Masurisches Gesangbuch - endlich digital verfügbar

Hallo,

endlich ist es geschafft.
2011 wurde mit Unterstützung von Freunden angefangen, das Masurische
Gesangbuch von 1895/1906 digital aufzubereiten. Die Arbeiten daran mußten
von mir aus Zeitgründen mehrfach unterbrochen werden.

Nun liegt das Gesangbuch in masurischer Sprache endlich auch digital vor.
Siehe: schuka.net - Diese Website steht zum Verkauf! - Informationen zum Thema schuka.

Falls Sie Fragen zum Masurischen Gesangbuch haben erhalten Sie weitere
Informationen per ePost unter mailto:buch@Werner-Schuka.de

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schuka

http://www.Ostpreussen-NRW.de/Vortrag/

Hallo Herr Schuka,

ich finde es schön, dass man ein Stück der Kultur der masurischen Bevölkerung versucht zu bewahren. Eine Frage habe ich allerdings nach der intensiven Lektüre von "Masuren - Ostpreußens vergessener Süden" v. Andreas Kossert.

Ist das Gesangbuch, um das es geht, nicht einfach in polnischer Sprache gedruckt worden so wie viele Bibeln und GEbetbücher für die Masuren ? Wissenschaftlich gesehen gibt es wohl keine eigene masurische Sprache. Sie ist demnach eine Erfindung der deutschen Nationalisten, um nationalen Besitzansprüchen der Polen zu begegnen.
Auch in der ostpreußischen Landsmannschaft tat man sich schwer mit dem slawischen Kulturerbe. Alles was polnisch klang oder aussah, war verdächtig...
Masurisch kann man Mundart des Polnischen mit einigen deutschen und prussischen Elementen bezeichnen, die die überwiegend protestantische (!) und preußisch, später deutsch orientierte Bevölkerung als Alltagssprache gebrauchte. Polnisch war in Masuren bis etwa 1871 die Schulsprache an den Dorfschulen, die verbreitetste Kirchensprache. Daneben gab es in den Kleinstädten für die zugezogenen deutschen Honoratioren auch deutsche Gottesdienste und deutsche Gymnasien. Nach 1871 begann mit der rücksichtslose Germanisierung in Masuren das Verbot der polnischen Sprache in den Schulen, später unter den Nazis auch in der Kirche. Wer als Schüler damals masurischen DIALEKT in der Schule sprach, wurde vom Lehrer geschlagen.
Man kann das wirklich sehr gut alles bei Kossert nachlesen wie es war und dass leider nach Vertreibung und Eingliederung in die westdeutsche Gesellschaft auch noch der letzte Rest von der slawisch/polnisch ausgerichteten Kultur der preußisch/deutsch fühlenden Masuren verloren gegangen ist.

Schöne Grüße
Dietrich Klein

Hallo Dietrich Klein.

Andreas Kossert ist meines Wissens Historiker, aber - wie auch sein Buch über Masuren ausweist - kein Sprachwissenschaftler. Ihm fehlt jede Kennis darüber, wie teilweise oder ganz grenzübergreifende Dialekte von der Sprachwissenschaft eingeordnet werden. Grundlage dabei ist die auf der jeweiligen Seite der Grenze gesprochene Nationalsprache und da ist der Fall Masuren innerhalb Deutschlands nicht anders zu bewerten als der Fall eines niederdeutschen Dialekts in der niederländischen Grenzregion oder der der deutschen Dialekte im französischen Elsass.

Insofern regt sich Kossert fachfremd (also laienhaft) darüber auf, dass es die Bezeichnung "Masurisch" für den in Masuren einst gesprochenen polnischen Dialekt überhaupt gibt. Er ist aber sprachwissenschaftlich gerechtfertigt. Dies selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die masurische Bevölkerung den eigenen Dialekt "Polnisch" nannte und es auch außerhalb Masurens in Ostpreußen "Polnische Kirchen" gab, in denen auf Masurisch gepredigt wurde (in Königsberg beispielsweise am Steindamm). Insofern ist auch festzuhalten, dass das Gesangbuch, über dessen elektronischer Verbreitung man sich sehr freuen sollte, nicht "einfach in polnischer Sprache gedruckt worden" ist, wenn man hier unter "polnischer Sprache" die polnische Standardsprache meint. Es ist in "Polnisch", im Sinne von "Masurisch" gedruckt.

Die Masuren fühlten sich als Preußen bzw. später als Deutsche, genauso wie sich die Elsässer als Franzosen fühlten und fühlen, trotz ihres jeweiligen Dialekts, der auf die Nachbarnation verweist. Diese Tatsachen sollten kein Anlass zu nationalistischen Äußerungen und, im Zusammenhang damit, zu Unterstellungen von Germanisierungsversuchen (bzw. bei dem anderen genannten Beispiel zu Französierungsversuchen) sein! Selbstverständlich ist übrigens auch überall auf der Welt, dass der Schulunterricht überwiegend in der offiziellen Landessprache gehalten wird, denn dabei geht es um eine gemeinsame Grundlage für alle. Inwieweit dabei auch regionale Besonderheiten mit berücksichtigt werden sollten, liegt im Ermessen der jeweiligen Kultusverwaltung.

Schöne Grüße
Rolf-Peter

Hallo Herr Klein,

Ist das Gesangbuch, um das es geht, nicht einfach in polnischer Sprache

gedruckt worden so wie viele Bibeln und Gebetbücher für die Masuren?
Wissenschaftlich gesehen gibt es wohl keine eigene masurische Sprache. <<

Doch, es gibt eine solche!
Es ist richtig, daß die masurische Sprache ein altpolnischer Dialekt ist,
der seinen Ursprung in Masovien Hatte. Masovien bestand als selbständiges
Herzogtum bis 1526. Die Sprache hat in der damaligen Zeit jedoch eigene
Entwicklung genommen.

Dies kann man auch daran erkennen wenn man identische polnische und
masurische Texte vergleicht. Ein Beispiel: Im Kreis Johannisburg gibt es
einen Ort 'Bogumillen' Dieser geht auf eine alte msurische Schreibweise
zurück. Die Polen bezeichnen den selben Ort heute als 'Bogumily'.

Die Masuren waren Stolz auf ihre Abstammung und haben diese gepflegt.
Masuren und Polen hatten teilweise erhebliche Meinungsunterschiede. Dies
führte u.a. dazu, daß nach 1526 eine Bevölkerungswanderung aus Masovien in
den südlichen Teil Ostpreußens einsetzte.

Dies drückte sich auch im Ergebnis der Volksabstimmung von 1920 aus.
- Die Volksabstimmung am 11. Juli 1920
  http://www.schuka.net/Ostpreussen/Masuren/Abstimmung-1920.htm
- Masovia lebe, mein Vaterland! - Masurenbund Liederheft zum 11. Juli 1920
  Masovia Liederheft

Weitere Hinweise zu Masuren (Ostpreußen) und dem Herzogtum Masovien finden
Sie unter:
http://www.schuka.net/Ostpreussen/Geschichte/Masuren.htm

Es gab auch nur das Gesangbuch in masurischer Sprache. Eine Bibel gab es
'leider' nur in polnischer Sprache.

Masurisch wurde nicht nur in Mauren / Ostpreußen gesprochen, sondern auch im
Ruhrgebiet, bedingt durch die dort eingewanderten West- und Ostpreußen. Der
letzte Gottesdienst in masurischer Sprache wurde in Wanne-Mitte 1944
gefeiert: Siehe:
- Masuren in der Evangelische Kirchengemeinde Wanne-Mitte
  http://WWW.ODFinfo.de/FamFo\\Kirche\-Wanne\-Mitte\.htm
- Zuflucht tausender Ostpreußen: das Ruhrgebiet
  Zuflucht Ruhrgebiet

Noch ein Hinweis dazu: Meine Großmutter, *1888, +1941, sprach ihr ganzes
Leben nur masurisch und kein Hochdeutsch. Sie hat in der Schule in
Bogumillen http://www.schuka.net/Ostpreussen/KrJo/Ort/Broedau/
auch nur masurisch gelernt.

Ansonsten kann ich nur 'Rolf-Peter' in seiner Darstellung vollumfänglich
beipflichten (siehe unten).

Abschließend möchte ich noch auf eine Karte von 1341 verweisen, in der
Masovia unterhalb der Südgenze Ostpreußens dargestellt ist. Siehe:

Mit freundlichen Grüßen
Werner Schuka

Guten Abend Herr Schuka,

danke für Ihre Antwort !
Mir ging es vor allem darum, dass im Zuge der Germanisierung Masurens seit der Reichsgründung das slawisch - polnische Sprach - und Kulturerbe immer mehr zurückgedrängt und verleugnet wurde, besonders natürlich unter den Nazis seit 1933.

Guten Abend!

Ich würde empfehlen, mit "Germanisierungs"-Vorwürfen sehr vorsichtig zu sein. Sie gehören zum Repertoire sozusagen negativ-nationalistischer Kreise und betreffen in Ostpreußen nicht nur Masuren, sondern auch die Bewohner des nordsöstlichen Teils der Provinz, in dem sich noch Litauisches erhaltem hatte sowie das Kurische (auf der Kurischen Nehrung). Da wird in einer "wissenschaftlichen" Publikation sogar behauptet, das Litauische wäre nur deshalb zurück gegangen, weil in den Schulen Niederdeutsch [!] unterrichtet worden wäre. Eine sehr fantasievolle Behauptung, denn auch in dem früher "Preußisch Litauen" genannten Landesteil, wurde in den öffentlichen Schulen natürlich Hochdeutsch gelehrt, genauso wie in Masuren. Vor allem durch diesen Unterricht wurde das Masurische einerseits und das Litauische andererseits bei der jüngeren Generation zurückgedrängt - und zwar nicht im Sinne einer von oben gesteuerten "Germanisierung". Ich habe oben bereits begründet, warum die Unterrichtssprache hauptsächlich Deutsch sein musste.

Soweit zum Schluss in Ostpreußen noch Dialekte gesprochen wurden, waren das mitteldeutsche (im Ermland und im Oberland), hauptsächlich aber niederdeutsche Dialekte (grob gesagt an den Küsten, in Natangen, Barten und im sogenannten Ostgebiet). In der "modernen Zeit" ging der Dialektgebrauch generell zurück, betraf nicht nur die einst masurisch oder litauisch geprägten Landesteile, sondern auch beispielsweise sehr deutlich das Oberland. Was uns nach dem Krieg immer als "Ostpreußisch" in den Medien vorgestellt wurde, war reine hochdeutsche Umgangssprache im ostpreußischen Tonfall, gespickt mit einer Reihe von allgemein bekannten Kennwörtern wie "Lorbas" und "Marjellchen" (dies schon durch die Endung als nicht mehr reines Dialektwort - übrigens prußischer Herkunft - erkennbar).

Ich habe selbst teilweise masurische Wurzeln. Meine Uroma mütterlicherseits, die ich noch kennenlernen konnte, bevor sie 1943 starb, sprach neben Deutsch auch noch Masurisch und mein Opa mütterlicherseits (der ebenfalls 1943 starb) hat das Masurische wenigstens noch verstanden.

Ich finde auch den Hinweis von Werner Schuka auf einen masurischen Gottesdienst noch 1944 im Ruhrgebiet außerordentlich interessant. Dieser Gottesdienst dürfte nicht der einzige zur Nazizeit gewesen sein. Ironisch müsste man da wohl sagen: Die "Germanisierung" hat nicht sehr weit gereicht...

Schöne Grüße
Rolf-Peter