Hinrichtung in Gr�nberg 1796; Teil 1

In den "Schlesischen Provinzialblättern" fand ich folgenden Beitrag:

Schreckliche Wirkungen der Eifersucht und Rache, in der Geschichte des am
10. Juny d. J. auf dem Scheiterhaufen bey Schärtendorff, unweit Grünberg,
verbrannten Christian KIRSCHKE.

In der Nacht vom 10. zum 11. September des vorigen Jahres entstand in dem
Dorfe Schärtendorff, eine halbe Meile von Grünberg, bey dem Bauer Christian
HÄUSLER ein Feuer, wodurch nicht nur des HÄUSLERS, sondern ohngeachtet der
schneunigsten und besten Löschanstalten, auch noch drey benachbarte Gehöfte
in die Asche gelegt wurden, viel Vieh verbrannte, und ein Hüte-Junge von 13
Jahren, welcher auf dem Heuboden geschlafen, ein Raub der Flammen wurde.
Kaum war dieser Brand gelöschet, als in der gleich darauf folgenden Nacht
abermal am entgegen gesetzten Ende des Dorfes Feuer entstand, und das Haus
des Gärtners SEIFFERTS abbrannte, und ein Schaden von 1423 Rtlr. durch
diese zwey malige Brände entstanden war. Da man den Christian KIRSCHKE,
welcher bey seinem Stiefsohne, dem zuerst abgebrannten Häusler im
Ausgedinge lebte, bei beiden Feuersbrünsten gänzlich vermißt hatte, so fiel
auf ihn der Verdacht, daß er wohl das Feuer angelegt haben. Man schickte
allenthalben hin Leute aus, ihn zu suchen, und fand ihn endlich im hohen
Hause liegen. er ward gegriffen, und man sagte ihm grade zu, daß man ihn
für den Brandstifter halte. Ohne sein Verbrechen abzuläugnen, gestand er
daßelbe vielmehr sogleich, ward, wie gewöhnlich, summarisch verhört, und
dann zur Special Inquisition in hiesige Frohnveste gebracht.
Nicht nur der Herr Pastor STEIN zu Rothenburg, zu deßen Gemeinde der
KIRSCHKE gehört, bezeuget es, daß er immer ein sehr gesitteter und stiller
Mann gewesen, welcher sich keines Lasters öffentlich schuldig gemacht, den
öffentlichen Gottesdienst sehr fleißig besucht, sich zur Nachtmal-Feyer
ordentlich eingefunden, und daß die sichtbare Aufmerksamkeit und Andacht,
welche er hier bewiesen, ihn zu den Ansprüchen auf äußere Religion zu
berechtigen geschienen; sondern auch alle, die ihn sonst gekannt haben, und
denen er arbeitete, geben ihm daß Zeugniß, daß er immer ein arbeitsamer,
dienstfertiger und geschätzter Mann gewesen sey. Mehrere bezeugten ihm das
zu seiner großen Freude noch in den letzten Tagen seines Lebens in seinem
Gefängniße in meiner Gegenwart. Um so mehr drängt sich gewiß einem jeden,
der dieses ließt, die Frage auf: Wie kam der unglückliche Mensch zu diesem
schaudervollen Verbrechen ? Ich glaube im Stande zu seyn, theils aus den
mir mitgetheilten Acten, theis aus mehreren mündlichen und offenherzigen
Unterredungen mit dem KIRSCHKE, der viel Zutrauen zu mir gefaßt hatte,
diese Frage vollkommen zuverläßig beantworten zu können, und die blosse
auch nur nackte Geschichts-Erzählung wird dem philosophischen Beobachter
des Menschen gewiß Stof zu vielen, nicht ganz unbedeutenden Reflectionen
darbieten, so wie ich von dem Unglücklichen nie ohne Ausbeute für Verstand
und Herz weggegangen bin.
Der KIRSCHKE, 45 Jahr alt, evangelischer Religion, mitlerer Statur, von
sehr gesunder Leibesbeschaffenheit, sangvimsch(?)-cholerischen
Temperaments, aus dem in hiesiger Gegend gelegenen Dorfe Schweinitz, wo
sein Vater Schäfer gewesen war, gebürtig, lebte, nachdem ihm sein Eheweib
vor drei Jahren gestorben war, bei seinem Siefsohne, dem Bauer HÄUSLER zu
Schärtendorf im Ausgedinge, und nährte sich von Tagearbeit. Bei diesem
HÄUSLER diente eine gewiße Anna Elisabeth SEIFERT als Magd. In dieselbe
verliebte er sich, seine Liebe ward heftige Leidenschaft und er begehrte
die SEIFFERTIN zur Ehe. Sie verlobte sich mit ihm, un der gab ihr die unter
Personen seines Standes in hiesiger Gegend gewöhnlichen Brautgeschenke. Das
geschahe etwa gegen Ostern d. J., und zu Johannis sollte die Hochzeit seyn.
Seine Liebe ward immer leidenschaftlicher, sie ward so stark und
unüberwindlich, daß auch der Kerker sie nicht aus seinem Herzen vertilgen
konnte. So gefßt auch der Mann in seinem Gefängnisse war, so schwand alle
Fassung dahin, und er zerfloß in Thränen, sobald man von dieser seiner
Braut mit ihm sprach. Ja ! noch 14 Tage vor seiner Hinrichtung versicherte
er mir auf mein Befragen, daß er, wenn er frey werden könnte, die SEIFERTEN
noch heirathen würde, wenn sie ihn haben wollte.
Doch ich lenke wieder zur eigentlichen Geschichts-Erzählung ein. Der
KIRSCHKE glaubte bald nach seiner Versprechung mit der SEIFERTEN mancherlei
Veranlaßungen zur Eifersucht zu finden. Er stellte sie deshalb zur Rede;
manchmal beruhigte sie ihn durch freundliches Zureden, manchmal aber gab
sie ihm durch leichtsinnige Scherze, oder auch wohl etwas rauhe Worte, wenn
er sie mit seiner Eifersucht zu sehr plagte, und sie endlich verdrießlich
wurde, noch mehr Stof zur Selbstpeinigung. Sein Stiefsohn, bei dem seine
Braut diente, der Bauer HÄUSLER, ward der Hauptgegenstand seiner marternden
Jalousie. Ohngeachtet er im Verhör sowohl, als in Privatgesprächen
versicherte, daß er den HÄUSLER nie bey einer unerlabten Vertraulichkeit
mit seiner Braut betroffen: so beredete er sich doch, und blieb auch im
Gefängniße bey diesem Verdachte, daß seine Braut ihm nicht ganz treu sey,
und daß ihre Freundlichkeit gegen ihren Wirth sich auf ein heimliches
Liebesverständniß mit demselben gründe.
Manchmal befürchtete er doch, daß seine Braut wohl wirklich verführt, und
er dann betrogen werden könne.Hiermit vereinigten sich mancherley
Klätschereyen, die man ihm zubrachte. Man beredete ihn, daß, wenn er wieder
heirathe, er sein Ausgedinge verlieren, ein andermal, daß seiner Braut
Vater, der Gärtner und Büttner SEIFERT, in die Verbindung nicht einwilligen
werde. Seine Quaalen erstiegen den höchsten Grad, da gedachter SEIFERT ihn
endlich selbst versicherte, daß er es nicht zugebe, daß seine Tochter vor
Beendigung ihres Dienstjahres heirathe, und folglich die Hochzeit nicht zu
Johannis, sondern erst zu Weihnachten vor sich gehen könne. Nun glaubte er
gewiß zu seyn, daß man ihn hintergehen, und durch diese Verzögerung nur
Zeit gewinnen wolle. Er faßte den Entschluß, Schärtendorf zu verlaßen, die
100 Rtlr., welche er nach und nach erübriget, und baar da liegen hatte, zu
nehmen, und sich außerhalb seines Vaterlandes anzubauen, damit er die
SEIFERTEN nur nicht mehr sehen könne, und auf diese Art die Liebe zu ihr
los würde. Er bereuete es in seinem Gefängniße mehrmal, daß er das nicht
wirklich gethan habe; aber, sprach er, wenn ich meine Braut wieder sahe,
und sie mir gut zuredete, so konnte ich nicht wieder von ihr ..ßen. Jetzt
ward er wieder etwas ruhiger, und faßte den Entschluß, sich in Schärtendorf
selbst ein Häuschen zu bauen, und dann, ohne bei seinem Stiefsohn ferner
wohnen zu dürfen, mit seiner Geliebten froh und ordentlich zu leben,
besprach sich auch wenige Tage vor der unglücklichen Brandstiftung deshalb
mit dem Herzogl. General Pächter und Oberamtmann Hrn. SCHULZ über eine
schickliche Baustelle. An dem für ihn unglücklichen 10. Septbr. ging er
früh in die Schärtendorfer Walkmühle auf Gartenarbeit, arbeitet den ganzen
Tag über fleißig u. mit ziemlicher Heiterkeit, kommt abends um 8 Uhr heim,
findet seine Wirthin mit ihren Kindern, da indeßen seine Braut noch nebst
dem Wirthe und übrigen Gesinde auf dem Felde ist, und gehet zum
Brantweinbrenner. Dort läßt er sich ein Quartierchen Brandwein geben,
findet daselbst einen Viehhändler, mit welchem er ins Gespräch kommt,
trinkt itzt nach und nach 3 Quartierchen Brantwein aus, und läßt sich in
ein bey sich habendes Fläschgen noch 3 Quartierchen Brantwein füllen. Um 10
Uhr gehet er nach Hause und findet alle seine Hausgenossen bereits im
Bette. Er gehet nun zuförderst in den Pferdestall, an welchen diejenige
Kammer anstöst, in welcher seine Braut schlief, klopfet ihr an die Wand,
und ruft: Anne Liese bist du da ! Schläfst du schon ? Sie antwortete ihm
nach seinem Ausdrucke in einem schnipschen Tone: was sie denn noch auf seyn
sollte, es sey Zeit zu Bette gehen, er sollte sie schlafen lassen. Der vom
Brandwein erhitzte und eifersüchtige Mann nahm die Antwort sehr übel auf,
gieng voll Rache von ihr weg durch des Wirths Stube hindurch in seine
Ausgedinge Kammer, um sich ebenfalls schlafen zu legen. Schon hat er sich
entkleidet, und ist im Begrif ins Bette zu steigen, so dünkt's ihm, als ob
er eine Stimme ihm zurufen höre, er sollte Feuer anlegen. Schnell kleidet
er sich wieder an, steigt durch das Fenster seiner Ausgedinge Kammer
hinaus, um nicht durch die Stube gehen zu dürfen, ketelt die Hausthüre von
außen zu, schlägt mit einem bey sich habenden Stahl Feuer an, zündet ein
Schwefellicht, welches er schon, ehe er auf die Garten-Arbeit gegangen, zu
sich gesteckt hatte, um sich ein Feuer zum Wärmen anzünden zu können, am
Taback-Schwamm an, und steckt dasselbe ins Strohdach seines Stiefsohnes,
welches auch sogleich anfängt zu brennen, der KIRSCHKE lauft hierauf ohne
den mindesten Lerm zu machen, zum Dorfe hinaus in den Busch, 24 Stunden
bringt er, ohne etwas weiter als Brantwein zu genießen, auf dem Felde und
in der Heide zu ! Endlich fällt ihm der Gedanke auf, daß die Stimme, welche
ihm zugerufen, er solle Feuer anlegen, nicht gesagt habe, Wo daß eigentlich
geschehen sollte, und daß damit auch wohl seiner Braut Vater der SEIFFERT,
welcher die Heirat verzögert, und wo die Braut, auf welche er itzt äußerst
aufgebracht war, ihre Sachen in Verwahrung hatte, könne gemeint seyn. Er
läuft früh gegen 3 Uhr ins Dorf und zündet auf die vorhin beschriebene Art
des SEIFFERTS Haus an, welches auch, jedoch diesmal nur daßelbe allein,
wirklich abbrennt, worauf er in einen im Busch gelegenen Teich springet,
sich ersäufen will, das Wasser ihn aber umwirft, er heraussteigt, sich in
ein Hanffeld verbirgt, sodann gesucht, gefunden, und wie oben schon
gemeldet worden, gefänglich eingezogen, und verhört wird, und sogleich
alles ohne Rückhalt bekennet.

Foertsetzung folgt

Frank Lubisch, immer auf der Suche nach LUBISCH

Hallo,
ich habe die Prov.Bl�tter vor Jahren auch nach allen Gr�nberger Nachrichten
durchsucht, fand aber diese
Geschichte leider nicht. Da kann man wieder mal sehen, da� man alles zweimal
oder dreimal durchlesen
sollte und selbst dann kann einem noch etwas entgehen. Ich bin gespannt auf
die Fortsetzung - Danke!
Anton Beyer