Hallo habe in einem alten Familienstammbuch folgende Eintragung bei Taufpate gefunden:
Anton Eibner, Kirchvater, hier
was für ein Beruf/Stand war das Kirchvater oder was bedeutet es?
danke für die Antworten
gruß Olli
Hallo habe in einem alten Familienstammbuch folgende Eintragung bei Taufpate gefunden:
Anton Eibner, Kirchvater, hier
was für ein Beruf/Stand war das Kirchvater oder was bedeutet es?
danke für die Antworten
gruß Olli
-------Original-Nachricht-------
Anton Eibner, Kirchvater, hier
was für ein Beruf/Stand war das Kirchvater oder was bedeutet es?
Sehr geehrter Herr Sch�ttker,
Sie fragten nach der Bedeutung des Wortes "Kirchvater".
Hierzu zitiere ich aus meinem Buch "Geschichte unserer mittelschlesischen
Vorfahren"� Teil I K�ln 1984, S. 297-298:
"Kirchvater" war nicht etwa blo� ein Ehrentitel, sondern ein Amt. Es besa�
(nicht nur in Schlesien) eine doppelte �berlieferung und eine doppelte Bedeutung
(1):
Zum einen war der Kirchvater "Kirchendiener", "Me�diener" oder einfach
"Klingelbeuteltr�ger". Als solcher wurde er, dessen T�tigkeit sich f�r den
gew�hnlichen Kirchg�nger im Herumtragen des Klingelbeutels (des sogenannten
"Kirchvaters�ckels") ersch�pfte, denn auch von der Mehrzahl der Gemeindeglieder
angesehen (2).
Zum anderen aber waren mit dem Amte des Kirchvaters seit alters Aufgaben
verbunden, die nach Einf�hrung der Presbyterialverfassung (3) den
"Kirchenvorst�nden" oblagen:
"Kirchen-Vorsteher / sind diejenigen Personen / denen die Aufsicht des
Gottes-Kastens und derer Kirchen-G�ter anvertrauet ist / sollen gottsf�rchtig
gewissenhafft und mit unbeweglichen G�tern angemessen seyn � und � wird ihr Amt
�berhaupt darinne gesetzt / da� sie die Kirchen-G�ter verwalten / �ber selbige
ein Inventarium machen / und Rechnung halten / die Kirchen-Schulden eintreiben /
die Gelder ausleihen / und alle anderen Verrichtungen zum Nutzen der Kirche mit
besondern Flei�e einrichten sollen. Dahero nennet man sie auch Kirch-V�ter /
Kirch-Pfleger / Gotteshaus-Pfleger / Kirchen-Geschworne / Juraten / Kasten
Voigte / Kasten-Vorsteher / u.s.w." (4).
Bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurden die Kirchv�ter von den
jeweiligen Patronen einer jeden Kirche, also in Klein Ellguth [meinem
Heimatdorf] von den Herz�gen von Braunschweig-Oels, ernannt (5).
Eine Vorform des von der Kirchgemeinde gew�hlten Presbyteriums waren die
"Kirch-Collegs". Das Klein Ellguther Kirch-Colleg bestand (in dem Jahre 1848)
aus dem Pastor, einem Kirchenvorsteher und zwei Kirchv�tern (6).
Die Einf�hrung einer neuen kirchlichen Gemeindeordnung durch die K�nige von
Preu�en als Tr�ger des landesherrlichen Kirchenregiments in den Jahren 1850 bis
1873 bedeutete dann den Sieg der presbyterialen Idee: Die Patronate blieben zwar
vorerst bestehen; von nun an durfte der Patron aber nur noch den
"Kirchen-Vorsteher" bestimmen, w�hrend die �brigen "Gemeinde-Kirchenr�te" von
der Gemeinde gew�hlt wurden (7).
[Mein Vorfahr] Ferdinand Fischer der Mittlere, der bei der Einf�hrung in sein
Amt "vor Gott und dieser Gemeinde" gelobt hatte, seines ihm "befohlenen Dienstes
sorgf�ltig und treu, dem Worte Gottes, den Ordnungen der Kirche und dieser
Gemeinde gem��, zu warten, und gewissenhaft darauf zu achten, da� Alles
ordentlich und ehrlich in der Gemeinde zugehe zu deren Besserung" (8), wurde von
den Klein Ellguther, Kritschener und Kaltvorwerker "Kirchkindern" (9) seit
Menschengedenken bis zu seinem seligen Ende immer nur "der Kirchvater" genannt -
obwohl es doch diese Bezeichnung sp�testens seit 1873 offiziell nicht mehr gab.
Anmerkungen:
(1) Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches W�rterbuch, F�nfter Band, Leipzig
1873, Spalte 814: "Kirchenvater � wie kirchen�ltester, kirchenpfleger, curator
ecclesiae, aedilis sacer� auch kirchvater oeconomus ecclesiae�, etwa wie die
stadtr�te 'v�ter der stadt' heiszen � hie und da kirchvater von kirchendienern;
so als sacrista [oder] der welcher mit dem Klingelbeutel umgeht (so z. b. im
s�chs. Erzgebirge)."
(2) S. Walther Mitzka, Schlesisches W�rterbuch, Bd. II, Berlin 1964, S. 654.
(3) S. Realencyklop�die f�r protestantische Theologie und Kirche, Sechzehnter
Band, Leipzig 1905, S. 9-16.
(4) Johann Heinrich Zedler, Gro�es vollst�ndiges Universal Lexicon, Funfzehender
Band, Halle und Leipzig Anno 1737, Sp.754 f.
(5) Eduard Anders, Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens, Breslau 1886,
S. 228 ff.
(6) Eduard Anders, Kleine evangelisch-kirchliche Statistik der preu�ischen
Provinz Schlesien, Glogau 1848, S. 205.
(7) Vgl. Anders 1886 a. a. O., S. 230.
(8) Nach � 7 der Kirchengemeinde- und Synodal-Ordnung f�r die Provinzen Preu�en,
Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen; in: Kirchliches Amts-Blatt
f�r den Gesch�fts-Bereich des K�niglichen Consistoriums f�r die Provinz
Schlesien, XX.Jahrgang, Breslau 1873, S. 95.
(9) Die D�rfer Klein Ellguth, Kritschen und Kaltvorwerk bildeten ein
evangelisches "Kirchspiel", also eine Kirchgemeinde. Die Pfarrkirche stand in
Klein Ellguth (Kreis Oels in Niederschlesien).