Hallo Ellen,
die Kirchenväter, auch Kirchenvorsteher, Kirchenälteste genannt, waren zuständig für finanzielle Belange der Kirchengemeinde. Sie mußten also ordentlich rechnen und schreiben können, außerdem sollten sie das besondere Vertrauen der Gemeindemitglieder haben und absolut integer, ehrlich und rechtschaffen sein. Meistens haben sie ihre eigene Wirtschaft in vorbildlicher Weise geführt, waren oft nicht unvermögend - oder besser gesagt ökonomisch unabhängig (nicht wie unser Präsident, der es nötig zu haben scheint, sich in heikler Weise woanders durchzuschlauchen!).
Die Aufgabe der Kirchenväter bestand darin, die Kirchenfinanzen zu verwalten. Sie hatten zu veranlassen, daß notwenige Reparaturen/Neubauten an der Kirche oder den Pfarrgebäuden organisisert wurden und durch sie ordentlich bezahlt werden konnten. Sie haben über Investitionen des Kirchenvermögens (mit-)entschieden: die Kirchen verfügten über Barmittel, die nicht ungenutzt in einem Kasten verschimmeln durften, sondern gewinnbringend gegen Zinsen verliehen wurden. Das Kirchenvermögen wurde wie bei einer Bank (die es damals auf dem Lande überhaupt noch nicht gab) an solvente Antragsteller ausgeliehen. Dazu mußte peinlichst genau das Vermögen bzw. die Sicherheiten des Antragstellers eingeschätzt werden. Die Verträge, die ich über solche Angelegenheiten im Archiv gesehen habe, stehen heutigen Kreditverträgen bei einer Bank in nichts nach. Wenn der Kreditnehmer nicht fristgerecht mit Zinsen zurückzahlte, war die Kirche berechtigt, sofort die als Sicherheit benannten Immobilien zu verwerten. Und das war dann wiederum eine Aufgabe für die Kirchenväter. Allerdings durften sie alle diese Maßnahmen nicht selbstherrlich entscheiden und veranlassen. Sie mußten alle Schritte immer von der übergeordneten Behörde "absegnen" lassen und über alles Rechenschaft legen. Aber dennoch war dieses Ehrenamt mit hoher Verantwortung verbunden, je nach dem, wie vermögend und bedeutend die Kirchengemeinde war. Es gab wohl auch Gemeinden, in denen über Jahre und Jahrzehnte kaum etwas anfiel an aufwendiger Verwaltung, wo vielleicht alles Jahr für Jahr immer im gleichen Schema abgerechnet wurde.
Die Kirchenkasse wurde gespeist durch vielfältige Einnahmen: die regulären Abgaben aller Gemeindemitglieder gestaffelt nach Besitz und Stand, Gebühren für besondere Kirchenbänke/Sitze, Zuflüsse aus der landesherrlichen Schatulle, Kirchenbußen (Bußgelder für Verfehlungen) und vielem mehr an regionalen Besonderheiten. Es gibt dazu genaue Angaben z.B. in den Praestationstabellen.
Ich hoffe, die Funktion wird nun etwas klarer nachvollziehbar.
Grüße aus Berlin
Viktor
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