Hallo Jens,
habe mich in meiner über 40jährigen FamFo-Tätigkeit intensiv mit
dem Vornamen-Problem auseinandergesetzt:
Hinsichtlich der Vergabe der Vornamen gab es häufig fast feste Prinzipien,
die aber sich (zeitlich und räumlich) änderten, außerdem oft von familiären
und religiösen Gepflogenheiten abhängig waren, ebenso vom Zeitgeist und
politischer Einstellung, mitunter sogar vom Einfluß des Pfarrers (vor 1874).
In evangelischen Gegenden war lange Zeit "Johann" als zusätzlichen Vorname
(mitunter sogar an erster Stelle, obwohl nicht Rufname, z.B. in Brandenburg
und Pommern) üblich - als Hinweis auf Johannes den Täufer. In anderen
Gegenden war dies "Martin" in Zusammenhang mit Martin Luther.
In katholischen Gegenden gab man den Kindern gern den Namen
Maria und Joseph (meist sogar als Rufname).
Im 19.Jahrhundert erhielten die Söhne in Preußen oft die Vornamen der
Herrscher, Friedrich oder Wilhelm (Fritz, Willi).
Früher und mitunter auch heute noch, erhielt ein Sohn (meist der
Stammhalter)
den Namen des Vaters, eine Tochter den der Mutter (bemerkenswert
oft erst die zweite oder dritte Tochter).
In früherer Zeit (vor allem vor 1900) erhielt der Täufling sehr oft den
Namen
eines Taufpaten, wenn es ein wichtiger Taufpate war, auch als Rufname.
Dich interessieren aber vor allem die 1930er/40er Jahre. Hier unser
Beispiel (erste Name immer auch Rufname):
1. Mein Vater (*1895 Glogau) hieß Ernst-Adalbert. Seinerzeit waren
Doppelnamen beliebt (Meine Mutter *1906 hieß Marie-Luise).
Die Vornamen Ernst und Adalbert sind Familientradition, oft als zweiter
und dritter Vorname (Ernst seit mindestens 1700, Adalbert erst seit
1810):
2. Die 8 Kinder meiner Eltern:
- Erika (*1931); keine Vorgabe. Der Name sollte gefallen, mglw. Zeitgeist.
Ursprünglich hatte sich meine Mutter mit "Barbara" durchgesetzt. Mein Vater
gab aber bei den Anmeldung beim Standesamt - aus welchen Gründen auch
immer - Erika an. Er "vergaß" weitere Vornamen (wie früher und später in
der Familie üblich).
- Adalbert Robert Ludwig (*1934); Adalbert gem. FamTradition, Robert
hießen beide Großväter, Ludwig hieß der im 1.WK gefallene Bruder
meines Vaters
- Gisela Inge (*1935), keine Vorgabe, mglw. Zeitgeist
- Annemarie Eva (*1936), keine Vorgabe, mglw. Zeitgeist
- Brigitte Renate Betti Julie (*1938), die beiden ersten ohne Vorgabe,
mglw. Zeitgeist. 3. und 4. Name nach den beiden Großmütter, die
sich beklagt hatten, daß keines der Kinder nach ihnen benannt wurde.
- Ernst Friedrich Adalbert (*1940) alle gem. Familientradition (Friedrich
seit mindestens 1700)
- Ulrich Adalbert (*1943), Ulrich ohne Vorgabe, Adalbert gem. Tradition,
- Ludwig Richard Adalbert (*1945); Ludwig und Richard hießen zwei
Urgroßväter, Adalbert gem. Fam.Tradition.
Fazit in unserer Familie: bei den Söhnen sehr in der Familientradition
(mein Vater stammte aus einer preußischen Offiziersfamilie), bei den
Töchtern (meine Mutter - aus einer Akademiker-/Kaufmannsfamilie -
weniger an eine Familientradition gebunden) wahrscheinlich dem
Zeitgeist entsprechend "germanische" Vornamen. Andere Familien
nannten ihre Kinder damals auch zeitgemäß "Adolf" (für meinen Vater
akzeptabel, zwar national, aber nicht national-sozialistisch).
In der Familie meiner Tante (väterlicherseits) verhielt es sich bei
ihren 7 Kindern ähnlich.
Meine vier Söhne haben "moderne" Rufnamen, weitere Vornamen
gem. Familientradition.
Gruß aus dem Allgäu
Ernst (Schroeder)
www.kolberg-koerlin.de
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