Leibeigenschaft in Ostpreußen...?

In den Beiträgen über Awizio in Kutten, Kreis Angerburg, wird bezug genommen
auf Leibeigenschaft und Gutsuntertänigkeit in (Ost-)Preußen. Grundsätzlich
möchte ich dazu anmerken, daß es sich in Preußen rechtlich niemals um
Leibeigenschaft wie in Rußland gehandelt hat. Bauern konnten hier niemals verkauft
werden wie Sklaven.

Es gab in Preußen allerdings die sogn. Gutsuntertänigkeit der Bauern.
Hierbei muß man unterscheiden die adeligen Güter mit Patronatsrecht und eigener
Gerichtsbarkeit und dem königlichen Besitz, der den Domainenämtern unterstellt
war. Auf beiden Arten von Grundbesitz gab es gutsunterthänige Bauern, die
einerseits ziemlich genau definierte Pflichten, sogn. Scharwerk, abzuleisten
hatten, andererseits aber auch durch die Fürsorgepflicht des Grundherren eine
relativ abgesicherte Position hatten. Die erbunterthänigen Bauern saßen in der
Regel auf etwa einer Hufe Land (etwa 15 ha), bekamen als Erstausstattung
Saatgut, Möbel, Werkzeug, Vieh und Wohnung gestellt, hatten das Land ordentlich zu
bewirtschaften, um sich davon zu ernähren, führten dafür einen sogn. Zins an
den Grundherrn ab (früher in Naturalien, später in Geld) und hatten darüber
hinaus an in der Regel genau festgelegten Tagen für den Grundherren auf
dessen Besitz genau definierte Arbeiten zu erledigen (sogn. Scharwerk). Wenn z.B.
nach einem Brand beim Bauern das Haus neu erbaut werden mußte, hatte der
Grundherr Baumaterial zu stellen und für die Bauleistung des Bauern diesem sogn.
Freijahre zuzugestehen; nach Mißernten wurde Saatgut neu ausgegeben oder der
Zins erlassen. In der Regel wurde einem fähig erscheinenden Sohn nach dem
Tode des Bauern die Bauernstelle weitergegeben. Wenn jedoch ein Bauer sich als
unfähig erwies, das ihm zugewiesene Land ordentlich zu bewirtschaften, er aus
eigenem Verschulden sich nicht ernähren und keinen Zins abliefern konnte, war
der Grundherr seiner Fürsorgepflicht entbunden und konnte die Stelle neu
besetzen.

Auf dem königlichen Land wurden die erbunterthänigen Bauern von dafür
zuständigen Amtmännern und den Verwaltungsbeamten des Domainenamts sehr fair
behandelt. Wenn Amtmänner sich durch Mißbrauch ihrer Rechte zu bereichern suchten,
zog das empfindliche Strafen nach sich. Bereits ab 1777 ging man in
Ostpreußen auf speziellen königl. Befehl dazu über, den erbunterthänigen Bauern auf
königl. Domainenland das von ihnen besessene Land gegen höhere Steuern zum
Eigentum zu überlassen und die Scharwerksdienste aufzuheben. Es gab aber ganze
Dorfschaften, die lieber in der Erbunterthänigkeit verblieben, weil es ihnen zu
risikoreich erschien, ganz und gar auf eigene Rechnung zu wirtschaften.
Andererseits haben sich in einigen Fällen auch einzelne ehemals erbunterthänige
Bauern durch tüchtiges Wirtschaften und auch taktisch kluges Zukaufen (freies
Bauerneigentum konnte beliehen werden!) zu recht ansehnlichen Betrieben
hochgewirtschaftet. Wenn man die diesbezüglichen Akten im GStAPK zu einzelnen
Regionen durchsieht, kann man nachvollziehen, wie sich aus ursprünglich völlig
gleich verteilten Grundbesitz (alle erbunterthänigen Bauern eines Dorfes hatten
in der Regel exakt die gleiche Fläche von mehr oder weniger 1 Hufe) nach
einigen Jahrzehnten ein ganz neues Bild an Besitzverteilung ergibt.

Die Erbunterthänigkeit stand in sehr schlechtem Ruf. Die unfreien Bauern
galten nichts. Kein Abkömmling eines Köllmers (also freier Bauer, der seinen
Grundbesitz zu freien Rechten, vererbbar, beleihbar und verkaufbar besaß) hätte
jemals in eine erbunterthänige Bauernfamilie eingeheiratet. Der schlechte Ruf
ist allerdings auch durch Mißbrauch der Rechte durch einzelner adelige
Grundbesitzer entstanden, die ihre Fürsorgepflichten vernächlässigten, unzulässige
Scharwerkstage ansetzten, ihre Bauern so mit Fremdarbeit belasteten, daß sie
die ihnen zur Selbstversorgung überlassenen Acker nicht ordnungsgemäß
bestellen konnten, die Bauern mit dem Zins in Rückstand kamen und nicht selten
einfach bei Nacht und Nebel flüchteten, um irgendwo in einer Stadt als Tagelöhner
unterzukommen. Die adeligen Grundbesitzer ließen diese entwichenen Bauern
verfolgen und stritten sich in Einzelfällen sogar mit den Städten, die solche
Fremden aus unklarer Herkunft aufnahmen und der Jurisdiktion des Gutsherren
entzogen.

Ab 1806/07 wurde vom preußischen Staat unter der Federführung der Minister
Hardenberg und vom Stein die Reformen eingeleitet, die dann, wie ich finde
recht idealisierend, als Bauernbefreiung bezeichnet wurden. Wie schon auf dem
staatlich/königlichen Land mußten nach diesen Reformen auch die adeligen Güter
die bisherigen Formen der Erbunterthänigkeit aufgeben. Die Bauern erhielten
gegen eine höhere Abgabe ihr Land zu Eigentum, in einigen Fällen zog sich die
Umwandlung und Abzahlung über einige Jahrzehnte hin. Wie schon ab 1777 auf
königlichem Land kam nun auch auf ehemals unter Gutsherrschaft stehenden Dörfern
eine rigorose Umverteilung des Besitzes in Gang. Innerhalb weniger Jahre
konnte viele der neuen freien Bauern ihren Besitz, sei es durch
selbstverschuldete Mißwirtschaft oder durch unglückliche Umstände, nicht halten und
verkauften weiter. Oder durch Generationenwechsel änderten sich die Verhältnisse und
eine Wittwe verkaufte oder jemand suchte sein Glück in der Stadt... usw. Es
entstanden viele bürgerliche Gutshöfe oder Großbauern, kleine Besitze wurden
zusammengekauft und viele Menschen wanderten in die wachsenden Städte ab. Als
Ersatz für die fehlenden Arbeitskräfte wurden Wanderarbeiter aus den
russischen Nachbarländern angeworben (bis zum Ende des Zarenreichs hatte Ostpreußen
ausschließlich mit Rußland eine gemeinsame Grenzlinie). Die Landwirtschaft und
die Anbaumethoden intensivierten und professionalisierten sich, die Erträge
wurden gesteigert und es entstand der Ruf Ostpreußens als sogn. Kornkammer
Deutschlands...

Das kann keine vollständige und umfassende historische Darstellung der
Entwicklung sein. Ich wollte nur einige Anregung geben, sich bei Bedarf mit dem
Thema tiefer auseinanderzusetzen und die historisch falschen Annahme von
Leibeigenschaft in Preußen klarstellen. Ich hoffe, es hilft den daran
Interessierten weiter. Bei Bedarf gebe ich gerne eigene Erfahrungen aus einschlägigen
Archivquellen weiter oder gehe auf einzelne Fragen tiefer ein.

Grüße aus Berlin

Viktor Haupt

Hallo

So farmers came to East Prussia in the Mid 1700s'.Is there a film or where would the records
   for this be located?I am looking for my relatives in East Prussia.I can not find them past
   1794.They may have come there from some place else.

Thank You
  David P. Manthei