Frage zu "Umsiedlern" und Altreich-bzw Osten

Liebe Mitforscher,

das Jahr 1941: An den Reichsminister für den Osten: es bittet ein Mann geb. in Tomasz. der 1939 von dort mit seiner Familie als Volksdeutscher mit Passierschein nach Erfurt gereist ist, darum ob er denn wieder in seine Heimat zurückreisen dürfe. Er sei dort Erbe eines Elternhauses und habe in diesem seine Wohnung. Er bitte um die ”Rückreise-Erlaubnis.

Als Antwort der Nazi-Behörde nach 2 Monaten:

Betr. Ihr Antrag auf Rückkehr nach dem Osten

An den Umsiedler …(Name und Adresse in Erfurt)

…möchte ich Sie bitten, mir umgehend mitzuteilen, ob Sie A-(Altreich) oder O-(Osten) Fall sind.
Ferner bitte ich um Angabe ihrer Umsiedlungs- und Rückkehrerausweisnummer, da ohne diese Daten eine Bearbeitung ihres Antrages nicht möglich ist.

In dem Schreiben ist der Name des Mannes und das O- für Osten rot angemarkert.

Mehr ist in der Akte nicht enthalten gewesen.

Die Familie blieb dann aber an ihrem Wohnort und ist nie wieder nach Tomaszow zurückgekehrt.

Kann mich jemand über diese Umstände aufklären?

Ich verstehe das nicht so ganz.

Vielen Dank.

Anja

Hallo, Anja,
   ich wll versuchen, zur Aufklaerung beizutragen, bitte aber weitere
   Mitforscher um Ergaenzung.

   1. Wann ist er Betreffende aus Tomaszow nach Erfurt 1939 gereist? Vor
   dem Krieg (dann war er kein Volksdeutscher, sondern Pole)? Oder nach
   dem 1. September - dann mit einem Passierschein als Volksdeutscher?
   2. 1941 will er zurueckkehren: Zu diesem Zeitpunkt gehoert Tomaszow zum
   Generalgouvernement, nicht zum Reich. Ich wuesste jedoch nicht, was
   dagegen spraeche, dass er dort als "Volksdeutscher" sein Erbe antreten
   konnte.
   3. Warum die Familie dennoch in Erfurt geblieben ist? Vielleicht wurde
   das geerbte Elternhaus in Tomaszow verkauft.

   Gruss!
   Beate

Hallo Beate,

danke für deine Rückmeldung.

1. er reiste im Oktober mit Passierschein, also dann wohl als Volksdeutscher (war aber in Tom.Maz geboren, seine Frau und 2 seiner Kinder sind in Deutschland geboren, die Frau hat sich 1934 in Tom. einen Ausweis ausstellen lassen)

Was hatte der Passierschein für eine Bedeutung?

2. dazu gibt es nur das von mir wiedergegebene Schreiben, mit dem unterstrichenen O- für Osten

Von Geschwistern liegen mir Akten der EWZ vor, dass sind aber nur je 3 Seiten, Einbürgerung beantragt: ja, im Aug. 1940 und ein Vermerk, dass die 14jähr. Tochter seines Bruders zur Zeit in Litzmannstadt sei. Da wurde auch in der Familie immer erzählt die Tochter war im KZ. Warum?Wieso?

Würde das bedeuten, die Einbürgerung wurde abgelehnt?

Vom Bruder gibt es im polnischen Archiv Akten zur Klage auf Herausgabe von einem Grundstück. Die Akten sind aber nicht digitalisiert.

Also scheint es für mich doch einen Grund gegeben zu haben, weswegen es sein könnte, dass eine Rückkehr nicht genehmigt wurde.

Grüße
Anja

Hallo Beate,
Hallo Anja,
es ist immer bissl wie Kaffeesatz lesen wenn man nichts in der Hand (vor Augen) hat.

Es geht los mit dem Begriff "Volksdeutscher"
Damit wurden eigentlich vor dem Krieg die polnischen Staatsangehörigen deutscher Abstammung von den Nazis bezeichnet. Dieser Begriff wurde dann beibehalten im allgemeinem Sprachgebrauch.
1939 wurde es dann allmählich zum "amtlichen" Begriff. Es erfolgte die Einstufung in 3 Kategorien entsprechend des Abstammungs/Erbverhältnisses. Diese Zugehörigkeit und Anerkennung als "Volksdeutscher der Kategorie I, II oder III. war entsprechend zu dokumentieren und erfolgte nur auf Antrag. Wie diese Anträge dann zu Stande kamen war und ist eine andere Sache.
Daraus folgt für mich, dass diese Anträge/Einstufungen nicht oder kaum vor 1940 eingereicht und abgeschlossen werden konnten.

Die Übersiedlung 1939 aus Tomaszow nach Erfurt erfolgte möglicherweise als Rückkehrer auf eigene Veranlassung und Wunsch und fiel damit m. E. nicht unter die oben genannte "Volksdeutsche" Regelung. Damit erklärt sich für mich die "späte" Beantwortung und entsprechende Kennzeichnung.

Das Generalgouvernement war rechtlich Besatzungsgebiet und unterlag nur bedingt der reichsdeutschen Gesetzbarkeit.

Dass die Familie nach Erfurt umsiedelte zeugt von bestehenden Familienverbindungen.

Grüße aus Gostynin
Günther

Użytkownik "Beate Jungnick via Mittelpolen-L" <mittelpolen-l@genealogy.net> napisał(a):

Hallo Anja,
Hallo Beate,

die Mails haben sich bissl überschnitten, deswegen noch der Zusatz:

Der "Passierschein" war eigentlich die amtliche Genehmigung zum Passieren der Reichsgrenze. Eigentlich wäre vor dem Kriege dafür ein Reisepass nötig gewesen. Durch die Besetzung des polnischen Staatsgebietes reduzierte sich das auf einen Passierschein.

Ich staune, dass die Frau "nur" einen polnischen Ausweis brauchte - bekam. Ich hatte eigentlich bei der restriktiven Minderheitenpolitik des poln. Staates und den bereits bestehenden Spannungen eine "Einbürgerung" erwartet.

Die Behörde war verunsichert und fragte deshalb zurück. es war ein Einzelfall. Ziel war es ja eigentlich den Osten mit Deutschen zu bevölkern.

Zur Frage "Warum KZ".....Das kann einige Gründe haben.
Der schlechteste war, dass sie als Viertel- oder Halbjude registriert war und zu den Arbeitssklaven im Getto Litzmannstadt gehörte.
Wir vergessen-wissen aber nicht, dass zum Betreiben einer solchen Fabrikations- Reparaturstätte auch Fachpersonal gebraucht wurde. Teils zur Aufsicht, teils zur Qualitätskontrolle und weiteren uns nicht bekannten Aufgaben, wie z.B. Sprachkundige. Es muss also nicht zwingend von der Opferrolle ausgegangen werden. Dies erklärt auch, dass die Familie in Erfurt offensichtlich keinen Repressionen ausgesetzt war oder davon nichts bekannt ist.

Welches Datum hat der Antrag des Bruders auf Rückübertragung/ Entschädigung?

Grüße aus Gostynin
Günther

Użytkownik "walbröl via Mittelpolen-L" <mittelpolen-l@genealogy.net> napisał(a):