Sehr geehrter Herr Fischer,
Ihr Versuch einer Erklärung ist zwar sehr lobenswert, aber ich vermisse hier
Quellenangaben (z.B. Sekundärliteratur etc.pp.) und die Nennung Ihrer Quellen,
woher Sie diese, m.E. sehr persönlich gefärbte, Meinung über die sog. "Elite-Truppe"
der SS, sich erarbeitet haben.
Hier ein kleiner Exkurs für Interessierte:
Als 1933 die Heeresvermehrung angeordnet wurde, geschah die nicht etwa durch
Maßnahmen, die als offener Bruch des "Versailler Vertrages" zu werten waren.
Es blieb vorrangig bei dem bewährten System, das den Begriff "Schwarze Reichswehr"
prägte. Während einerseits die personelle Verstärkung durch Kurzausbildung von
Freiwilligen ähnlich dem Krümpersystem und durch Lehrgänge für die Heranbildung
neuen Offiziersnachwuchses betrieben wurde, entstanden andererseits unter den
verschiedensten Tarnbezeichnungen neue Truppenkader. So wurde u.a. außer der
bereits bestehenden "Landespolizei-Gruppe General Göring" in der ehemaligen Haupt-
kadettenanstalt Berlin-Lichterfelde das "SS-Sonderkommando Berlin" und daneben das
"SS-Sonderkommando Zossen" sowie das "SS-Sonderkommando Jüterbog" aufgestellt, aus
denen nach kurzer Aufbauzeit das Infanterie-Bataillon "Adolf Hitler-Standarte",
später "Leibstandarte SS Adolf Hitler" hervorging. Aufsicht und Ausbildung oblagen
der Reichswehr. In den übrigen deutschen Ländern entstanden die so genannten
"Politischen Bereitschaften", deren Besoldung seitens des jeweils zuständigen Innen-
ministeriums erfolgte. Unabhängig von ihrer irreführenden Bezeichnung handelte es
sich hier ausschließlich um rein militärische Formationen, die sich aus länger
dienenden Freiwilligen ergänzten. Die Ausbildung war erfahrenen Offizieren und
Unteroffizieren aus dem 1. Weltkrieg anvertraut. Den Siegermächten ggü. wahrte man
das Gesicht dieser Kadertruppe als "Wehrverbände" und unterstellte sie zunächst der
"Aufsicht" der jeweils für den Aufstellungsbereich zuständigen Oberabschnitte der
Allgemeinen SS. Das militärische Erziehungs- und Ausbildungswesen blieb dabei
weiterhin den Ausbildungsgruppen der Reichswehr und Landespolizeien vorbehalten.
Schon 1934 erfolgte aus Gründen der Zweckmäßigkeit die Herauslösung der "Politischen
Bereitschaften" aus der Aufsicht der SS-Oberabschnitte. Man griff auf eine Denkschrift
zurück, deren Gedankengut auf Überlegungen eines erfahrenen preußischen Generals beruhte.
Bereits Anfang der 30er Jahre hatte der einstige Kommandeur des Regiments "Gardes du Corps"
zu Potsdam und spätere Generalstabschef der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz im
1. Weltkrieg, Gen.Maj. Friedrich Graf von der Schulenburg, dem Wehrpolitischen Amt der
NSDAP eine Ausarbeitung vorgelegt, in der die Aufstellung einer kleinen, aber beweglichen
Elitetruppe vorgeschlagen wurde. Der Gardegedanke, zeitgemäßen Erfordernissen angepasst,
sollte im Rahmen einer neuen Wehrmacht eine echte Wiederbelebung erfahren. Dieser zu
schaffenden hochleistungsfähigen "Verfügungstruppe" wies der General die Aufgabe einer der
Staatsführung in Friedens- und Kriegszeiten ständig "zur Verfügung" stehenden Versuchs-,
Erprobungs- und mobilen Einsatztruppe zu. Neue Methoden der Auslese, Menschenführung,
Erziehung und Ausbildung waren hierfür Voraussetzung. Graf v. der Schulenburg war sich
dessen bewusst und entwickelte in seiner Studie die praktischen Grundlagen für die
Verwirklichung des Gedankens. Wurde der geistige Vater der "Verfügungstruppe" auch nie
offiziell genannt, so fand die Denkschrift dennoch Beachtung. Das Vermächtnis wurde
richtungweisend.
Aus den Stämmen der "Politischen Bereitschaften" formierte sich dann im Herbst 1934 die
SS-Verfügungstruppe (SS-VT). Der diesbezügliche Befehl des Reichswehrministers v. Blomberg vom
24. September 1934 besagte grundsätzlich: "Die SS-Verfügungstruppe wird im Frieden nach
Weisungen des Reichsverteidigungsministers auf ihre Kriegsaufgabe vorbereitet."
Am 13. November 1934 stellte das Allgemeine Heeresamt die entsprechenden Stärke- und
Ausrüstungsnachweisungen für die SS-VT fest.
Die Verkündung der Wehrhoheit am 16. März 1935 sicherte der SS-VT endlich auch in breiter
Öffentlichkeit das Ansehen einer militärischen Auslese als Staatstruppe des Deutschen Reiches.
Einschließlich einer SS-Verfügungsdivision sollten die Wehrmacht auf 36 Divisionen gebracht
werden.
In der SS-VT dienten ausschließlich Freiwillige, die den strengen Aufnahmebedingungen
genügten; Mannschaften mit einer Verpflichtung auf 4 Jahre, Unterführer auf 12 Jahre und
Führer auf 25 Jahre (sp. auf Lebensdauer!). Ihre Dienstverträge wurden mit dem Deutschen Reich
geschlossen. Die Besoldungsordnung entsprach jener des Heeres. Hinsichtlich der Versorgung
waren die Männer der Verfügungstruppe allen anderen Soldaten der Reichswehr gleichgestellt.
Auf sie traf der regelnde § 201 des Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetzes zu.
1934/35 liefen unter Aufsicht des jeweils zuständigen Kommandeurs der Heereskriegsschule in den
SS-Junkerschulen Bad Tölz und Braunschweig die ersten Lehrgänge für Offiziernachwuchs der SS-VT
an; maßgebend waren die Lehrpläne für die Kriegsschulen des Heeres. Auf Spezialschulen der
Heeres erfolgten sodann die Fortbildung der jungen Führer.
Dass die SS-VT entgegen vielfacher Behauptungen ein regulärer Teil der deutschen Streitkräfte
war, geht einwandfrei aus den Hereresverordnungsblättern 1935 bis 1938 hervor. Am 17. August 1938
wurden die darin festgehaltenen Befehle und Verordnungen erneut zusammengefasst. U.a. heißt es
in dem zutreffenden Befehl: "Der Oberbefehlshaber des Heeres bereitet die SS-Verfügungstruppe
auf ihre Verwendung im Rahmen des Kriegsheeres vor. Er gibt hierfür die notwendigen Weisungen,
regelt die Zusammenarbeit mit den Wehrersatzbehörden, unterstützt die Ausbildung und besichtigt."
Ergänzend in einem neuen Befehl: "Die Truppenteile der SS-Verfügungstruppe, deren Eingliederung
in das Heer im Mobilmachungsfall vorgesehen ist, werden mit sofortiger Wirkung dem Ober-
befehlshaber des Heeres unterstellt.
Im Verlauf des 2. Weltkrieges dienten in der Waffen-SS ca. 960.000 Mann.
Ihr Herkommensnachweis zerstört alles spätere Gerede von einer "Landsknechtstruppe" oder
einer "berufsmäßigen Parteigarde". So setzte sich die Waffen-SS im Gesamtdurchschnitt bis zum
Kriegsende - in Prozentzahlen ausgedrückt - aus folgenden Herkunftsgruppen zusammen:
1,8% Berufssoldaten, 4,8% Schüler und Studenten, 8,9% Werktätigen, 14,2% freien Berufen,
14,4% Beamten, 18,6% Angestellten und 37,3% Handwerkern und Bauern.
Von ihnen gehörten vor Diensteintritt 83% weder der NSDAP noch der Allgemeinen SS an.
Für sämtliche Verbände der Waffen-SS waren nicht nur Aufstellungsbefehle des OKH, sondern auch
die entsprechenden Kriegsstärken- und Ausrüstungsnachweisungen des Heeres maßgebend. Nachschub
und Versorgung wurde allein von den zuständigen Stellen des Heeres geregelt.
Quelle: Lothar Greil, DSJB 1981, S. 289-297
Die "Mär" von besserer Ausrüstung usw. kann man ganz einfach erklären: Bei der Waffen-SS wurden
keine Kürzungen in der Truppen- und Einheitenstärke vorgenommen; d.h. z.B. als die Divisionen
der Wehrmacht bzw. deren Regimenter auf 2 Inf.Bataillone reduziert wurden, behielt die Rgter.
der Waffen-SS ihre ursprüngliche Stärke (3-4 Btle.) bei. So erklärt sich auch die
"Überlegenheit" ggü. "normalen" Heeres-Divisionen - das hatte also nichts mit Ideologie
oder Fanatismus im Kampfe zu tun!
Für Polizeihilfsdienste war 1933 vom preuß. Innenminister (Göring) das SA-Feldjägerkorps
aufgestellt worden.
Ansonsten empfehle ich:
Charles W. Sydnor, "Soldaten des Todes" / Die 3. SS-Division "Totenkopf" 1933-1945
Karl Ullrich, "Wie ein Fels im Meer" (Divisionsgeschichte der 3. SS-Pz.Div. "Totenkopf")
Heinz Höhne, "Der Orden unter dem Totenkopf" / Die Geschichte der SS
Eugen Kogon, "Der SS-Staat" / Das System der deutschen Konzentrationslager
Peter Longerich, "Die braunen Bataillone" / Geschichte der SA
Max Gallo, "Der Schwarze Freitag der SA" / Der Röhmputsch
Ernst Deuerlein (Hrsg.), "Der Aufstieg der NSDAP in Augenzeugenberichten"
Jaques Delarue, "Geschichte der Gestapo"
Walther Hofer (Hrsg.), "Der Nationalsozialismus" / Dokumente 1933-1945
Georg Tessin und Norbert Kannapin unter Mitarbeit von Brün Meyer,
"Waffen-SS und Ordnungspolizei im Kriegseinsatz 1939-1945" / Ein Überblick anhand der Feldpostübersicht
Beste Grüße
Uwe Färber