Ich möchte die möglichen Sichtweisen auf die "Eingliederung" des Ermlands
nach Preussen nicht weiter kommentieren. Feindliche Übernahmen gehörten in der
damaligen Zeit zu den üblichen Mitteln der Politik.
Ich möchte vielmehr die Aufmerksamkeit auf den für uns Familienforscher so
erfreulichen Umstand lenken, daß jede Huldigung ein Staatsakt mit
entsprechenden Aktenhinterlassenschaften darstellt. Und diese Papiere mit den vielen
interessanten Namensnennungen und Standes-/Berufsbezeichnungen können unsere
Forschungen mitunter einen Schritt weiterbringen! Das ist es doch, was heute für
uns von Belang ist. Ich finde es für mich unangemessen, die Politik von
Friedrich II. und seinen Zeitgenossen moralisch zu werten.
In Preussen war es von Alters her üblich, daß dem neuen Herrscher nach dem
Tode des Vorgängers von seinen Untertanen ein sogenannter Erbhuldigungseid
geleistet wurde. Das war ein Staatsakt, bei dem alle Stände, die irgend ein Amt
innehatten (vom Dorfschulzen bis zum Bürgermeister, selbstverständlich alle
Offiziere und der Adel etc.), an einen zentralen Ort zur Huldigung zu
erscheinen hatten. Man unterstellte sich dem Schutz des neuen Regenten und nutzte die
Gelegenheit auch für Petitionen (wenn Er persönlich anwesend war). Es gibt
eine Reihe von Erbhuligungsakten im Berliner Archiv, die bereits publiziert
wurden. Der Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreussen hat div. Bände
darüber veröffentlicht.
Z.B. fanden in den 1690er Jahren Erbhuldigungen in Ostpreussen statt (auf
den noch Kurfürsten, den späteren 1. König Friedrich), dann ab 1713 und den
Folgejahren auf Friedrich Wilhelm I. Ob 1740 zum Regierungsantritt von Friedrich
II. auch geerbhuldigt wurde, kann ich nicht sagen. Aber Zarin Elisabeth ließ
den Ostpreußen wieder den Huldigungseid abnehmen (so um 1758-60), was
Friedrich II. zutiefst erzürnte. Er strafte die Ostpreußen Zeit seines Lebens mit
Mißachtung und setzte seinen Fuß nicht mehr in dieses Land.
In späteren Zeiten ist dieser archaische Staatsakt wohl aus der Mode
gekommen. Ich hatte jedenfalls keine Kenntnis mehr von Huldigungen in Ostpreußen
nach jener fatalen Subordination zu Gunsten der Zarin Elisabeth. Nun weiß ich
dank der freundlichen Mitteilung von Ramona, daß 1772 dieser Staatsakt im
Ermland noch einmal durchgeführt wurde.
Grüße aus Berlin
Viktor Haupt
zur Abwechslung mal etwas Geschichtliches aus Unsere ermländische
Heimat Jahrgang 8 Nr. 1 Jahr 1962171 Ermländer waren am 27.9.1772 zur Huldigung in Marienburg
erschienen. (Das Ermland kam zu Preußen).
Das Ermland kam (!) zu Preußen.
Nix da mit kam.
Klingt so schön verniedlichend, oder? So wie Soldaten angeblich gefallen
sind, so als
seien sie mal kurz gestolpert. Wortnebel in dem man sich verlaufen kann.
Rückgewinnung, Wiedererlangung, Wiedergewonnen, an Preußen gefallen, kommen
aus den gleichen Nebelwerfer-Ecken.