Hinrichtung in Grünberg
Schluß
Am 10. Juny früh verfügten sich der mehrgedachte Inquisitor publicus und
die vier Eximinal (?, schlecht lesbar) Schöppen von hier nach Schärtendorf,
allwo der dortige Justitiarius Herr Justitz Commissarius DEHMEL aus Sagan,
nomine Dominii, schon gegenwärtig war, und der Landrath hiesigen Creyses,
Herr v. STENTZOCH auf Prittag sich ebenfalls einfand, und welche der
Execution mit beywohnten. Das Executions Commando bestand aus 450 Mann,
nämlich aus 200 Mann mit Ober- und Untergewehr und 2 Tambours versehenen
Bürger aus Grünberg, 50 Mann von der Schärtendorfer Gemeine und 200 Mann
Dragoner, die der Herr Major v. STUDNITZ commandirte. Der deutschen alten
Verfaßung gemäß, wurde unter freyem Himmel auf einem hinter Schärtendorf
gelegenen freyen Platze, das Hochnothpeinliche Halsgericht gehegt, und um
das Blutgericht 2 Creise formirt. Die Membra des peinlichen Gerichts waren
schwarz gekleidet und mit Degen versehen, sie sezten sich an den schwarzen
Urtheilstisch, auf welchen der Inquisitor das Urtheil, einen weißen
Urtheilsstab und seinen entblößten Degen legte. Gegen ¼ auf 8 Uhr ward der
Delinquent vorgeführt, ihm von einem hiesigen Gerichtsdiener die Fesseln
abgenommen, und er stand bandenfrei mit vieler Faßung da; der Inquisitor
gab nun mit seinem entblößten Degen das Zeichen, daß das hochnothpeinliche
Gerichte seinen Anfang nehme, worauf von den Tambours des Bürger-Commandos
3 mal die Trommel gerührt, und von den beiden Trompetern des militairischen
Commandos 3 mal in die Trompete gestoßen wurde. Der Inquisitor stand nun
auf, nahm seinen Degen in die Hand, hegt das Blutgerichte, examinirte den
Delinquenten nochmals öffentlich über die Hauptumstände seines Verbrechens,
und hielt, nach Publication des Urtheils und Zerbrechung des Stabes, noch
eine kurze sehr zweckmäßige Anrede an die vielen tausend Zuschauer, bey
denen eine feierliche Stille herrschte, und die mit allgemeiner Rührung
angehört wurde. Der Delinquent beantwortete die ihm vorgelegten Fragen mit
bejahendem Kopfnikken und schwacher Stimme, und zuckte bei der Frage: ob er
nicht vorsätzlich und aus Rache das Feuer angelegt habe, mit einem
reuevollen, gen Himmel gerichteten Blick die Achseln; der Inquisitor gab
das Zeichen, daß das Blutgerichte aufgehoben sey, steckte seinen Degen ein,
die Trommeln wurden wie anfangs gerührt, in die Trompeten gestoßen, Richter
und Schöppen kehrten ihre Schemmel um, der Gerichtsdiener legte den Tisch
um, der eine Freiknecht hob die Stücke des zerbrochenen Urtheilstabes auf,
und band, nebst ein paar Gehülfen, dem Delinquenten die Hände auf den
Rücken, welcher auf einen Wagen gesetzt, und auf den Executions Platz unter
einer Begleitungs Escorte von 20 Bürgern und 20 Bauern hingefahren wurde,
wo das militairische und Bürger Commando auch schon angelangt war, woselbst
der Delinquent gegen halb 9 Uhr eintraf. Auch hier verließ ihn seine gute
Seelenfaßung nicht, und um halb 9 Uhr wurde er von den Freiknechten in den
Scheiterhaufen geführt; dieser war an 4½ Elle hoch, von conischer Form,
sahe einem großen Heuschober ähnlich, und auf denselben bis zum Pfahl, wo
eine Kammer angebracht ward, führte eine Treppe von Brettern. Nachdem die
Freiknechte den Delinquenten an den Pfahl befestiget, ward der
Scheiterhaufen angezündet, welcher innerhalb 2 Minuten von allen Seiten her
in vollen Flammen stand. Um 10 Uhr war von dem Körper des Delinquenten
wenig mehr zu sehen, und um 11 Uhr war er völlig zu Asche, und um 1 Uhr der
ganze Scheiterhaufen zu Kohle verbrannt.
Acht bis zehntausend Menschen waren Zuschauer dieses schrecklichen
Schauspiels. Möchte es auf alle einen bleibenden Eindruck zur Beförderung
wahrer Moralität gemacht haben ! Was wir Prediger dazu beytragen konnten,
haben wir gethan. Ich redete den Sonntag vor der Hinrichtung des KIRSCHKE
in der mich treffenden Amtspredigt von der rechten Anwendung öffentlicher
Hinrichtungen, theils zur warnenden Erinnerung, wie tief der mit so
vortreflichen Anlagen zum Guten von Gott ausgestattete Mensch fallen könne;
theils zur genauern und richtigern Beurtheilung unserer selbst, wenn wir
den verschiedenen Wegen nachspüren, welche zu diesem jammervollen Ziele
hinführen können. Auch mein College, der Hr. Inspector BURCHARDI, suchte in
der ihn am Sonntage nach der Hinrichtung treffenden Amtspredigt durch einen
zweckmägigen Vortrag die guten Sensationen, welche das traurige Schicksal
des armen KIRSCHKE gemacht hatte, zu erhalten und zu verstärken, so wie
auch Hr. Pastor STEIN ebenfalls zu seiner Gemeine Sonntags zuvor auf eine
lehrreiche und rührende Art davon geredet hatte.
Die Betrachtungen sind mannigfaltig, und für den Philosophen und Moralisten
wichtig, zu welchen die Geschichte des KIRSCHKE Gelegenheit giebt. Sie
würden hier zu viel Platz einnehmen, bieten sich auch ohnedem jedem
nachdenkenden Leser so sehr von selbst an, daß ihre Entwicklung füglich
entbehrt werden kann.
Grünberg, den 28. Juny 1796
SCHWARZER
Register der erwähnten Personen:
ANDERS; Inquisitor Publicus u. Justitz Director in Grünberg
BURCHARDI; Inspector (Pastor prim. In Grünberg)
DEHMEL; Justitz Commissarius aus Sagan
HÄUSLER, Christian; Bauer in Schärtendorf
KIRSCHKE, Christian; ev.; Tagearbeiter in Schärtendorf b. Grünberg; * 1751
in Schweinitz + 10.06.1796
KIRSCHKE; Schäfer in Schweinitz, Vater des Christian K.
SCHULZ; Herzoglicher Generalpächter u. Oberamtmann in Schärtendorf
SCHWARZER, ev. Pastor in Grünberg
SEIFERT (SEIFFERT), Anna Elisabeth; Braut des Christian KIRSCHKE
SEIFERT (SEIFFERT); Vater der Braut; Gärtner und Büttner in Schärtendorf
STEIN, ev. Pastor zu Rothenburg
v. STENTZOCH; auf Prittag; Landrath des Grünberger Kreises
v. STUDNITZ; Major
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Hallo Reinhard Koperlik,
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mfG Frank Lubisch
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