KB Altenbanz 1716: drei deutsche Wörter in lateinischem Kirchenbuch

Hallo allerseits,

im Taufeintrag vom 25. April 1716 (Stetten) im katholischen Kirchenbuch von Altenbanz lese ich „p.t. eins Hintersass alda“:
https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/altenbanz-st-laurentius/M2%252F12/?pg=27
Wie ist zu erklären, dass der Pfarrer hier drei deutsche Wörter im lateinischen Taufeintrag verwendet - ist dem Pfarrer möglicherweise kein lateinisches Wort für Hintersass eingefallen?

Was sollte man sich unter einem um 1716 zeitweise (p.t.) in einem Ort lebenden Hintersassen im Hochstift Bamberg vorstellen?

Besten Dank und viele Grüße
Jürgen (Wolff)

Hallo Herr Wolff,

ja, der Vater Andreas Wolff wohnte zu der Zeit („pro tempore“) als Hintersasse in Stetten, vermutlich ist er erst vor kurzem Hintersasse in Stetten geworden (eventuell kam er aus einem anderen Ort?).

Es war nicht ungewöhnlich, dass Pfarrer in lateinischen Einträgen auch deutsche Begriffe verwendeten, v.a. wenn diese nur schwer ins Lateinische zu übersetzen waren. Vielleicht soll mit diesem Begriff „Hintersasse“ ausgedrückt werden, dass er nicht vollwertiges Gemeindemitglied war? Ansonsten erscheint üblicherweise der Begriff „incola“ (Einwohner) als Bezeichnung. Vielleicht war er nur als Mieter in einem Anwesen ansässig, was ja den Begriff „pro tempore“ erklären würde?

Viele Grüße
Thomas Pöhlmann

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Hallo Herr Pöhlmann,

vielen Dank, diese Familie ist tatsächlich mehrmals umgezogen - ich suche schon seit langer Zeit die Trauung der Eltern Andreas Wolff (* errechnet ca. 1691, + 08.12.1740 in Püchitz) und Maria Sophia Theresia (* errechnet ca. 1685, + 10.05.1755 in Marktgraitz). Mindestens vier Umzüge sind bisher nachgewiesen:

  • An einem unbekannten Ort (nicht in Altenbanz) haben Andreas Wolff und Maria Sophia Theresia vor der Taufe ihres 1716 ehelich geborenen Sohns geheiratet.

  • In Altenbanz wurde der in Stetten geborene Sohn Johann Josef am 25.04.1716 getauft.

  • In Seßlach wurde der in Hattersdorf geborene Sohn Johann Nikolaus am 05.03.1718 getauft.

  • An einem unbekannten Ort (weder Seßlach noch Altenbanz) wurde errechnet ca. 1719 die Tochter Ursula (oo 22.11.1740 in Marktgraitz mit Andreas Gesslein, +21.08.1781 in Marktgraitz) getauft.

  • In Altenbanz wurden am 14.09.1724 und am 15.12.1731 die in Püchitz geborenen Kinder Johann Georg und Maria Magdalena getauft.

Möglicherweise gab es noch mehr Umzüge, denn die zeitlichen Lücken zwischen den Geburten 1719 und 1724 sowie zwischen 1724 und 1731 lassen vermuten, dass noch weitere Kinder getauft wurden. In Altenbanz und Seßlach sind keine weiteren Kindstaufen dieser Familie zu finden.

Im Traueintrag von Ursula Wolff vom 22.11.1740 ist als Herkunftsort ihrer Eltern „ex Buchels“ angegeben. Die Eltern haben zu diesem Zeitpunkt in Püchitz gelebt, wo Andreas Wolff dann 16 Tage später am 08.12.1740 verstorben ist. Ich vermute, dass „ex Buchels“ im Kirchenbuch 1740 in Marktgraitz bedeutet, dass die Eltern zum Zeitpunkt der Trauung in einem Ort gelebt haben, den der Pfarrer als Buchels verstanden hat, dass also Püchitz bzw. Büchitz im fränkischen Dialekt zu Buchels verschliffen wurde. Ist diese Vermutung richtig oder könnte „ex Buchels“ auch bedeuten, dass die Eltern ursprünglich aus einem Ort namens Buchels stammen?

Vielleicht kann dieser toter Punkt nicht überwunden werden, vielleicht kann die Trauung von Andreas Wolff und Maria Sophia Theresia aber nach Onlinestellung weiterer Kirchenbücher zu einem späteren Zeitpunkt gefunden werden. Dabei denke ich an die noch nicht bei Archion verfügbaren Kirchenbücher der Region (z.B. Herreth) und an die noch nicht bei Matricula verfügbaren katholischen Kirchenbücher des Bistums Würzburg: Im damaligen Bistum Würzburg hat sich die Familie ja 1718 aufgehalten, denn die Pfarrei Seßlach mit Hattersdorf gehörte damals zum Bistum Würzburg und noch nicht zum Bistum Bamberg.

Für jeden Hinweis bin ich dankbar. Nachfolgend noch Links zu den KB-Einträgen.

Viele Grüße,

Jürgen (Wolff)

Taufe Johann Josef Wolff 1716 Altenbanz:

https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/altenbanz-st-laurentius/M2%252F12/?pg=27

Taufe Johann Nikolaus Wolff 1718 Seßlach:

https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/selach-st-johannes-der-taufer/M4%252F36/?pg=104

Taufe Johann Georg Wolff 1724 Altenbanz:

https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/altenbanz-st-laurentius/M2%252F12/?pg=59

Taufe Maria Magdalena Wolff 1731 Altenbanz:

https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/altenbanz-st-laurentius/M2%252F12/?pg=86

Dimissoriale Ursula Wolff und Andreas Gesslein 1740 in Altenbanz:

https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/altenbanz-st-laurentius/M2%252F15/?pg=15

Trauung Ursula Wolff und Andreas Gesslein 1740 in Marktgraitz:

https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/marktgraitz-heiligste-dreifaltigkeit/M2%252F19/?pg=63

Tod Andreas Wolff 1740 in Altenbanz mit Altersangabe 49 Jahre:

https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/altenbanz-st-laurentius/M2%252F18/?pg=13

Tod Sophia Wolffin 1755 in Marktgraitz mit Altersangabe 70 Jahre:

https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/marktgraitz-heiligste-dreifaltigkeit/M8%252F48/?pg=42

Tod Ursula Gessleinin 1781 in Marktgraitz mit Altersangabe 62 Jahre:

https://data.matricula-online.eu/de/deutschland/bamberg/marktgraitz-heiligste-dreifaltigkeit/M8%252F48/?pg=109

Hallo Jürgen,

in

https://www.kruenitz1.uni-trier.de/

gibt es den Begriff Hinter=Saß mit Erklärungen zu möglichen Bedeutungen.

Viele Grüße
Hartmut (Kühn)

Hallo Herr Wolff,

die Schreibweise „Buchels“ ist sicherlich eine etwas verschliffene Form von „Büchiz“ für Püchitz. Es wird wohl leider noch einige Zeit dauern, bis auch die Kirchenbücher der Diözese Würzburg in Matricula online gestellt werden. Ich habe etwas Erfahrung mit Recherche in den Pfarreien um Pfarrweisach. Meine nächste Reise nach Würzburg wird wahrscheinlich im Januar sein.

Viele Grüße
Thomas Pöhlmann

Hallo Herr Pöhlmann,

nochmals vielen Dank!

Bezüglich der Onlinestellung bin ich momentan recht geduldig und kann mir vorstellen, noch einige Jahre abzuwarten. Recherchen in den Pfarreien um Pfarrweisach stehen auf meiner Agenda – vielleicht komme ich später auf Sie zurück.

Aus zwei Gründen vermute ich, dass die Erfolgsaussichten in diesem Fall in evangelischen KB der Obermainregion größer sind als in katholischen KB der Diözese Würzburg:

  1. Nach meinem Verständnis war im Hochstift Bamberg grundsätzlich der Wohnort und nicht die Konfession dafür maßgeblich, ob der evangelische oder der katholische Pfarrer für kirchliche Amtshandlungen zuständig war. Eintragungen für katholische Bewohner eines evangelischen Ortes sind im evangelischen Kirchenbuch der Pfarrei zu finden, zu deren Pfarrbezirk der jeweilige Ort gehörte. In der Umgebung der bisher nachgewiesenen Wohnorte (Stetten, Hattersdorf, Püchitz) und auch in der Umgebung von Marktgraitz (Herkunftsort des Schwiegersohns Andreas Gesslein) gibt es sehr viele Orte, die damals evangelisch waren. In dem Teil der Umgebung von Hattersdorf, welcher in der heutigen Diözese Würzburg liegt, gibt es zwar viele katholische Orte, es sind aber quantitativ weniger Orte.

  2. Im Taufeintrag 1718 wird der Vater Andreas Wolff im KB von Seßlach als Vagabund bezeichnet. Ein Kirchenhistoriker hat mir gesagt, dass die Bezeichnung Vagabund hier seiner Meinung nach bedeutet, dass Andreas Wolff im Hochstift Würzburg als ein Untertan eines anderen Territoriums (des Hochstifts Bamberg) angesehen wurde, der ohne Genehmigung die Landesgrenzen überschritten hat. Das würde bedeuten, dass er Untertan des Hochstifts Bamberg war und daher wahrscheinlich nicht aus dem Hochstift Würzburg stammt.

Stimmen Sie diesen Überlegungen zu bzw. haben Sie zusätzliche Hinweise?

Viele Grüße

Jürgen (Wolff)