Liebe Leser,
seit einiger Zeit durchforsche ich Amtsrechnungen nach Spuren meiner Ahnen
im Berliner Staatsarchiv. Amtsrechnungen sind sozusagen die Vorläufer der
bereits hier mehrfach erwähnten Praestationstabellen. Im wesentlichen geht es um
die Abrechnung der Einnahmen und Ausgaben eines Amtes. Auch die
Amtsrechnungen enthalten je nach Gründlichkeit der Schreiber genauere Angaben zu den
zahlungspflichtigen Einwohnern. Darüber hinaus habe ich etwas besonderes entdeckt,
was offenbar während der Herrschaft des letzten Churfürsten bzw. ersten
Königs von Preußen eingeführt und bis 1713 durchgeführt wurde:
"Uff Sr. Chfl. Dhl. gnädigste Verordnung vom 21sten Octbr. 1690 werden alle
Pauren nebst ihren Söhnen und denen ausgetretenen Unterthanen in
nachgeschriebener Tabel benennet und solcher gestalt alhier eingeführet"
Die Tabellen sind so aufgebaut, daß alle Bauern eines Dorfes mit ihren
jeweiligen Söhnen (mit Lebenalter!) aufgeführt werden. Dann gibt es 3 Spalten, in
welcher Weise diese schon "wehrmäßig" erfaßt sind. Da wird dann unterschieden
zwischen jenen, die als "Wybrantzen" oder "zur Militz" enrolliert sind, oder
jenen, die aus diesen Kategorien schon ausgeschieden sind und aus welchen
Gründen. In den Listen, die ich bis jetzt gesehen habe, finde ich unschätzbar
wichtige Angaben: z.B. werden da genau Stiefsöhne mit ihrem jeweils anderen
Familiennamen zugeordnet, oder unter den Ausgeschiedenen finden sich Angaben,
wohin sie abgewandert sind, welches Gewerbe sie an anderen Orten ausüben oder
wo sie sich Höfe gekauft haben oder auch, daß sie verstorben sind. Über die
Jahre kann man verfolgen, wann der jeweils angegebene Vater verstarb und wer
dann "Haushaltsvorstand" wurde.
Insbesondere sind diese Listen von unschätzbarem genealogischen Wert, wenn
die entsprechenden Kirchenbücher des Zeitraums Lücken enthalten oder nicht mehr
vorhanden sind. Aber auch bei vollständig vorliegenden Kirchenbüchern
bleiben oft Fragen offen, die mit Hilfe dieser Listen geklärt werden könnten. Ich
habe noch nicht eindeutig rückschließen können, welche Art Untertanen dort
erfaßt wurden: einfach alle, oder nur die erbuntertänigen Bauern der Amtsdörfer?
Was ist mit Cöllmer-Söhnen, mit Untertanen auf adeligen Besitzungen usw.?
Diese Fragen muß ich durch weitere Recherchen klären.
Grundsätzlich kann man vermuten, daß in der Zeit zwischen 1690 und 1713 in
allen ostpreußischen Amtsrechnungen solche Listen zu finden sein dürften. Unter
dem Nachfolger, dem sogn. "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I. wurde dann ab
1713 ein anderes Erfassungssystem eingeführt (Cantonalsystem).
Mitunter kann es verwirrend sein, sich in den nicht immer logischen
Zuordnungen der Orte zu den entsprechenden Ämtern in jener Zeit zurecht zu finden. Im
Archiv gibt es jedoch entsprechende Lexica zum Nachschlagen.
Grüße aus Berlin
Viktor