*Preu�isch-Litauen*
Chronik aus dem Memelland
/CHRISTOPH NEHRING/
Die Frage, die G�nter Uschtrin f�r den Titel seines Buches gew�hlt hat, "Wo liegt Coadjuthen?", taugt, RTL eine Million Euro zu sparen. Denn selbst mit Telefonjoker d�rfte es f�r G�nther Jauchs Kandidaten hier eng werden. Kaum einer wird den letzten ostpreu�ischen Ort vor der 500 Jahre stabilen Nordostgrenze der Provinz, jenseits der Memel, laut Shell-Stra�enatlas von 1939 exakt 32 Kilometer n�rdlich von Tilsit, geographisch zuordnen k�nnen.
�ber seine Heimat, den Spinnenwinkel Preu�isch-Litauens, hat Uschtrin mit Bienenflei� und peinlichster Sorgfalt zusammengetragen, was die Akten �ber die Lokalgeschichte vor allem w�hrend der Fr�hen Neuzeit verraten.
F�r das 19. und 20. Jahrhundert versammelt er hingegen in seinem vorz�glich mit Fotos und historischen Karten ausgestatteten Band vermehrt Exzerpte aus gedruckten Quellen. Die sprudeln ergiebig f�r jene Jahre, in denen Coadjuthen als Teil des 1919 durch das Versailler Diktat vom �brigen Reich abgetrennten "Memelgebiets" in die Welth�ndel geriet. Litauen annektierte 1922 die Stadt Memel und ihr Hinterland, ein v�lkerrechtswidriger Gewaltstreich gegen�ber den deutschen wie den "kleinlitauischen" Bewohnern der Grenzregion, den Uschtrin sowenig besch�nigt wie die Kownoer Unterdr�ckungspolitik bis zur Befreiung und Wiedereingliederung ins Deutsche Reich im M�rz 1939.
Breiten Raum nehmen Zeitzeugenberichte aus dieser "Litauerzeit" wie aus dem Kriegsalltag nach 1939 ein. Da die Memeler Landkreise im Oktober 1944 rechtzeitig vor der Roten Armee evakuiert wurden, bleiben dem Leser sonst in Ostpreu�ens Chroniken unvermeidliche Schilderungen sowjetischer Greuel erspart, nicht aber die Leidensgeschichten von Flucht, Vertreibung, Verschleppung, Heimatverlust. Als Vertreter der "sarmatischen" Literaturlandschaft, die man sonst mit den Werken Ernst Wicherts, Hermann Sudermanns oder Johannes Bobrowskis assoziiert, pr�sentiert Uschtrin den Sp�texpressionsiten und Kleist-Preistr�ger Alfred Brust (1891--1934), den ebenso wie Herbert Brust (1900--1968), den Komponisten des "Ostpreu�enliedes" ("Land der dunklen W�lder ..."), famili�re Wurzeln an Coadjuthen binden.
* *G�nter Uschtrin: Wo liegt Coadjuthen?* Die Geschichte eines
ostpreu�ischen Kirchspiels im ehemaligen Memelland, Berliner
Wissenschafts-Verlag, Berlin 2011, 530 Seiten, Abbildungen, 39 Euro
JUNGE FREIHEIT Nr. 25/11 | 17. Juni 2011