Kriegsbelastete Vergangenheit (Flucht / Vertreibung / Integration)

Die anschauliche Schilderung von Hans-Jürgen Wertens stimmt
nachdenklich. Das Thema 'Kriegsbelastete Kindheit' beschäftigt
auch mich (Nicht-Vertrieber, Nicht-Flüchtling, * 1937) seit der
Nachkriegszeit.

Vor allem die Wiedergabe von Veröffentlichungen der Vertriebenen-
verbände (z.B. im 'Ostpreußenblatt') dank Inge Barfels, war für mich
Veranlassung, inzwischen zahlreiche Texte auf meine Internetseite
AHNEN-NAVI zu übernehmen. Siehe:
http://ahnen-navi.de/viewforum.php?f=323

Inhalte u.a. Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den
Gebieten östlich der Oder-Neiße. / Zeugnisse von Flucht und Vertreibung
der Deutschen. / Rettung über See. / Das Gefühl, gerettet zu sein. /
Lebensgeschichten / Lebensbedingungen. usw. usw.

Damit möchte ich vor allem interessierten (nur jüngeren ?) Zeitgenossen
sowie "Ahnungslosen" die Möglichkeit eröffnen, sich zu informieren.

Dieter Sommerfeld, Hamburg

Wenn ich das richtig verstehe, geht es bei dem neuen wissenschaftlichen Projekt, das hier in Rede steht, um psychische und medizinische Belastungen, die diejenigen zu ertragen hatten, die Flucht und Vertreibung miterlebt haben. Daneben geht es um die Frage, ob sich diese Belastungen teilweise auf Nachkommen auswirken. Dies Projekt sollte nichts mit erst in der Nachkriegszeit erzeugten (politisch bedingten) Schuldgefühlen zu tun haben. Es sollte auch nichts zu tun haben mit dem Versuch, sich einen Lebensunterhalt damit zu verschaffen, indem man den Leuten Schuldgefühle wieder "abtrainiert".

Ich habe die Flucht und die Ereignisse zu Kriegsende selbst erlebt. Meine "Feuertaufe" im direkten Beschuss erhielt ich mit 4 Jahren und einem Monat. Schon damals lernte ich, in Deckung zu gehen, wenn die Kugeln pfiffen. Natürlich hatte das damals Erlernte und hatte der Bombenhagel in den Folgemonaten seine Nachwirkungen. Zum Glück wurde all das nach Kriegsende durch meine Verwandtschaft aufgefangen, so dass ich die Erlebnisse sehr bald bewältigen und nüchtern und angstfrei betrachten konnte. Trotzdem besteht natürlich die Möglichkeit von sozusagen Belastungsrückständen, die in einem wissenschaftlichen Projekt untersucht werden könnten.

Rolf-Peter

Liebe Freunde - Freya, Dieter, Hans-Jürgen usw. - danke für diese Info. Ich
denke, auch mein Schicksal könnte für die Wissenschaft interessant sein,
aber als noch aktiver Ostpreuße - morgen geht es zum Treffen nach Rostock! -
habe ich dafür keine Minute Zeit, bin schon deshalb wohl auch kein gutes
Objekt für die Experten.

Zum Thema aus meiner Sicht: auch beim UKE in Hamburg lief vor einigen Jahren
ein ähnliches Forschungsprojekt. Ich hatte mich dazu gemeldet, war aber wohl
mit meiner Krankengeschichte nicht interessant genug. Die ging so: geboren
1938, gesund bis zum Beginn der Flucht am 1.8.1944 (aus der Gegend von
Schirwindt), die neunjährige Schwester ist in Pommern gestorben, Fluchtende
1945 im Dezember in Berlin im Fichtebunker. Im Januar 1946 erste
Hüftbeschwerden in einer SBZ-Klinik diagnostiziert, von 1948 bis 1954
eingegipst, danach eine weitere Flucht (vor dem Sozialismus), kein
Schulabschluss, späte Lehre und weiterbildende Schule, dann über vierzig
Jahre am "Reißbrett ff.", zwei gescheiterte Ehen, durch Prozessbetrug arm
geworden. Ein Lichtblick: dank Gorbi bekam ich vor vielen Jahren als quasi
"Reparation" eine russische Medizinerin zur Ehefrau, dazu viele Kontakte in
die Föderation. Trotz meiner Invalidität bin ich in meiner Vergangenheit -
auch nach einer dreijährigen Phase als Kliniktester - wieder regelmäßig als
Selbstfahrer in Ostpreußen unterwegs. Ein Ergebnis findet man unter
http://wiki-de.genealogy.net/Lasdehnen im Kapitel Wolfskinder. Für Elli
Hartwig ebenso wie für die Kulturarbeit in Krasnosnamensk (Übersetzungen wie
Johanna Ambrosius ff. in die russische Sprache) gibt es bei meiner Bank hier
auch ein Spendenkonto.

Quintessenz: weil auch der damalige Reichsbund der Meinung war, dass meine
Invalidität eine Folge des Krieges wäre, haben wir in den 60er Jahren eine
Klage im Hinblick auf einen Kriegsfolgeschaden geführt. Im Ergebnis hat das
Landessozialgericht Celle festgestellt: es war kein Kriegsfolgeschaden,
sondern eine schicksalhafte Erkrankung. Zu dem Ergebnis waren die Gutachter
nach dem Studium der acht verschiedenen Diagnosen gekommen...

So viel im Moment. Ich würde mich natürlich freuen, wenn in der Sache für
andere Leidensgenossen etwas Positives bei dem Vorhaben heraus kommt.
Grüße an alle - Martin Kunst

Guten Morgen,

an alle Interessierten, die sich mit den Folgen des Krieges und Flucht
beschäftigen.
Nur eine Ergänzung: Die Erlebnisgeneration hat/konnte die Verarbeitung der
seelischen Wunden nicht bearbeitet. Das zerbombte, hungernde Deutschland
mußte aufgebaut werden. Die Wohnungsnot war sehr groß. Dann kamen viele
weitere "Ablenkungen" wie die Fresswelle, Autokauf, Urlaubsreisen und
....Außerdem war das Kratzen an der Bewusstseinsschwelle unbekannt bis
verpönt. Ich habe meine Mutter 2 Jahre bekniet, unsere Fluchtgeschichte
aufzuschreiben. Eine einzige handschriftliche Seite hatte sie geschafft, es
war die Unterbringung auf dem Land in Prökuls als Memel zerbombt wurde und
die Nachricht vom Bauer, Mütter mit Kleinkinder haben Memel am 1.8.1944
sofort zu verlassen.
Wie schon in den vorherigen Mails beschrieben, werden Traumata, die nicht
bearbeitet/verarbeitet werden, werden generationenübergreifend über mehrere
Generationen weitergegeben. Das Teuflische an dieser Weitergabe ist, es
wandelt sich stets, wie ein Chamäleon und kommt mit einem neuen Gesicht in
die Bewusstseins Ebene. Es liegt auf der Hand, in den nächsten Generationen
wird es immer schwieriger den Ursprung der Leiden aufzudecken und zu
bearbeiten.

Herzliche Grüße

Ma-Ria&Hans-Jürgen

Guten Morgen,

bei der Studie geht es nicht um die Betroffenen selbst, sondern darum, ob die traumatischen Erfahrungen der Erlebnisgeneration gesundheitliche Folgen auf die Umgebung, z.B. Kinder und Ehepartner haben und ob dies genetisch weitergegeben und somit nachweisbar ist.

Dabei spielen wohl Diabetes, Übergewicht, Depressionen und mangelhafte Stressbewältigung eine Rolle.

In der Ausgabe der "Osteroder Zeitung" der Kreisgemeinschaft Osterode/Ostpr. vom Mai 2018 (Folge 129) wird diese Studie vorgestellt und um Mitwirkung gebeten. Hier noch einmal der Kontakt:

Prof. Dr. med. Michael Deuschle, Leiter der AG Stressbezogene Erkrankungen J5, 68159 Mannheim

cello@zi-mannheim.de

Bei Fragen kann man sich sicher an das Institut wenden.

Viele Grüße

Freya Rosan