussage nach war sie in österreichischen Gefängnissen. Die Angaben in den Papieren sind sowieso sehr widersprüchlich. Entweder wurden ihre Aussagen vom Beamten falsch ins französische übersetzt, oder sie hat nach "Bedarf" verschiedenes erzählt, um an die Rente zu kommen. Sie hatte 8 Kinder geboren, aber in jedem Papier wird eine andere Anzahl erwähnt.

Sinn machen würde: Von Günzburg in ein Gefängnis nach (vielleicht) Vorarlberg, entlassen, Pass verloren, erste greifbare "deutsche" Dienststelle Meersburg. Pass den Franzosen geschickt, dort versehentlich vernichtet worden, neuen in Mainz beantragt. Wenn ich es richtig deute, wurden die Gefangenen nach Mainz übergeben. Aber Russische Gefangenschaft in Österreich?

Nun habe ich keine Ahnung wie das damals gehandhabt wurde, googlen hat auch wenig geholfen.

Die Geschichte geht aber noch weiter:
1806 war sie also erst mal in Mainz, ist dann mit der Kutsche nach Straßburg gefahren (die Strecke von Landau nach Barbelroth ist bestätigt), wollte aber weiter nach Hohwiller. Die Rente von 61 Franc reichten ihr nicht, sie hatte einen Arm verloren, die andere Hand von einer Lanze durchbohrt, plus 22 andere Verletzungen, war auf eine Haushaltshilfe angewiesen. Vier Kinder hatten von einer Granate die Augen verbrannt. Sie beantragte mehr Rente. 1809 fuhr sie mit 8 Kindern (ältestes damals 14 Jahre alt) nach Paris. Nach einer Anhörung gewährte Napoleon persönlich 150 Franc, auszuzahlen an ihren Heimatort. Aber als man ihr diese Gewährung zustellte, war sie schon aus dem Hotel verschwunden. Da verliert sich die Spur.

Das Etat Civil in und um Hohwiller habe ich durch. Sie wird weder vor noch nach dem Kriegseinsatz mit Mädchen-, oder Ehenamen erwähnt. Auch ihre Kinder nicht. Da sie und die meisten ihrer Kinder nach 1805 schwer behindert waren, hat u.U. keiner mehr lange danach gelebt. Aber auch die Todesdaten sind nicht zu finden. Sie sprach kein Französisch, wollte unbedingt in Deutschsprachiges Gebiet.

Dem Hinweis von Herr Wollmershäuser sollte ich nachgehen. Eine Abschrift ihres Passes - falls KA so was aufbewahrt hat - würde 50 % meiner Fragen beantworten.

Das ist meine bisher härteste Nuss zu knacken:-))

Grüße aus der Pfalz,
Andrea

Hallo zusammen,

ich habe eine merkwürdige Sache, bei der ich einen Tip gebrauchen könnte:

Auf der Suche nach einer deutschen Frau in den Diensten Napoleons, die angeblich um 1780 in Hohwiller/Elsass geboren ist, habe ich bestätigten Hinweis, dass sie sich 1805 über den Präfekten in Mainz einen neuen Pass (alter Pass und Kopie war offenbar beide verloren gegangen) vom "Greffe des Grand Bailliage von Meerbourg, Grafschaft Baden" hat ausstellen lassen. Das müsste die "Kanzlei der Vogtei Meersburg" sein.

Hier der original Wortlaut des Schreibens übersetzt aus dem Französischen:
9. Januar 1807, Strassburg – Kopie eines Schreibens des 21. Juni 1806 des Préfet des Mont-Tonnerre, Herr Jeanbon Saint-André, in Mainz. Das Original wurde geschrieben nach einem deutschen Pass der am 24. Dezember 1805 vom Greffe des Grand Bailliage von Meerbourg (Grafschaft Baden) ausgestellt wurde.

Ich vermute, dass sie in Nothweiler/Pfalz geboren wurde, auch wenn sie in Hohwiller gelebt hat (da der Zusatz "bei Soultz" lautet). Hohwiller war nie deutsch.
Warum sollte aber ein Pfälzer über den Präfekten in Mainz einen Pass aus Meersburg anfordern? Vor allem, da ihre Reise nach Straßburg auch durch Landau-Barbelroth geführt hat? Hätte ein Pfälzer nicht auch woanders als in Mainz einen Pass bekommen können?

Oder ist diese Person gebürtig aus BaWü? Warum aber dann nach Mainz reisen?

Könnte mich jemand aufklären? Ich habe keinen Schimmer was das alles bedeutet.
Weiterleitung auf die BaWü Liste ist erwünscht.

Es grüßt,
Andrea Kindelberger

_______________________________________________
Pfalz-L mailing list
Pfalz-L@genealogy.net
pfalz-l - genealogy.net

Andrea Kindelberger

www.kindelberger.de
www.pfalzzauber.de
www.76891rumbach.de
www.landhaus-blumeneck.de

Hallo Andrea,

als Mainzerin besch�ftigt mich das Schicksal und R�tsel dieser Frau in Napoleons Diensten.

Warum k�nnte es nicht "einfach" so gewesen sein:
Napoleon k�mpfte in der Schlacht von G�nzburg letztlich ja erfolgreich, sie gelangte aber kurzzeitig in die Hand der Feinde ( �sterreich) und wurde dann von den Franzosen befreit und kam dann vermutlich mit weiteren franz. Truppenteilen nach Mainz. Als Hauptstadt des Departements Donnersberg war Mainz auch zust�ndig f�r die Pfalz und sie beantragte dort einen neuen Ausweis oder Herkunftsnachweis.

Die russische Gefangenschaft passt noch nicht ganz hinein, aber diese musste ja vielleicht auch nicht in Russland stattgefunden haben, wie auch die �sterreichische nicht im heutigen �sterreich.

Vielleicht hat sie ja auch in Mainz Spuren hinterlassen, wenn etwa eines ihrer Kinder in Mainz gestorben ist...

Gr��e aus Mainz
Martina (Schaefer)

Liebe Martina,
hallo an alle anderen interessierten.

Das Leben der Madeleine interessiert so viele (ich bekomme wirklich viel Hilfe zu ihr!), dass ich es noch mal hier ganz beschreiben möchte.

Madeleine oder Magdeleine hat 1805 schon 6 Kinder gehabt, das älteste um 1795 geboren. Sie war definitiv deutsch und im 7. Husarenregiment Napoleons als Cantinière oder Vivandiere beschäftigt. Ab 1793 bis zum 1.WK waren diese Frauen für die Soldaten überlebenswichtig, da die anfangs nicht von der Armee automatisch versorgt wurden. Sie mussten sich ihr Essen auf dem Feld selbst besorgen. Die Frauen, die heute häufig als mitreisende Huren abgetan werden, wurden von der Armee bezahlt und bekamen häufig Rente. Sie besorgten Nahrung und Schnaps, kochten und verkauften das an die Soldaten. Sie wuschen auch die Wäsche. Pro Einheit wurden eine gewisse Anzahl Frauen zugelassen. Sie heirateten die Soldaten, gebaren ihre Kinder dort, wo sie grade waren und griffen auch zu den Waffen, wenn es notwendig war. Sie trugen auch stolz die gleichen Uniformen und Farben des Regiments. Manche wurden in der Armee geboren und arbeiteten dort bis zum Ende.

Madeleine war mit einem Müller liiert, Heiratsdokumente fehlen. Er wurde bei der Schlacht von einer Kanonenkugel getroffen, sie und die Kinder auch. Vier wurden "geblendet", sie - schwanger mit Zwillingen - verlor den rechten Arm. Weil sie sich den Kosaken widersetzte wurde ihre linke Hand von einer Lanze durchbohrt, sie bekam einen Lanzenstich in Brust und Hüfte, zwei Schüsse in die Beine, fünf Säbelschläge am Kopf. Die Kinder und sie wurden angeblich in russische Gefangenschaft verschleppt, wo sie die Zwillinge zur Welt brachte. Eine andere Quelle sagt, die Kinder wurden im Leib getötet. Sie sagt, sie war in österreichischen Gefängnissen, wo man ihr den Arm amputiert hat.

Madeleine hat auch damals schon Eindruck hinterlassen. Marschall Kellermann soll sie persönlich mit seiner Kutsche abgeholt haben (wohl nicht aus Russland). Napoleon hat - 4 Jahre später und nach vielen Bittbriefen - persönlich die Rente aufgestockt.

Unvorstellbar wie unter damaligen Bedingungen eine Frau und ihre kleinen Kinder das überlebt haben sollen.

Aber sie hat und lebte noch 1809. Dort soll sie mit allen 8 Kindern in Paris erschienen sein :-)) Sie wollte nicht in Straßburg bleiben und unbedingt zurück in ihre Heimat Hohwiller. In den Büchern gibt es keinen Hinweis auf sie oder die Kinder.

Der Autor, der ein Buch über die Frauen in Napoleons Armee geschrieben hat, ist ebenfalls schwer beeindruckt von ihr. So wie ich und viele andere.

Möglicherweise kommt sie aus meinem Nachbarort. Ob die ihr allerdings ein Denkmal setzen wollen....?
Stammt sie aus dem Elsaß sind die Chancen dafür vielleicht größer :-)))

Ihre Geschichte revidiert das Bild der Frauen, die den Armeen gefolgt sind. Es wäre schön, wenn man mit diesem Einzelschicksal etwas dazu beitragen könnte.

U.U.war ihre Gefangenschaft im Raum Bodensee. Sie soll dort aber nicht befreit worden sein, sondern entlassen worden. Wenn das stimmt... Ein Experte für diese Zeit und Orte wäre hilfreich.

Ist es die Magdalena, die ich vermute, stammt sie aus Nothweiler. Ihre Eltern zogen nach Bad Bergzabern und wären dann 1815 schon tot gewesen. Einige ihrer Geschwister zogen nach Leiterswiller, neben Hohweiler. Der jüngste Bruder beging Raubüberfälle in Colmar und wurde zu lebenslangem Galeerendienst verurteilt, den er 1828 in Brest antrat. 1829 flüchtete er, wurde aber wieder gefangen. Ein paar Jahre später lebt er aber wieder im Elsaß bei der Familie und stirbt dort später.

Eine "interessante" Familie :-)))

Dank euch allen!!!!

Andrea

Hallo Andrea,

vielen Dank f�r Deine ausf�hrlichen und sehr interessanten Informationen zu Madeleine!
Wenn Du Hilfe brauchst im Mainzer Stadtarchiv, kann ich gern etwas f�r Dich nachschauen.
Die russische Gefangenschaft l�sst sich vielleicht auch so erkl�ren:
1805 k�mpften Napoleons Truppen nicht nur gegen �sterreich, sondern am 2.12. auch gegen Ru�land in der Schlacht von Austerlitz.

Dir viel Erfolg und Spa� bei der weiteren Recherche!
Martina

Hallo Martina,

Du hast hier Hilfe angeboten im Mainzer Stadtarchiv zu recherchieren. Evtl. kannst Du da f�r mich f�ndig werden. Meine Vorfahren stammen aus Rheinhessen -

- Johann Heinrich Pfeifer, * 1650/1656 , in Gau Algesheim , + 12.02.1731 in Dromersheim,
  1. Ehe oo 30.09.1680 mit Ottilia (Odihlia) F. Zimmermann, * ? Gau Algesheim + 09.09.1693 Dromersheim

2. Ehe oo 11.01.1694 in Dromersheim Maria Ottilia, geb. Berks, * ? Ockenheim, + ? Dromersheim

- Johann Heinrich, Zollpr�fekt in Gau Algesheim, * ?, + ?, oo vor 1650/1656 mit Anna Margaretha NN.

Vielen Dank

Edgar (Pfeifer)

Hallo Edgar,

soweit ich wei�, gibt es im Mainzer Stadtarchiv nur die Standesamtsregister der Stadt Mainz und ihrer Vororte von 1798 an und ebenfalls f�r diesen Bereich eine Kirchenbuchkartei f�r die Zeit vor 1798.
Hier http://www.mainz.de/WGAPublisher/online/html/default/stadtarchiv kannst Du selbst noch einmal nachschauen.
Da kann ich Dir leider nicht helfen.
viele Gr��e
Martina (Schaefer)

Hallo Edgar,
   wende dich an das Standesamt der Verbandsgemeinde Gau Algesheim in der
   Hospitalstr. 22 55435 Gau-Algesheim unter www.gau-algesheimvg.de oder
   an die Standesbeamtin Frau Hemmkeppler Tel. 06725-910226.
   Viele Gr��e
   Michael (Bartmann)

Hallo Michael,

hattest Du zu der Dame auch schon tel. Kontakt ?

Viele Grüße
Edgar (Pfeifer)

Gr�� dich Edgar,
   ich hatte an das Standesamt eine schriftliche Anfrage gestellt und
   bekam innerhalb einer Woche von Frau Hemmkeppler Fotokopien zu einem
   vertretbarem Preis zugestellt. Allerdings ging es bei mir um die Zeit
   1830.
   Viel Gr��e
   Michael
   Ich suche ROHLEDER aus Gau-Algesheim und BERNHARDT aus Kreuznach und
   Mainz

Hallo Michael,

danke für deine Info mit dem Standesamt, Gau-Algesheim. Ich habe von Frau Hemmkeppler einige brauchbare Infos bekommen, aber für mich leider nur die Mitteilung, dass die Unterlagen in Gau- Algesheim erst ab 1789 beginnen.

Mit freundlichem Gruß
Edgar (Pfeifer)