LEIBEIGENSCHAFT-Nachtrag

In einer eMail vom 25.08.2005 09:27:50 Westeuropäische Sommerzeit schreibt
johannes.witt@gmx.net:

Gutszugehörige sind in den Kloster-, Kirchen- und Dominalgütern
anzutreffen.
Sie waren zwar dem Grundherren zu gewissen Dienstleistungen im Rahmen der
Festeverträge verpflichtet, waren sonst aber frei und konnten jeder Zeit
ihren Wohnsitz nach Gutdünken verändern.

Hallo Johannes,

vielen Dank für die Ergänzung. Somit wäre die Situation in SHO einigermaßen
differenzierend geklärt.
Dass es anderswo in Deutschland anders sein konnte, zeigt mir der *Freibrief*
meines Ahnen Johan Caspar Peistrup im Fürstbistum Osnabrück, der mir leider
erst jetzt wieder eingefallen ist:
In diesem Brief bezeugt die Äbtissin Ernestina von Wesseler des katholischen
Nonnenklosters St.Gertrudenberg dem *eigenbehörigen Knecht Johan Capar
Peistrup von unserer eigenbehörigen Peistrups Stette in Sankt Catharinen
Kirchspiel.....von dem Leibeigenthumb .....auf sein inständiges demütiges Ansuchen frey,
ledig und loßgelassen* zu haben im Jahre 1749.
Es handelte sich um einen sogenannten überzähligen Sohn des Hofes Peistrup,
der dem Kloster allenfalls zu Handdiiensten verpflichtet war. Dies mag die
Freilassung begünsitg haben. Dem hofaufsitzenden Vater (oder Bruder) dürfte das
unmöglich gewesen sein, denn er war außer zu den Naturalabgaben auch zu
Fuhrdiensten und Pflugdiensten mit Pferden oder Ochsen verpflichtet. Der Freigelassene
musste allen Ansprüchen an den elterlichen Hof entsagen.
Er heiratet auf eine Torschließer-Pächterstelle in der Osdnabrücker Landwehr.
Er wurde somit städtischer Untertan, seine Kinder konnten nach einer
Handwerkslehre das Bürgerrecht von Osnabrück gewinnen.

Diese Beispiel wiederlegt eigentlich meine bisherige Äußerung, dass in
Westfalen/Niedersachsen die kirchlichen Grundherrschaften weniger restriktiv
schienen als die rittergütlichen.
Warum auch, steckte doch die christliche Orthodoxie kulturell-ethisch noch
fast im Mittelalter? Da war es wohl geschichtlich zwangsläufig, dass eine
französiche Revolution kam und europaweit Reformen zur Folge hatte, und in Westfalen
und anderen französisch *befreiten* Gebieten der Code Napoleon eingeführt
wurde. Das dies mit kriegerischer Gewalt und in diesem Fall bis nach Russland
durchgesetzt werden sollte, ist natürlich der klassische Fehler aller
Weltverbesserer. Die Rückschläge blieben bis in die junge Geschichte nicht aus.

Viele Grüße aus Hamburg
Hans-Peter