Lesehilfe erbeten

Hallo zusammen,
zur beigefügten Geburtsurkunde bitte ich bei zwei Punkten um Unterstützung.
a) als Geburtsdatum habe ich (umgerechnet) den 29.09.1803 gelesen, ist das Datum korrekt?
b) ich kann das unterstrichene Wort nicht entziffern. Ich lese:
… Wolf Müller xxx im Alter von …

Besten Dank vorab.

Günter (Bollenbacher)

Hallo Günter,
das Datum ist richtig, das richtig geschriebene frz. Datum muss 6 vendémiaire an XII heißen.
Der erste Zeuge hieß nicht Wolf MÜLLER, sondern Jacques WOLF = Jacob WOLF und war Müller …? in Hundheim. Mein frz. Mann kann das Wort auch nicht lesen. Ob es richtig geschrieben ist…?
In welchem Hundheim? In Deutschland gibt es mehrere linksrheinische Hundheim. Wo kann man die Standesakten der frz. Zeit einsehen?
Gruß aus Frankreich
Colette (Llorca)

Hallo Colette und Günter,

da vente= Wind könnte es „Windmühlen-Müller“ heißen.
Für die Umrechnungen vom französischen Revolutionskalender in den gregorianischen Kalender bietet sich folgender „Rechner“ an:

Viele Grüße
Helmut (Sittinger)

Hallo,

vielleicht war man sich mit dem Alter nicht sicher und es soll peutêtre heißen.

Nur so eine Idee.

Gruß
Bernd (Engelhorn)

Hallo,
herzlichen Dank für eure Beiträge.

@Colette
bzgl. des Datums habe ich auch vendémiaire und einen Schreibfehler in der Urkunde angenommen und ja, Jacob Wolf und (Beruf) Müller habe ich auch so gelesen.
Trotzdem wollte ich sicher sein, dass das auch so stimmt.
Zu Hundheim, es ist das in heutigen Kreis Kusel. Die Urkunde stammt aus:
Hundheim Standesamtsbelege zwecks Eheschließung Abschriften von Geburts- und Sterbeakten Volume: 629
Link: FamilySearch: Sign In

@Helmut
zu " da vente" muss ich leider passen. Ich lese petente (der erste Buchstabe ist ähnlich zu dem Wort père (vier Zeile darunter), allerdings habe ich bei etlichen Variationen des Wortes keinen sinnvollen Zusammenhang finden können)).
Danke für den Link zum Online-Kalender. Ich nutze schon lange einen „offline“- Kalender von Dieter Echterhoff.

@Bernd
Mir liegt die Heiratsurkunde von Jakob Kolter aus 1825 vor und darin wird sein Alter mit 23 Jahren angegeben, daher kommt das Geburtsdatum m.E. schon hin.

Danke noch einmal und
viele Grüße
Günter (Bollenbacher)

Vielleicht auch mal ein allgemeiner Hinweis hinsichtlich Rechtschreibung in der damaligen Zeit:

Man nahm es damals nicht ganz so genau mit korrekter Rechtschreibung denn es gab keine wirklichen Institutionen wie heutzutage, die festlegten und kontrollierten, wie Worte zu schreiben sind (wer ging schon so lange und intensiv zur Schule und lernte dies?). Und es gab auch keine wirklich verbindliche Umsetzung von Rechtschreib- und Grammatikregeln. Man war wohl auch manchmal froh, wenn es in den Verwaltungen genügend „Schreiber“ gab die einigermaßen gut schreiben konnten - vor allem auf französisch. Zudem war Papier teuer und einen Akt wegen falscher Rechtschreibung neu aufzusetzen quasi unmöglich.
Oftmals wurde geschrieben wie gesprochen - und in der Pfalz wurde nunmal pfälzisch gesprochen. Hinzu kommen die „Sauklauen“ der Schreiber. Damit konnte man natürlich auch mangelhaftes Rechtschreib- und Grammatikwissen verschleiern. Unterzeichnet: Dr. Krickel-Krackel
So meine unmaßgebliche Meinung :wink: - belegbar durch reichlich Civilstandsakten aus jener Zeit

Gruß
Ralf (Stutzenberger)

Richtig.
Am nächsten kommt Bernds Deutung des Wortes: „peteute“ = „peutêtre“.
Grüße
Helmut (Sittinger)

Hallo,
mit meiner Antwort auf den Beitrag von Bernd zum Datum habe ich mich vertan. Es ging ja um den ersten Zeugen Jacques Wolf und nicht um Peter Kolter.
Daher könnte die Interpretation von Bernd schon zutreffen.
Danke Bernd und Helmut

@Ralf
ja, das kann ich gut nachvollziehen und die „Sauklauen“ finden sich auch in den Kirchenakten. Daher schätze ich dieses Forum und die Expertise und Hilfsbereitschaft der Forenteilnehmer bei Unklarheiten oder Ungereimtheiten.

Viele Grüße
Günter (Bollenbacher)

Hallo Günter,
das gesuchte Wort heißt mit ziemlicher Sicherheit ‚patenté‘. Seit 1791 gab es in Frankreich vier neue Steuern (quatre vieilles). Eine davon war die Patente, die für die Ausübung eines Gewerbes gezahlt werden musste. In das linksrheinische Gebiet wurde diese Steuer übernommen als es Teil von Frankreich wurde. Ralf Stutzenberger hat schon darauf hingewiesen, dass die Französichkennnisse der dortigen, lokalen Beamten nicht immer die besten waren. Daher wohl die falsche Schreibweise.
Michael (Reidenbach)

Hallo Michael,
danke für Deinen Beitrag.
Bisher habe ich in einer Geburtsurkunde ein Wort mit dieser Sematik (=Steuer) noch nie gesehen. Es bezieht sich ja offensichtlich auf das Müller-Gewerbe des Jacob Wolf - es ist für mich trotzdem ungewöhnlich.

Viele Grüße
Günter (Bollenbacher)

Hallo Günter,

um das zu verstehen zitiere ich aus einer Statistik aus der Zeit um 1800 aus Frankreich. In einem Canton des Department Hérault waren von 3.759 Einwohnern 97 der Patentsteuer unterworfen, wovon 4 Müller waren. Diese Steuer zu bezahlen und damit auch die Gewerbeerlaubnis zu erhalten war also eine Auszeichnung, ein Titel mit dem man sich schmückte. Auch bei uns würde um diese Zeit ein Meister eines Berufs als Pate als solcher erwähnt werden. Außerdem waren mit der Steuerzahlung auch Rechte bezüglich der Wahl von Senatoren u. ä. verbunden. Da kenne ich aber nicht richtig aus.

Viele Grüße
Michael (Reidenbach)

Hallo,

auf dieser Seite findet man den Begriff „ meunier patenté“. Wenn man den Satz mit Google übersetzt kommt „lizenzierter Müller“ heraus.

https://sahs-soissons.org/archives/commerce-et-industrie/

Gruß
Bernd (Engelhorn)

Guten Morgen,

die St. Wendeler Notariatsakten waren die ersten Jahre von 1798 noch auf in deutscher Sprache.

In einem Akt heißt es wörtlich: „Franz Karl Hauck, patentisirter Müller aus der Felsenmühle“

Landesarchiv Saarbrücken, Notariat St. Wendel, Notar Roechling, Akt 11 vom 17.12.1798 =28. Frimaire 7:
Franz Karl Hauck, patentisirter Müller aus der der Felsenmühle, erklärt, dem Anton Ruffetti, patentisirter Gastwirth in St. Wendel, noch 84 Gulden 45 Kreuzer schuldig zu sein.

Im gleichen Jahr im Akt 72:
"Philipp Friedrich Stumm, Fabrikant, und sein Bruder Ferdinand Stumm, Eisenfabrikant in Asbach, Canton Herrstein, vermög seines uns vorgezeigten Patents vor der Municipalität Herrstein unterm 10. Germinal letzthin“

Das betraf auch den Notar selber, hier den gleichen ein Jahr später:
„Vor uns unterschriebenem öffentlichen Notaire des Canton St. Wendel, im Saar Departement, angestellt im Wohnsitz zu St. Wendel, patentisiret durch die Municipalitaet St. Wendel am 24. Germinal siebten Jahres, in zweiter Classe gegen 22 Francs, sub Numero 29 ihres Registers“

Mit freundlichen Grüßen

Roland Geiger

Hallo,
danke für eure Beiträge.
Bei meinen Übersetzungsvariationen war auch „patenté“ dabei, jedoch konnte ich mit der von Google u.a. angebotene Übersetzung „patentiert“ nichts anfangen.
Mit den Erklärungen von Michael, Bernd und Roland macht die Übersetztung in lizenzierter/konzessionierter Müller m.E. am meisten Sinn.

Viele Grüße
Günter (Bollenbacher)

Hallo Günther,

was mal wieder zeigt, dass auch Frau Google nicht perfekt ist.
Ich habe das Glück eine Bekannte aus der Schweiz zu haben, die u.U. auch die älteren Varianten der Französischen Sprache versteht. Natürlich nicht alles.
Besonders interessant ist es dann im Englischen - denn dort existiert in alten Schriften ein teilweise völlig anderer Wortschatz da sich das Englisch aus unterschiedlichen Einflüssen (zB auch Normannisch) zusammensetzt. Meine Frau lebte eine zeitlang in GB und hat auch dort ihr Abi gemacht. Da lernte sie so einiges an Backgroundinfos.

Gruß
Ralf

Hallo Ralf,
meine Beobachtung beim Übersetzen von alten Handschriften, gleich in welcher Sprache, ist zunächst die Worte richtig zu verstehen. Häufig gibt es dabei Probleme weil Worte nicht „korrekt“ niedergeschrieben sind (warum das so ist, ist verständlich und kann dabei außer Acht bleiben). Ist diese Hürde überwunden, können die verschiedenen Übersetzer und Wörterbücher (Google, Deeple, cc,…) weiterhelfen.
Hier im Forum gibt es dankenswerterweise immer Hilfestellungen den Text zunächst „richtig“ zu lesen und dann auch zu übersetzen.
Eine persönliche Erfahrung machte ich bei der Übersetzung einer alten Heiratsurkunde, zunächst in unsere „heutige“ Schrift und dann diese Übersetzung mit der „alten“ Wortwahl ins Englische für einen amerikanischen Verwandten, für mich eine interssante Erfahrung.

Viele Grüße und eine schöne Weihnachtszeit.
Günter