Groß-Neudorf

Hallo,
da das Interesse an den Orten um Brieg groß zu sein scheint, kann ich vielleicht einen Beitrag leisten aus meinem
Album, das ich 1997 nach einem Besuch der Orte anlegte. Auf der ersten Seite steht:
Die Schattenvergangenheit ist aus all dem gemacht, was nie geschah. Unmerklich formt sie die Gegenwart wie Regen
den Karst. Eine Biographie der Sehnsucht. Sie steuert uns wie ein Magnet, wie eine Antriebswelle des Geistes.
Deshalb trifft uns ein Duft so schwer, ein Wort, ein Ort..... (A. Michals)

Reise in die Vergangenheit im September 1997

Strahlende Sonne im Frühherbst verschönte die Reise in den Lebensraum meiner Großmutter Rosina Zimmermann,
die 31 Jahre vor meiner Geburt verstarb. Viel Mut gehört dazu, Pioniergeist, so allein. Doch schon im Zug fand ich
hilfsbereite Menschen. Im Hotel in Brieg traf ich Sofia, eine Deutsche, die 1947 einem kriegsgefangenen Polen aus
dem Westen gefolgt war. Sie ist 77, froh, wegen ihrer Deutschkenntnisse in der Waschküche des Hotels arbeiten zu
dürfen. Zwei Koffer mit Kleidung hatte ich mitgeschleppt. Sofia suchte sich Einiges davon aus und war glücklich.
Auf der Straße traf ich Isabella, alt, krank und dick. Sie hatte im Krieg unter Deutschen gearbeitet, konnte sich noch verständlich machen und ließ mich mit ihrer Tochter und Enkelkindern die Tage fruchtbar verbringen. In dieser Familie
war Unterstützung nicht nötig. Die Jugend zeigt sich im Aufwind, unterstützt von den Alten. Die Alten sind die Opfer des
aufstrebenden Landes - zum Alter kommen oft Armut und Krankheit. Man sieht viele obdachlose alte Frauen, ihre Habe
in Plastiktüten.
In Groß-Neudorf (Koscierzyce) lebt eine Deutsche, 1929 geboren. Ihr Vater wollte 1945 die Heimat nicht verlassen, da er
1921 ein Häuschen gebaut hatte. Es ist nur ein Behelfsheim; die Frau lebt im Obergeschoss in einem einzigen Zimmer.
Das ist sogar gemütlich, man könnte so leben, wenn die Umstände besser wären. Die Nachkommen (vom Sohn ohne Vater) sind völlig entgleist, ein Kind behindert. Helene meint: "Ich wundere mich, was ein Mensch alles aushalten kann."
Ich frage mich, ob das Festhalten an diesem erbärmlichen Hausbesitz nicht das Leben der Tochter zerstört hat. Helena
ist drahtig und intelligent. Sie erinnert sich gut an die Familie Zimmermann.
Aus dem Schatten ist vieles real geworden, jedoch war ich froh, als ich in Hannover wieder in einen komfortablen Zug
steigen konnte, eine warme Stimme mich darin begrüßte und ich meiner Mutter danken konnte, dass sie sich 1945 für die Umsiedlung entschieden hatte.
Anita (ROGGE geb. BAUM) geschrieben für meine Mutter und 3 Brüder, die das Album ganz zerlesen haben.

Anita Rogge schrieb:

Ihr Vater wollte 1945 die Heimat nicht verlassen, da er
1921 ein Häuschen gebaut hatte. Es ist nur ein Behelfsheim; die Frau lebt im Obergeschoss in einem einzigen Zimmer.
Aus dem Schatten ist vieles real geworden, jedoch war ich froh, als ich in Hannover wieder in einen komfortablen Zug
steigen konnte, eine warme Stimme mich darin begrüßte und ich meiner Mutter danken konnte, dass sie sich 1945 für die Umsiedlung entschieden hatte.
Anita (ROGGE geb. BAUM) geschrieben für meine Mutter und 3 Brüder, die das Album ganz zerlesen haben.

Hallo Anita,
nur, um Geschichte korrekt wiederzugeben:
Ab Mai 1945 hatten die Deutschen keine Wahl, ob bleiben in Schlesien
oder nicht, das entschieden die neuen Besitzer Schlesiens.
Der von den Kommunisten gebrauchte Begriff "Umsiedlung" für Vertreibung
gibt die Tatsachen nicht korrekt wieder.
Nichts für ungut!

Grüße aus Leipzig
Wolfgang Leistritz

Suche: MUCHE und SCHMIDT aus Belkau, ab 1938 Weißenfeld, Kreis Neumarkt

www.wolfgang-leistritz.de
(persönliche Seite)
http://home.arcor.de/eulengebirge
(Menschen in Schlesien)
http://wolfgang-leistritz.fotoalbum-medion.de
(Bilder zu verschiedenen Themen)
http://picasaweb.google.com/leistritz.leipzig
(Bilder zu Schlesien)

Hallo Wolfgang,
das stimmt allerdings nur bedingt. In meiner Familie war es wie folgt.
Meine Oma ist 1945 mit 2 Söhnen nach Delitzsch gegangen weil Ihr 3. Sohn
schon Anfang der 1940´er Jahre nach Delitzsch ging. Ihre Tochter, meine
Tante blieb in Ratibor/Oberschlesien, da sie schon Arbeitete daher blieb
sie da, wo sie dann 1986 in Jastrzębie Zdrój starb. Mein Vater ging 1947
  zurżck nach Oberschlesien um seine Schwester zu suchen, er wurde von
den Polen als Rückkehrer angesehen und konnte erst nach anschreiben der
DDR Regierung und der polnischen Botschaft 1952 zurück in die DDR.

Nach meiner Erfahrung konnte der Arbeit hatte zumindest in Oberschlesien
bleiben.

Das ist sicherlich nur ein kleiner Teil aber das gab es auch.

Ein gesundes neues Jahr wünscht

Rüdiger

Wolfgang Leistritz schrieb:

Hallo Wolfgang,
mir ist das alles bekannt. Meine Mutter und wir vier Kinder wurden eigentlich vertrieben, nachdem wir im Mai 1945
von der Flucht nach Neisse zurück kehrten. Ich wollte jedoch betonen, dass meine Mutter nicht zu Polen optieren wollte,
sondern freiwillig und frühzeitig 1946 mit uns in einen Transportzug stieg, noch ehe die Vertreibung aus Neisse stattfand.
Meine Formulierung war so nichts als "schriftstellerische Freiheit".
Gruß
Anita
-------- Original-Nachricht --------

Rüdiger Piechulla schrieb:

Hallo Wolfgang,
das stimmt allerdings nur bedingt. In meiner Familie war es wie folgt.
Meine Oma ist 1945 mit 2 Söhnen nach Delitzsch gegangen weil Ihr 3. Sohn
schon Anfang der 1940´er Jahre nach Delitzsch ging. Ihre Tochter, meine
Tante blieb in Ratibor/Oberschlesien, da sie schon Arbeitete daher blieb
sie da, wo sie dann 1986 in Jastrzębie Zdrój starb. Mein Vater ging 1947
  zurżck nach Oberschlesien um seine Schwester zu suchen, er wurde von
den Polen als Rückkehrer angesehen und konnte erst nach anschreiben der
DDR Regierung und der polnischen Botschaft 1952 zurück in die DDR.

Nach meiner Erfahrung konnte der Arbeit hatte zumindest in Oberschlesien
bleiben.

Das ist sicherlich nur ein kleiner Teil aber das gab es auch.

Ein gesundes neues Jahr wünscht

Rüdiger

Guten Tag, Rüdiger,
ja, ich gebe Dir Recht, in Oberschlesien war vieles etwas anders. Um so
gründlicher wurden die Deutschen vertrieben, je näher die Orte an der
Oder-Neiße-Linie lagen. In meinem Geburtsort, Wüstewaltersdorf Kreis
Waldenburg, gab es nach 1957 keinen einzigen Deutschen mehr. Zu diesem
Zeitpunkt durften dann die letzten Spezialisten der örtlichen Weberei
nach Deutschland ausreisen. Sie hatten bis dahin faktisch Zwangsarbeit
leisten müssen.