Lesehilfe Ort

Hallo zusammen,

mir geht es um den Zielort eines Andreas Rothenhäuslers, der 1604 aus
Altdorf (heute Weingarten) nach Freiberg im … wegzieht um dort Bürger
zu werden und sich deswegen aus der Leibeigenschaft vom Kloster
Weingarten entlassen lässt (Manumission).

Es ist auf der linken Seite 331 links oben zweite Zeile.
„Freyberg Jn …“ hinten raus lese ich „land“.

Kann das von Euch jemand entziffern?

Viele Grüße aus diesem Weingarten und danke,
Daniel (Oswald)

(Anhänge)


Sehr geehrter Herr Oswald,

Schon gleich hatte ich meine Zweifel ob es wirklich FreybErg und nicht statt dessen FeybUrg heißen könnte. Denn ich sehe am Wortende da so eine senkrechte Schlange, die meist einen U-Haken meint.

Dann wird vorn Bürgerrecht gesprochen, also muss es eine Stadt sein, jedes Dorf scheidet aus.

Ja, ich habe auch -landt gelesen.
Der Wortbeginn kam mir von Anbeginn an Komisch vor: Schaut aus wei ein St- Aber an anderen Stellen schreibt er das St- ganz anders.
Dann kam mir die Idee mit dem N- (statt St-) Ich fand kein ähnliches N- am Wortbeginn.
ABER ein ähnliches M- findet sich auf der rechten Seite, erstes Wort: Mein…
Also konnte ich von N- ausgehen.
Dann sind da noch die komischen zwei Punkte in der Wortmitte. Wann macht er zwei Punkte: mehrfach zu finden bei der Buchstabenkombination äu bzw. eu und natürlich bei y, was aber eine Unterlänge hat, die hier nicht existiert.
Also folgt daraus N-äu-cht-landt oder so ähnlich.
Schauen Sie hier:

Es handelt sich um Fribourg (Kanton und Stadt in der Schweiz), auf Deutsch: Freiburg im Neuchtland

Allzeit viel Forschererfolg wünscht nebst einem schönen Tag

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Peren

Ergänzung: siehe Wikipedia

Hallo Herr Peren,

das ist prima. Die Doppelpunkte für die Umlaute war mir jetzt auch nicht
mehr geläufig. Ursprünglich hatte ich „Neylandt“ o.ä. gelesen, wollte
aber den Anfang nicht benennen. Wegen dem Gegenlesen.

Bzgl. Bürger und Städte. Das stimmt grundsätzlich, dass es Bürger nur in
Städten gegeben hatte. Es gibt aber (wie fast überall) hier auch
Ausnahmen, z.B. Altdorf (Heute Weingarten, 88250) war in der Zeit, als
sie Bürger aufgenommen hatten, keine Stadt mehr, was aber vielleicht
noch mit früheren Stadtrechten (die Ihnen abgesprochen wurde) zutun
haben könnte.

Viele Grüße,
Daniel (Oswald)

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Hallo Herr Peren,

auch von mir noch ein Nachtrag in dieser Sache. In der Grafschaft
Sigmaringen wurden auch die neuen Einwohner in Dörfern, Weilern als
Bürger aufgenommen und als solche bezeichnet. Was aus den sogenannten
Gerichtsbesatzungen in der Frühen Neuzeit entnommen werden kann. Da gibt
es den passenden Spruch: „Andere Länder, andere Sitten“.

Viele Grüße,
Daniel (Oswald)

Sehr geehrter Herr Peren, lieber Daniel,

von mir auch noch ein Nachtrag in Sachen „Bürgerrecht nur in einer Stadt“:

Unter meinen Vorfahren vom Bodensee bis Vogt habe ich viele „Bürger und Bauer“, „Bauer mit Bürgerrecht“, „Bürger und Söldner“ und keiner von ihnen wohnte in einer Stadt. Es sind ganz verschiedene Orte vor und nach 1800, alle nicht in der Grafschaft Sigmaringen.

Fröhliches forschen und viel Erfolg wünscht

Monika Auchter

Guten Abend Herr Oswald,

Noch ein Nachtrag zur Lesart der Gegend:

In Anbetracht des Wikipedia-Artikels und der Doppelpunkte im handschriftlichen Dokument denke ich mittlerweile, dass die beste resp. Richtigste Lesart wohl „Nüechtland“ wäre.

Natürlich ist das nur eine Feinheit, die an Fribourg in der Schweiz nichts ändert, aber halt einfach damit man auch die beiden Punkte nachvollziehen kann.

Noch was habe ich dazu: Im Internet habe ich nichts Vernünftiges = Einleuchtendes als Erklärung zu „Nüechtland“ gefunden. Da ich mich ja auch sonst ein wenig mit Sprachgeschichte und Linguistik beschäftige, hat mich es natürlich gereizt, irgend etwas „plausibles“ zu diesem Regionalnamen durch Indizien herauszufinden, wobei das natürlich nur ein Spekulieren sein kann (= so könnte es sein), kein Beleg „so ist es“. Aber vielleicht ist es ja nachvollziehbar , was ich durch die Aussagen in verschiedenen etymologischen Wöbü, Sprachwörterbü da zusammengestellt habe.

Nüechtland erinnert schon sehr an das Wort „nüchtern“. Laut Schmeller (bayerisches Wöbu) ist ein „nüchtern Stück Brot“ ein übrig gebliebenes Randstück. → Randstück, übrig geblieben
Laut Kluge und Pfeifer dürfte „nüchtern“ mit dem lateinischen „nocturnus“ (Nacht) zusammen hängen. Im Kluge heißt es ferner (Zitat) Es ist […] nicht auszuschließen, dass ein [älteres] Erbwort sekundär an lateinisch „nocturnus“ angeglichen wurde.
Der Pfeifer führt in seiner Liste dazu auch mittelhochdeutsch uohte und uhte (ebenfalls mhd) zu „nüchtern“ auf und erwähnt, dass in einigen deutschsprachigen Landschaften daraus „Ucht“ geworden ist.
Der Schmeller geht auf das anlautende n- ggü dem fehlenden Vokal im Mittelhochdeutschen ein und weist dieses n- als aphärsierte (= durch Buchstabenausfall verkürzte) Präposition aus, welches sich an das originäre mhd Wort angeheftet habe und dadurch den Anschluss an lateinisch nocturnus ermöglicht habe.

Ich finde, das klingt so weit alles ganz plausibel, vor allem erklärt es auch den schweizerischen Landschaftsnamen, der sowohl mit N- als auch ohne diesen Buchstaben vorkommt.

Nur: es erklärt noch bei weitem nicht, woher dann das mhd uohte kommt. Die Erklärung „älteres Erbwort“ ist mir zu wenig. Aber eben bis genau hier sind die Deutungsversuche über die Sprachwissenschaftler belegt.

Spekulieren? Warum nicht. Ich habe eben schon auf das „übrig gebliebene“ bzw. „Randstück“ hingewiesen. Fribourg liegt in der Westschweiz. Damals an der Sprachgrenze zum Romanischen (heute ist Fribourg selbst französischsprachig, damals aber nicht). Sprachgrenze = Rand.
Westen = dort wo das Licht am Tag zuletzt verschwindet = übrig geblieben
Das Land, in dem man deutsch sprach, in dem das Licht am spätesten verschwindet. Wäre meine Theorie.

Erbwörter kämen aus noch älteren Sprachen, also z.B. Keltisch, Etruskisch, Vaskonisch. Wenn ich das o.g. Rand, bzw. Übrig bleiben weg lasse, finde ich im keltischen ein ähnliches Wort für Gipfel, Höhe. Aber das ist m.E. Nicht charakteristisch genug um namensgebend zu sein. Wenn ich mir die (recht flache) Geländeform vom Üechtland anschaue, dann finde ich, passt das ebenfalls ähnliche Wort „Brustkorb“ auch nicht. Und ob ich mit „Testament“ bzw. „Erbe“ irgend was Sinnvolles mit Üchtland verbinden soll können? Vielleicht ähnlich wie die Juden auf ihr gelobtes Land Israel als „Erbland“ pochen? Entsprechend „angestammtes Land“? Möglich, bin aber selbst nicht davon überzeugt. Im Vaskonischen finde ich nur ein ähnlich klingendes Wort mit der Bedeutung „Honig“. Jetzt müsste man überprüfen, ob das Üechtland innerhalb der schweizer Alpen besonders honigreich (= bienenreich) ist.

Kurz: alles nicht so recht überzeugend.

Eine gute Nacht wünscht

Alexander Peren