Liebe Irmgard,
vielen Dank - das Hoefig-Biogramm ist wirklich weiterführend und so bisher in der Forschung nicht bekannt (bisher nahm man immer Todesdatum 1939 an) - so bin ich übrigens auch auf die Mailingliste gestoßen!
Bisher war man immer davon ausgegangen, Hoefig sei in Dachau umgekommen. Zu Hoefig gibt es in polnischer Sprache noch mehr bei Monika Kucner, Literatura "ziemi obiecanej" Twórczosc... Lodz 2014 [Die Literatur des "Gelobten Landes". Das Schaffen der deutschsprachigen Lodzer im 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts] - das ist eine germanistische Lodzer Habilitationsschrift über die Werke und Literatur von deutschsprachigen Lodzern. Kucner schreibt auch regelmäßig Artikel in deutscher Sprache, vor allem über den Journalisten Carl Heinrich Schultz. Ich sehe sie wahrscheinlich nächste Woche und frage sie noch einmal wg. Hoefig.
Die Beiträge von Hoefig in den deutschen Zeitungen hatte ich teilweise gelesen.
Woher wisst Ihr eigentlich, dass Hoefig 1939 "seine Artikel in Polnisch" veröffentlicht hat? Und wo war das? Wenn Du mir die Nachweise schickt, kann ich das gerne nachprüfen, viele polnische Zeitungen sind ja digitalisiert (oder ich frage bei der Lodzer Wojewodschaftsbibliothek nach). Es kann aber sein, dass er das nicht mehr unter seinem eigenen Namen gemacht hat...
Überhaupt ist die "Neue Lodzer Zeitung" als Sensorium für die Lodzer Deutschen interessant: eigentlich liberal, nach dem Tode der Hg. in den späten 1920ern schwankend, hier einige Fragmente aus meinem Manuskript (bisher gibt es 150 Seiten, ich schreibe gerade an den Kapiteln zum Zweiten Weltkrieg):
"Deutschsprachige Unternehmer, Handwerker und die Presse pflegten die traditionellen Beziehungen mit dem jüdischen Bürgertum, in der "Neuen Lodzer Zeitung" erschienen historisch fundierte Beiträge von Philip Friedman (1901-1960), der an der "Gesellschaft für Jüdische Mittelschulen" (poln. Towarzystwo Żydowskich Szkół Średnich) und an der "Freien Polnischen Hochschule" unterrichtete und in Wien promoviert hatte." Friedman ist später in New York Begründer der Holocaust-Forschung.
"Publizistisch unterstützten auch bis dahin liberale deutschsprachige Lodzer Medien zumindest zeitweise die völkische Bewegung unter den Lodzer Deutschen. Die "Neue Lodzer Zeitung", die mit dem Untertitel "Die älteste, größe und verbreiteste deutsche Tageszeitung in Polen" erschien, steuerte in den Jahren 1934-1937 ebenfalls in die Richtung einer völkischen Erneuerung. In der Sonntagsausgabe erschien jeweils eine Beilage "Deutsche Erneuerung. Wochenbeilage für völkische Belange der Gegenwart", in der kulturell-nationale Entwicklungen im nationalsozialistischen Deutschland tendenziell positiv vorgestellt wurden. So wurde in einem anonym erschienenen reflektierenden Beitrag unter dem Titel "Die Heimatlosen" die bisherige fehlende Einbindung der Arbeiter in die Gemeinschaft kritisiert: "Pflicht ist es, diesen Menschen eine Heimat zu geben. Können wir ihnen gleich keine Scholle geben, können wir sie nicht der Erde zuführen, so wissen wir doch um eine letzte Heimat, die jedem Deutschen offenstehen sollte: das ist die Gemeinschaft, das ist der Sozialismus unserer deutschen Art." Eine deutliche Anlehnung an nationalsozialistische Ziele, so könnte man den Beitrag lesen.
Im Jahre 1937 erschienen diese Ziele nun aber der Zeitung "verführerisch" und "gefährlich", gerade weil sie auch die Lodzer Deutschen zu radikalisieren drohten: "Es leben in der Volksgruppe Vorstellungen, die an sich verführerisch schön wirken mögen. Sie sind deshalb so ungeheuer gefährlich, weil sie die Eigenart haben, uferlos immer weiter fortgetrieben und immer weiter ausgesponnen zu werden. [.] Niemand weiß heute mit Bestimmtheit zu sagen, ob das, was heute hinter uns liegt - bereits als Revolution angesprochen werden kann: als Revolution im anständigen neuformenden, neugestaltenden und hernach konservativ bauenden Sinne. Klar ist, daß zunächst die rein völkischen Lebenskräfte zum Aufbruch getrieben worden sind, daß die nationale Erhebung Tatsache geworden ist. Ob zugleich, Hand in Hand mit der nationalen Erhebung auch die völkische Neuordnung aller unserer gesellschaftlichen Kräfte erfolgt ist, wagen wir zu bezweifeln."
Der von mir erwähnte Ludwig Radke hatte übrigens in seinem Nachlass, der heute in der UB Lodz liegt, eine ganze Reihe von Ausschnitten aus der "Neuen Lodzer Zeitung", u.a. viele Beiträge von Hoefig und Friedman, gesammelt.
Beste Grüße aus Warschau (ich bin noch bis Ende September weitgehend in Warschau und Lodz und schreibe dort an meinem Buch)
Hans-Jürgen
Prof. Dr. Hans-Jürgen Bömelburg
Historisches Institut / Osteuropäische Geschichte
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