Garten und Sichelarbeit

Guten Abend Listenteilnhmer,

in den vergangenen Jahren sind z.T. sehr interessante Artikel von Listenteilnehmern veröffentlicht worden. Leider habe ich die Namen nicht gespeichert, wohl aber den Text. Vielleicht interessiert es ja manche Forscher?

Viele Grüße
U. Christoph

Sichel- und Gartenarbeit in Schlesiens alten Tagen

Veröffentlicht von Otto Zimmermann am 29.7.1959 im schlesischen Gebirgsboten.

Auf dem Felde reift das neue Brot. Bald werden Getreidemäher oder Mähbinder

die Halme schneiden und luftbereifte Plateuwagen den zu Garben gebunden Segen des Jahres wieder in die Scheunen fahren. Wieder wird eine Schlacht um das tägliche Brot geschlagen und gewonnen sein, eine Schlacht, die an die moderne Kriegsführung erinnert: Maschinen ersetzen Menschen.

Einst ging das Ernten anders vor sich. Da rauschte die Sense durch das reife Kornfeld, geschwungen von kräftigen Männerfäusten. Getreideschwaden legten sich an stehende Halmwände, wurden von den Frauen abgerafft und an die Seite gelegt. Groß war die Anzahl der Hände die zupacken mußten, bis Gelege um Gelege lag und dieselben Hände wendeten alsdann Halme und Frucht, um sie in der Sonne nachreifen zu lassen, banden die Gelege zu Garben und stellten diese zu Puppen zusammen. Ein paar Tage später mühte man sich, Puppe für Puppe auf den Erntewagen zu gabeln, sie der aufnahmebereiten Scheune zuzufahren und im Bansen oder auf den Getreideboden zu bergen. So brachte der Mensch, der durch die Maschine bedingte Unrast unserer Tage noch nicht kannte, durch freudiges Zupacken ein, was ihm die Fruchtbarkeit der Ackerkrume, der Segen des Himmels und der eigene Fleiß beschert.

Es dürfte nicht uninteressant sein zu erfahren, daß diese alte Sichel- und Gartenarbeit bereits in Schlesiens alten Tagen durch eine Art Tarif geregelt war. Der vierte Band des "Codex Diplomaticus Silesiae" gibt darüber Auskunft.

Dieser Codex wurde 1863 vom Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens herausgegeben und enthält aufschlußreiche Urkunden schlesischer Dörfer, die

unter anderen die landwirtschaftlichen Verhältnisse in Schlesiens alten Tagen genau beleuchteten. Dr. Ph. Meitzen, der das alte Werk zusammentrug, nahm nun, was obige Sichel- und Gartenarbeit anbelangt, auch einen Auszug aus dem Urbarium (Grundbuch) von Zedlitz auf. Es handelt sich dabei um eine

Eintragung von 21.3.1790. Zedlitz liegt im Kreis Steinau, einige Kilometer westlich der Kreisstraße oder, anders gesehen an der alten Fernstraße 117, etwa in der Mitte zwischen Steinau und Lüben. Die Verhältnisse, die hier zwischen Grundherrschaft und den auf dem Besitztum tätigen Arbeitskräften geherrscht haben, dürften wohl im allgemeinen auch anderswo in Schlesien anzutreffen gewesen sein. Die Urbarium - Eintragung von Zedlitz, die durchaus "tariflichen" Charakter hat, dürfte somit ein Schlaglicht auf alle Garben- und Sichelarbeit in Schlesien jener Tage werfen, zumal der "Tarif" die Anerkennung höchster Stelle fand: Er trat unter ausdrücklicher Bewilligung des damaligen Königs von Preußen in Kraft.

Vorweg sei erwähnt, das 1790 die Leibeigenschaft noch nicht abgeschafft war. Als dann zur Wertung der bäuerlichen Kleinbetrieb durch das preußische

Königshaus: Seit 1765 gehörten zum Dominium Zedlitz 16 untertänige Bauern (1750 waren es noch 10 gewesen, da 6 Bauernhöfe im Jahre 1723 als erledigt eingezogen worden waren. Friedrich der Große hatte aber verfügt, daß diese 6 Höfe wieder ausgesetzt wurden.) Weiter: Die dem Grundherrn verpflichteten Bauern hatten von alters her Tagewerke zu leisten, bestehend aus Spann- und Handdiensten. Zu den Bauern traten die sogenannten Hofe- oder Dreschgärtner (in Zedlitz 18). Sie besaßen nur einen Garten von wenigen Morgen und konnten ihre Arbeitskraft und ihre Zeit fast ausschließlich dem Grundherrn widmen. Weitere Arbeitskräfte standen einer Herrschaft im Gesinde (Knechte und Mägde) zur Verfügung.

Das herangezogene Urbarium bestimmte nun, das jeder Bauer, wenn es die Herrschaft verlangte, zu allen Jahreszeiten unentgeltlich 4 Gespanne mit Leuten zu stellen hat. Er hat auch für deren Kost und Futter zu sorgen. Bei

Getreidefuhren hatte er die benötigen Säcke zu stellen. Alle diese Dienste waren, was ihr Entgelt anbelangt, in der Bemessung des Gundzinses zu berücksichtigen.

Der Dreschgärtner hatte mit seiner Frau täglich zur Arbeit zu erscheinen. War die Frau am Erscheinen verhindert, mußte sie durch eine taugliche Magd ersetzt werden. In der Erntezeit hatte der Dreschgärtner sogar noch eine dritte Person mitzubringen. Die Arbeitszeit begann in der Erntezeit bei Sonnenaufgang. Um 6:30 Uhr setzte eine halbe Stunde Frühstückspause ein. Sobald es 10 Uhr war, wurde die Arbeit erneut unterbrochen, von 10 - 11 Uhr wurde auf dem Felde Mittag gegessen. Von 11 - 14 Uhr war wieder Arbeitszeit, von 14 - 15 Uhr alsdann Vesper, und anschließend nahm die Arbeit bis Sonnenuntergang ihren weiteren Verlauf.

"Die Gärtnerweiber treten die Arbeit allererst alsdann an, wenn der Hirte austreibt, und arbeiten bis um halb sieben Uhr mit den Männern und Gärtnermägden, gehen alsdann wiederum von der Arbeit ab und zu Hause, und bereiten da das Essen zu, welches sie um 10 Uhr zu den Männern und Gärtner-mägden auf das Feld bringen und bis 11 Uhr mit essen, darauf aber bis zum Abend an der Arbeit bleiben, wobei sie jedoch von 2 - 3 Uhr mit vespern. Wenn eines Gärtners Weib während der Ernte in die Wochen kommt, so hat sie 6 Wochen lang für ihre Person Freiheit vom Hofdienst, die Magd aber muß dem

ohngeachtet unausgesetzt zu Hofe kommen. Dahingegen, wenn sie außer Ernte in die Wochen kommt, die Magd auch 14 Tage vom Hofdienst frei ist. Für ihren Einsatz bei der Getreideernte erhielten die Gärtner von allen Getreidesorten und Hülsenfrüchten, sowohl von der Mandel (Garben/Sack) als

auch von der Nachreche den zehnten (Sommerrung) oder den elften Teil (Winterrung). Dazu bekamen alle Gärtner einmal jährlich, und zwar zur Ernte

ein Achtel Bier. Mit der Ernte - Mandel war die hauptsächlichste Sichel- und Gartenarbeit abgegolten. Allerdings gehörte zu dieser Arbeit auch das Anfertigen von Ernteseilen, das Ziehen von Wassergräben (-furchen) und das Ablesen der Steine. Alle übrigen in der Gesindeordnung von 1676 aufgeführten Garbenarbeiten wurden mit Hofarbeiterlohn abgegolten. Zur Ernte gehörte nicht das Ausdreschen der Halm- und Hülsenfrüchte, das Reinigen des Ernteguts und das Hinaufschaffen des Ernteguts auf den Schüttboden. Dazu waren laut Urbarium die Gärtner ebenfalls verpflichtet, sie erhielten dafür aber eine besondere Abfindung. Diese bestand im 20. Scheffel, gestrichen gemessen. Er durfte aber nicht in der Saatzeit gefordert werden, sondern erst hinterher.

Die Kinder sämtlicher Untertanen mußten der Herrschaft als Gesinde dienen, und zwar solange es erforderlich war oder bis die Magd verheiratet war oder

der Knecht Gelegenheit hatte, eine eigne Wirtschaft zu übernehmen. Wer als Großknecht arbeitet, erhielt 14 Thaler Barlohn, alle übrigen Knechte je 9 Thaler und 18 Silbergroschen, dazu 13 Ellen Leinwand und 18 Silbergroschen und 8 Pfennige für flächsene Leinwand. Die Jungen erhielten je 4 - 5 Thaler Lohn, 10 Ellen mittlere Leinwand und 2 Silbergroschen und 6 Pfennige Lindelgeld (zu feiner Leinwand für Lindchen, d.h. Kragen und Ärmelbündchen am Hemd). Den Mägden zahlte die Herrschaft je 4 Thaler Lohn, 1 Metzte Leinaussaat, 13 Ellen mittlere und 15 Ellen grobe Leinwand und 9 - 12 Silbergroschen Seifengeld. Zu dieser Geld- und Materialabfindung hatte das Gesinde Anspruch auf Beköstigung. Als solche sah das Grundbuch für den Großknecht, die beiden Ochsenknechtem die beiden Pferdeknechte, den Staller, den Gartenknecht, die Rogger (Ackerkutscher) und den Hirten wöchentlich je 3 große Brote vor, jedes von 1 Metze Mehl gebacken. Für diese 3 Brote gleicher Größe durften auch 1 Zweitagebrot und 1 Eintagebrot gefordert werden. Jeder Ochsenjunge, jede von den 3 Mägden und die Gesindeköchin erhielten wöchentlich 2 große und 1 kleines Brot. Von Georgi (23.4.) bis Michaeli (29.9.) bekam jeder Knecht zusätzlich und für 14 Tage berechnet 1/4 Quart Butter. Jungen und Mägde erhielten davon die Hälfte. An Quark stand jeden Gesindeteil zwischen Georgi und Michaeli eine Menge von 2 Quart zu. Zum Einschneiden in die Suppen wurde an jede Person noch ein kleines Eintagebrot abgegegben.

Wie sah nun der alltägliche Gesindespeisezettel aus?

Er sah zunächst für Montag, Mittwoch, Freitag und Sonnabend für das Mittagbrot und unter Zugrundelegung einer Kopfzahl von 24 eine auf die Möglichkeit des Einbrockens von Brot abgestellte Suppe vor, dazu ein Gericht, bereitet aus & half; Metze Graupe. Dienstag und Donnerstag war anstatt der Graupen 1 Metze Erbsen eingesetzt. Zur Suppe und zum Gericht trat alle Tage eine Mehlpappe aus ½ Metze Gerstenmehl. Die Pappe fiel allerdings fort als es Gemüse gab. Dann wurde für 24 Personen ein Topf von 10 ½ Quart angesetzt, desgleichen standen 4 Quart zum Zugießen bereit, weil sich das Essen beim Kochen eindickte. Die für das Gemüse benötigte Einbrenne wurde aus ½ Metze Mehl bereitet. Abends gab es an den Wochentagen stets eine Suppe aus Mehlpappe, letztere wieder gerichtet aus ½ Metze Gerstenmehl. Eine Ausnahme bildete nur das Abendessen am Sonnabend. Da trat an die Stelle der Mehlpappe ein Gericht aus Erbsen. Weiter sah der Speisezettel vor, daß von Georgi bis Michaeli wöchentlich 3/4 Quart Butter an das Essen getan wurde. Von Michaeli bis Georgi verwendete man für die Quart Butter 1 Quart Leinöl. Auch das zustehende Salz war genau festgelegt: Für 24 Personen wurde wöchentlich ¾ Metze. Wurde zu Mittag eine kalte Suppe gereicht (was nur von Georgi bis Michaeli vorkommen konnte), gab der Herrschaft pro Kopf ½ Quart Schlippermilch dazu.

Am Sonntag wurde selbstverständlich besser gegessen. Da gab es Klöße und Fleisch. An Fleisch kam dann auf 20 - 24 Personen der Gegenwert von 9 Silbergroschen abends folgte auf die Suppe ein Hirsegericht, dazu gab es abgerahmte Milch. War die Milch im allgemeinen knapp, ersetzte man sie durch Bier.

Das Urbarium dachte aber auch an die Feiertage. Ein Gesinde, das daß ganze Jahr hindurch treu arbeitete, sollte an den drei hohen Festen (Weihnachten, Ostern und Pfingsten) auch besonders gut beköstigt werden. An diesen Tagen sollte das Gesinde jeweils am 1. Festtag Suppe, Schweinebraten und Rinderbraten bekommen. Der Braten sollte 18 Silbergroschen kosten. Außerdem sollten noch für 9 Silbergroschen Kochfleisch aufgewendet werden und ½ Metze Graupen. Am 2. und 3. Feiertag sollte das Gericht unter Verwendung von Kochfleisch hergestellt werden. Dieses Kochfleisch sollte 9 Silbergroschen wert sein. Die Klöße zum Mittagessen sollten aus 4 Metzen Gerstenmehl bereitet werden.

Zur Kirmes standen jeden Knecht, dem Hofhirten, dem Hofwächter und der Schleußerin je ein weizener und ein otkuchen von bestimmten Gewicht zu. Mägde, Jungen und Gemeindehirten hatten Anspruch auf einen weizenen Kuchen. Für den heiligen Abend waren im Urbarium für je 24 Personen vorgesehen eine Suppe, bereitet aus 1 Metze Erbsen, ein Topf Sauerkraut von 10 ½ Quart Inhalt, 1 Metze gebackene Birnen, ½ Metze Mohn und 1/4 Scheffel Roggenmehl (Mohn und Mehl waren für Mohnklöße gedacht). Weiter hatte an diesem Abend jede Person Anspruch auf 1/4 Quart abgerahmte Milch. Wieder für 24 Personen waren für 3 Silbergroschen Semmel und 1 Quart Honig vorgesehen. Bei all den Maß- und Mengenangaben ( Elle, Scheffel, Metze, Quart ) handelte es sich um Breslauer Einheiten. Die Umrechnung dieser Maße und mengen enthält der Codex folgende Fußnotenangaben:

Die Breslauer oder schlesische Elle, zwei Fuß = 22,003 Zoll preußisch

Der Scheffel ( zu 16 Metzen oder 54 Mäßel) = 1,362 preußisch

Das Quart = 0,606 preußisch

Nach einem Lexikon unserer Tage, das über die alten preußischen Einheiten

Aufschluß gibt, lassen sich folgende Werte errechnen:

Eine Breslauer Elle = 1,3338 m

Ein Breslauer Scheffel = 54,91 Liter

Eine Metze = 3,435 Liter

Ein Quart = 0,606 Liter.

Abschließend darf gesagt werden, daß Arbeitsleistungen und Lohn der schlesischen Landabeiter durch einen "Königs - Tarif" genau geregelt waren. Der König von Preußen wußte demnach die schwere Landarbeit einzuschätzen. Demgemäß schließt auch das im Auftrage des Landesherrn von Hoym und Dankelmann unterzeichnete Dokument unter Einflechtung folgender Worte: "......wofern künftig über das Dominium gegründete Klage entstehen sollte, das dasselbe wider Inhalt von den Untertanen zu fordern oder mit Gewalt sich zu erzwingen anmaße, gegen dasselbe fiscalisch verfahren, und nach Befindenm auf eine ansehnliche Geldstrafe oder gar den Verlust der Besitzfähigkeit erkannt werden soll; ........"

Hochinteressant, danke sehr!
Wurde ausgedruckt und griffbereit abgelegt, solche Hintergrundinformationen sind f�r jede genealogische Zusammenstellung, jeden ausf�hrlichen Stammbaum sehr wertvoll!

Uli Sch�nknecht

Vielen Dank an alle die andiesen Informationen mitgewirkt haben.
Mit vielen Gr��en Kurt (M�bius)