Katholische Kirchenbuecher gehen nach Polen

Lieber Herr Nikulski,

nein, ich hatte von diesen Nachrichten in der FAZ nichts gewusst und ich
danke Ihnen recht herzlich, dass Sie mich auf dem Laufenden halten. So
haben sie meinen Leserbrief in der FAZ veroeffentlicht.

So lese ich in dem Brief von Herrn Matthias Crone (Erzbischoefliches Amt
Schwerin), dass "nur ein kleiner Teil der Kirchenbuecher aus den Dioezesen,
die in den deutschen Grenzen von 1937 lagen, oder aus dem Bistum Danzig." an
Polen abgegeben werden. Warum wird "dieser kleine Teil" denn an Polen
abgegeben. Es genuegt doch und zeigt Voelkerverstaendigung, wenn man
diejenigen Buecher abgibt, die "mindestens ebenso die polnische wie die
deutsche Kirchengeschichte widerspiegeln." In dem Artikel aus der FAZ wird
von ueber 3600 Buechern geredet.- das ist kein "kleiner Teil."

"Das Kirchenrecht sieht die Aufbewahrung der Kirchenbuecher in den
betreffenden Gemeinden und Diozesen, die ja nicht aufgeloest worden sind"
vor so schreibt Herr Crone und fuehrt als Begruendung an, dass "die weitaus
groessere Zahl als der jetzt in Rede stehenden Kirchenbuecher in Schlesien
geblieben ist." Ja warum sind denn die Kirchenbuecher in Schlesien
geblieben - sicherlich nicht freiwillig, sondern weil die Fluechtlinge dort
um ihr Leben rannten und sich nicht um die Kirchenbuecher kuemmern konnten
und nicht, wie ich die Bemerkung von Herrn Crone interpretiere, dass die
Schlesier dachten die Kirchenbuecher sollten am Ort bleiben.Die Fluechtlinge
hatten ja nie gedacht, dass sie auf immer und ewig ihre Heimat los waren.

Logik scheint nicht die groesste Staerke von Herrn Crone zu sein, sonst
haette er die weitere Bemerkung von den Kirchenbuechern in Mecklenburg nicht
gemacht, "die fuer die Vorkriegszeit Tausende Taufeintragungen von Kindern
polnischer Erntearbeiter aufweisen." Diese polnischen Erntearbeiter waren
auf "modern Deutsch gesagt" doch Gastarbeiter in Deutschland, so denkt man
doch nicht, dass sie dieselben Rechte hatten wie die deutschen
Einheimischen. Sie waren voruebergehend in dem Land. Gesunder
Menschenverstand wuerde einem sagen, dass diese polnischen Erntearbeiter
jederzeit Zugang zu den Kirchenbuechern haben sollten, jedoch nicht, dass
die Buecher in ihren Besitz uebergehen sollten.

Herr Crone betreibt anscheinend keine Ahnenforschung in den ehemaligen
Ostgebieten - so kann er weiter "rumspinnen" "dass es nach der
Uebergabevereinbarung gerade keine langen Wege und komplizierte Verfahren
geben soll. Die polnischen Diozesen sagen "sachkundiges Personal , kurze
Bearbeitungszeiten und das Zugangsrecht deutscher Archivbenutzer zu." - Er
spricht anscheinend Polnisch, so dass er keine Schwierigkeiten sieht - auch
wenn unsereins schon Schwierigkeiten mit der alten deutschen
handgeschriebenen Schrift hat - wiewiel Vertrauen hat man in eine Antwort,
die ausserdem noch auf Polnisch ankommt.

Ich war der Meinung - so habe ich es zum Beispiel in dem Buch von
Ribbe/Henning "Taschenbuch fuer Familiengeschichtsforschung" gelesen, dass
Kirchenbuecher "deutsches Kulturgut" sind. Warum sollen die Buecher der
Kirche gehoeren, wo die Kirche durch die Kirchensteuer unterstuetzt wird,
die alle Angehoeringen zu zahlen haben. So, wird wohl der naechste Schritt
sein, dass auch die evangelischen Kirchenbuecher aus den Ostgebieten an
Polen zurueckgehen werden. Ist einfach sagenhaft fuer mich, die ich in
Amerika lebe, wo wir keine Kirchensteuer kennen, sondern jede Kirche durch
ihre Mitglieder unterstuetzt wird .So sagt der Herr Crone: "die streitigen
Fragen hinsichtlich der profanen Archivalien werden also weder beruehrt noch
gar praejudiziert. Die Kirche hat hier von ihrem Selbstbestimmungsrecht
Gebrauch gemacht." Das sind pompoese Worte - und die Kirchenmitglieder
bezahlen Kirchensteuer und lassen sich so "das Fell ueber die Ohren ziehen."
Einfach sagenhaft diese Aussage des Herrn Crone - spiegelt ja die Meinung
der katholischen Kirche wider.Kein Wunder, dass................

Herr Crone redet von "gegenseitigem Vertrauen"

Da kann man ihm nichts als beistimmen (in meinem Fall - die Haelfte meiner
Verwandtschaft sind Polen, zu denen ich eine ausgezeichnete Beziehung
habe) - jedoch -- ist es so kompliziert die Sache mit einem "gesunden
Menschenverstand" anzusehen ? Die meisten Kirchenbuecher spiegeln die
Vergangenheit der deutschen Bevoelkerung wider und nicht der polnischen
Bevoelkerung. So sollten sie da bleiben, wo die deutsche Bevoelkerung ist
und nicht in ein jetzt fremdes Land abwandern.

Herr Crone folgt dem Gesetz der katholischen Kirche - ob solche Ideen Sinn
machen oder nicht ist einer Person , die sich nach Regeln richtet und nicht
nach "Menschenverstand" doch fremd .- Tausende von Fluechtlingen und deren
Nachkommen sind von der Entscheidung betroffen.

So schliesst dieser Mensch seinen Brief mit der Bemerkung "kleinliche
Kritik."

So las ich heute gerade in unserer ow-preussen- L mailing list die Notiz,
dass im deutschen Fernsehn die erste Sendung ueber das Fluechtlingsschicksal
gesendet wird. Hoffe, der Herr Crone vom "Erzbischoeflichen Amt in Schwerin"
und seine Kollegen sehen sich diese Sendung an (wuenschte enorm, ich koennte
die Sendung auch ansehen) .

Vor einigen Monaten hatten wir eine Diskussion in der ow-preussen-L mailing
list ueber das "Fluechtlingsthema." Hoffe, dass sich der Herr Matthias
Crone und auch die anderen Leute, die in dieser mailing list schrieben,"wir
Fluechtlinge haetten doch am Ort bleiben sollen, wir haben doch
Entschaedigung bekommen fuer unseren Verlust, wir sollen aufhoeren nach
Mitleid zu suchen- und andere Argumente - hoffe, sie sehen sich die Sendung
an.

Herr Nikulski,

wollte nur meinen ungemeinen Aerger ueber diese Situation los werden. Soweit
ich mich erinnere, waren Sie die Person, die den Artikel aus der FAZ in die
ow-preussen-L mailing list stellte und dafuer bin ich dankbar - und ich
weiss, andere Mitglieder der mailing list auch.

Ja, das Internet ist weltweit, trotzdem ist es fuer mich, die ich seit fast
40 Jahren in Amerika lebe, schwierig mit den Ereignissen, die sich in
Deutschland abspielen, mitzukommen und man ist wirklich auf den guten Willen
Gleichgesinnter angewiesen.Haetten Sie den Artikel nicht aus der FAZ ins
Internet gestellt - wohl wenige hier im Ausland haetten davon gewusst.

So griff mich doch ein Herr aus Deutschland an, als ich fragte, wohin man
denn einen Beschwerdebrief wegen der Uebergabe der deutschen katholischen
Kirchenbuecher an Polen senden sollte - er meinte - per Internet koennte ich
sowas selbst rausfinden. Das stimmt leider oft nicht, man ist auf den guten
Willen von Personen angewiesen, die nicht nur die bekannte FAZ lesen,
sondern auch die kleineren Zeitschriften. Ansonsten auch, einige der
Mitglieder dieser ow-preussen-L mailing list wohnen seit Jahrzehnten in
Amerika so sollte es doch wohl verstaendlich sein, dass wir nicht mit den
neuesten Nachrichten aus Deutschland, vertraut sind. Wir leben in zwei
Welten - und fuer einige, die aus den Ostgebieten gefluechtet sind, ist
Amerika bereits unsere dritte Heimat .

Nochmals recht herzlichen Dank

Elke Hedstrom, Garland, Texas/USA
(Auch in Masuren/Ostpreussen geboren)

Liebe Frau Hedstrom,

da Sie mich bitten, werde ich es versuchen.

Lieber Herr Woelky,

"christliches Verhalten" und "menschliches Verhalten" bedeuten fuer mich in
diesem Fall, dass man die Buecher dort laesst, wo die Menschen, deren
Vergangenheit diese Buecher widerspiegeln, den meisten Nutzen daraus ziehen
koennen und dass man sich nicht an blosses Kirchenrecht haelt, wie es die
katholische Kirche in diesem Fall tut.

Sollte die evangelische Kirche dem Beispiel der katholischen Kirche folgen
und auch die Kirchenbuecher aus den Ostprovinzen an Polen ausliefern, dann
wuerde ich mich genauso empoeren.

Meine Sichtweise ist auch, dass Polen dieses "Geschenk" haette gar nicht
annehmen sollen. Scheint mir, dass meine Denkungsweise einfach "zu naiv"
ist.

Meine Betroffenheit als Katholik bezog sich ausschlie�lich auf den m.E.
etwas �berzogenen Angriff auf die kath.Kirche insgesamt und deren

Vertreter

im einzelnen,

Dann lesen Sie sich nochmals durch, welche Begruendung Herr Matthias Crone
gibt, warum die meisten der katholischen Kirchenbuecher in Schlesien
geblieben sind. Ich denke, haetten die Schlesier gewusst (und waeren die
Fluechtlinge nicht um ihr Leben gerannt, sodass sie andere Sorgen hatten),
dass sie ihr Heimatland auf immer und ewig verlieren wuerden, dann haetten
sie auch ihre Kirchenbuecher mitgenommen.

Auch sagt Herr Crone, dass "die Kirchenbuecher hier in Mecklenburg fuer die
Vorkriegszeit Tausende Taufeintragungen von Kindern polnischer Erntearbeiter
aufweisen." Und - die Kirchenbuecher sind in Mecklenburg geblieben und
wurden nicht an die polnischen Erntearbeiter abgegeben (die - das steht
fest - Zugang zu den Buechern haben sollten).
Nur haben wir in den verlorenen Ostgebieten das umgekehrte Beispiel.

die Vermischung von unterschiedlichen Finanzierungsarten der

Kirche mit R�ckgabe von Kirchenb�chern, das Offen-Lassen bei "Kein Wunder,
dass....",

Da haben Sie recht, ich haette sagen sollen, indem die Kirche durch die
Kirchensteuer der Mitglieder finanziert wird, so sollten die Mitglieder auch
das Recht haben, bei Entscheidungen Mitspracherecht zu haben.. So sollte man
die katholischen Mitglieder aus den Ostgebieten fragen, was sie davon
halten, dass ihre Kirchenbuecher nach Polen geschickt werden.

Meine Bemerkung "Kein Wunder das....." haette ich ausschreiben sollen -
naemlich - kein Wunder dass die katholischen Kirchen leer sind, denn wenn
der Unterschied zwischen den Gesetzen der Kirche und dem wirklichen Leben zu
gross ist, dann "arrangieren" sich die Leute. So sehe ich auch, dass es der
katholischen Kirche egal ist, was ueber 10 Millionen Fluechtlinge und deren
Nachkommen von diesem Unterfangen halten..

lst�ndige und damit irre f�hrende Zitieren, wie z.B.

"Nur ein kleiner Teil der Kirchenb�cher stammt aus Di�zesen, die in den
deutschen Grenzen von 1937 lagen, oder aus dem Bistum Danzig. Der weitaus
�berwiegende Teil stammt aus den schon damals polnischen

Ursprungsbist�mern

Gnesen, Kulm, Plock oder Wloclawek; sie spiegeln also mindestens ebenso
polnische wie deutsche Kirchengeschichte wider." Zusammen sind es 3.361!

Sie machen daraus: In dem Artikel aus der FAZ wird von �ber 3600 B�chern
geredet.- das ist kein "kleiner Teil."

Da habe ich mich nicht praezise ausgedrueckt - da sollte man sich einigen,
wer die Kirchenbuecher, die "ebenso die polnische wie die deutsche
Kirchengeschichte widerspiegeln" haben soll.

Ansonsten, wenn die Kirchenbuecher ueberwiegend die deutsche
Kirchengeschichte widerspiegeln, dann sollten sie in Deutschland bleiben. Ob
das drei oder dreitausend Buecher sind.

*************

Die Kirchenb�cher wurden im 16.Jahrhundert eingef�hrt, um einen Nachweis
�ber den Empfang der kirchlichen Sakramente zu haben: Taufe, Ehe- und
Sterbesakrament. Es waren und sind Aufzeichnungen des jeweiligen

Pfarramtes.

Das weiss ich auch, warum die Kirchenbuecher eingefuehrt wurden. Ich dachte
nur hier ist eine "Sichtweise", von der ich keine Ahnung hatte, deshalb bat
ich Sie, mir doch die Sichtweise der katholischen Kirche zu nennen, die
nicht die Sichtweise der Ahnenforscher ist, wie Sie sagen. Das stimmt - die
Kirchenbuecher wurden nicht fuer die Ahnenforscher angelegt..

Dass diese Unterlagen heute einen historischen Wert darstellen, ja sogar

zu

einem Kulturgut erhoben werden, ist unstrittig. Es ist also sicher zu
stellen, dass diese B�cher erhalten bleiben und der �ffentlichkeit
zug�nglich gemacht werden k�nnen.

Nun ja, Herr Crone schreibt, "zudem unterstreicht der Vertrag - unter
Zustimmung beider Regierungen -, dass es sich bei den Kirchenbuechern gerade
nicht um Kulturgut, sondern um Kirchengut handelt." (Habe genau aufgepasst,
dass ich Herrn Crones Bemerkung richtig zitierte).

Dies ist doch wirklich der Hauptpunkt unserer Diskussion - gehoeren die
Kirchenbuecher der Kirche, die mit den Buechern machen kann was sie will -
oder sind sie deutsches Kulturgut.

Auch Sie, Herr Woelky sagen, dass die Buecher Kulturgut sein sollten. Die
Buecher haben fuer die katholische Kirche doch auch nur noch historischen
Wert, inzwischen haben die Buecher nicht nur fuer Ahnenforscher einen
unschaetzbaren Wert, sondern auch fuer zahlreiche andere Wissenschaften. So
sehen Sie, warum ich das oben zitierte - genau kopierte Zitat von Herrn
Crone - nicht vestehen kann, dass die Buecher kein Kulturgut sind, sondern
Kirchengut.

So las ich heute die Nachricht auf der ow-preussen mailing list von Herrn
Bernhard Heinrich, der - und das ist die erste positive Nachricht, die ich
bisher auf dieser mailing list gelesen habe bezueglich des Problems - wie
bekommt man Abschriften aus den deutschen Kirchenbuechern aus Polen -
jedenfalls schrieb Herr Heinrich, dass er sehr zufrieden war mit den
Auskuenften, die er aus Polen bekam.

Das freut mich.

Ich bezweifle beiweitem nicht die Kompetenz der polnischen Mitarbeiter - das
enorme Problem der verschiedenen Sprachen kann man trotzdem nicht
wegleugnen.

Das tragische Schicksal vieler unserer Familien h�ngt nicht an den
Kirchenb�chern sondern hat leider anderen Ursprung.

Ganz im Gegenteil, die Kirchenbuecher sind fuer viele Fluechtlinge die
einzige Verbindung zu ihrer Vergangenheit. Ja, unser Schicksal hat "leider
anderen Ursprung" - jedoch warum goennt man den Fluechtlingen nicht, die
alles verloren haben, dieses kleine Stueck Heimat, naemlich ihre
Kirchenbuecher.

Mit freundlichen Gruessen

Elke Hedstrom, Garland, TX/USA