Als Ergaenzung zur Diskussion einer prussischen Identitaet moechte ich auf
den bedeutenden preussischen Historiker Christoph Hartknoch hinweisen. Seine
Dissertation:
Alt- und Neues Preussen
oder preussischer Historien zwey Theile in derem erstem von dess Landes
vorj�hriger Gelegenheit und Nahmen .... in dem andern aber von dess Teutschen
Ordens Ursprung ...
Frankfurt/Leipzig, Hallervorden 1684,
nachgedruckt 1991.
beschreibt auch alte prussische Braeuche. Da die angeblich letzte prussisch
sprechende Person erst 1662 gestorben war, konnte er ueberlieferte Kenntnisse
noch gut beschreiben.
Zu ihm gibt das Internet zahlreiche Informationen, wenn man seinen Namen als
Suchkriterium angibt, wie z.B.:
http://pirmojiknyga.mch.mii.lt/Leidiniai/Prusviet.de.htm
mit vielen alten Kupferstichen
oder
http://www.mammen-online.de/bock.htm
Darin findet man die nachfolgend kopierte Beschreibung eines alten prussischen
Brauchs.
Die Bockheiligung
Die Zeremonie des Bockheiligens soll noch lange zur Verehrung und
Vers�hnung der alten G�tter in Preu�en, obwohl im geheimen, fortbestanden haben.
Dazu kamen die Bauern aus mehreren D�rfern in einer Scheune zusammen. Dort
w�hlten sie einen alten Mann zum Waidelotten. Nun machten sie in der Mitte der
Scheune ein langes Feuer. Als das geschehen war, brachte man den Bock herein und
die Frauen das Weizenmehl f�r die Kuchen. War der Teig fertig, setzte sich der
Waidelotte auf einen erh�hten Sitz, von welchem er an die Versammelten eine Rede
hielt.
Er erz�hlte ihnen �ber die Urankunft des pru�ischen Volkes und das Land,
�ber dessen Heldentaten und Tugenden, �ber die Gebote der G�tter, und was sie
von den Menschen fordern. dann f�hrte er den Bock in die Mitte der Versammlung,
legte seine H�nde auf ihn, und rief alle alten G�tter der Reihe nach an, da� sie
gn�dig herabschauen m�gen. Darauf fielen alle Anwesenden auf die Knie und
beichteten dem Waidelotten ihre S�nden, mit denen sie dachten, die G�tter
erz�rnt zu haben. Nun stimmten sie einen Lobgesang an, hoben den Bock empor und
hielten ihn solange, bis der Gesang beendet war. Danach setzten sie ihn wieder
auf die Erde. Der Waidelotte ermahnte das Volk, dieses Opfer mit tiefer Demut zu
verrichten und so, wie es von ihren Vorfahren �bermittelt wurde, auch an die
Nachfahren weiterzugeben.
[ Kuperstich eines Waidelotten] Ein Waidelotte (Priester) bei
der Zeremonie
der Bockheiligung. Kupferstich
aus Christoph Hartknoch,
Alt- und Neues Preussen.
Frankfurt/Leipzig 1684
Alsdann schlachtete er den Bock, fing das Blut in einer Sch�ssel auf und
besprengte die Herumstehenden damit. Jeder bekam auch ein Sch�lchen mit Blut, um
es sp�ter ihrem Vieh zu trinken zu geben. Das sollte die Tiere gegen Krankheit
sch�tzen. Nun wurde der Bock in St�cke gehauen, die auf Brettern �ber das Feuer
gelegt wurden, um zu braten. W�hrend des Bratens fielen alle vor dem Waidelotten
auf die Knie, der sie f�r die vorhin gebeichteten S�nden strafte, indem er sie
schlug, an den Haaren ri� oder dergleichen mehr. Doch bald kehrte sich dies um
und sie fielen �ber den Waidelotten her, den sie ebenso rissen und schlugen.
War die alles geschehen, fingen die Frauen mit dem Kuchenbacken an. Die
Kuchen wurden aber nicht im Ofen gebacken, sondern wurden den M�nnern gegeben,
die sie sich solange durchs Feuer zuwarfen, bis sie gar waren. Jetzt erst konnte
das Essen und Trinken beginnen, welches den ganzen Tag und die folgende Nacht
dauerte.
Was von dem Mahle �brig war, wurde sorgf�ltig vergraben, um dadurch die G�tter
besonders gn�dig zu stimmen. Im Samland wurde sp�ter auf diese Weise eine Sau
geheiligt und geopfert, um dadurch reichen Fischfang zu erwerben. Nat�rlich
wurden diese Rituale sehr heimlich ausgef�hrt; und wenn einst zuf�llig ein
Fremder dazukam, konnte er oft nur mit viel M�he sein Leben retten.
Man kann wohl davon ausgehen, dass im Samland noch bis ins 14. Jh. Prussen in
geschlossenen Siedlungen lebten, die Sprache noch im 16. Jh. gesprochen wurde.
Deutsch und prussisch sprechende Siedlungen bestanden nebeneinander, da ein
soziales Gef�lle zwischen deutschen Siedlern und Prussen bestand. Erst die
verschlechterten Rechtsverh�ltnisse der Deutschen nach den Niederlagen des
Ordens f�hrte zu einer sozialen Ann�herung und familiaerer Vermengung. Dadurch
wurden die Prussen in das deutsche Volkstum aufgesogen.
Erst in den letzten 20 Jahren ist eine unvoreingenommene Behandlung des Themas
moeglich, da bis in die '70er Jahre eine vergleichbare Diskussion einen
Tummelplatz nationalistischer Voreingenommenheit und Vorurteile f�r
Polen, Litauer und Deutsche geboten h�tte.
Der letzte Stadtarchivar von Koenigsberg, Gause, soll seine Vorfahren bis auf
prussische Ahnen zurueckverfolgen gekonnt haben.
Uebrigens, im Internet unter "Gause" und "Koenigsberg" suchen, gibt auch viele
interessante Adressen.
Mit freundlichem Gruss
Dieter Schaefer