(English version at end)
Vorwort
Zu den bedeutenden sozialgeschichtlichen Phänomenen des 19.
Jahrhunderts gehört die vorwiegend auf Nordamerika gerichtete
Auswanderungsbewegung aus deutschen Territorien. Das nachfolgende
Verzeichnis erfasst die Auswanderungen zwischen 1825 und 1870 aus dem
damaligen Landdrosteibezirk Osnabrück, also den heutigen Landkreisen
Osnabrück, Emsland und Grafschaft Bentheim sowie der Stadt Osnabrück,
soweit sie in der Regel durch Erteilung eines Konsenses -
aktenkundig geworden sind. Wieviele Personen darüber hinaus ohne
behördliche Genehmigung ausgewandert sind, ist unbekannt. Schätzungen
gehen dahin, dass ihre Zahl annähernd derjenigen der legalen
Emigranten entspricht. Unter Auswanderung wird hier nicht nur der
klassische Fall der Ausreise ins überseeische Ausland verstanden,
sondern jedes Ausscheiden aus dem hannoverschen beziehungsweise ab
1866 preußischen Untertanenverband, auch wenn ein anderer
europäischer oder sogar deutscher Staat das Ziel war. Ausgewertet
wurden ausschließlich Akten des Staatsarchivs Osnabrück, im einzelnen
solche der mittleren (Landdrostei) und unteren staatlichen
Verwaltungsebene (Ämter, Vogteien) sowie der vom Staatsarchiv
betreuten Stadtarchive (unter anderem Osnabrück, Bramsche, Lingen,
Neuenhaus, Quakenbrück). Die Gliederung (Klassifikation) richtet sich
nach der Verwaltungseinteilung des Landdrosteibezirks Osnabrück in
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und umfasst neben den vier
selbständigen Städten Lingen, Melle, Osnabrück und Quakenbrück die
einzelnen Ämter, die ihrerseits nach Kirchspielen aufgeteilt sind.
Innerhalb der Kirchspiele sind die Auswanderer alphabetisch
aufgelistet. Die den Akten in Bezug auf den einzelnen Auswanderer
entnommenen Angaben wurden mit Hilfe eines zehn Positionen
umfassenden Schemas gegliedert: (1) Name und Wohnort. (2)
Geburtsdatum oder Lebensalter und vom Wohnort abweichender
Geburtsort. (3) Beruf. (4) Namen der Eltern. (5) Mitauswandernde
Familienangehörige mit Angabe des Verwandschaftsverhältnisses wie
Frau, Bruder, Tochter, Sohn etc. (6) Konfession. (7)
Auswanderungsziel. (8) Auswanderungzeitpunkt; genannt ist das genaue
Datum, gegebenenfalls auch nur das Jahr, der Passerteilung,
Konsenserteilung oder der Abreise vom Wohnort. (9) Vermögen. (10)
Bemerkungen; hier erfolgt eine stichwortartige Erläuterung der
Auswanderungsgründe, zum Beispiel durch Angaben über die familiäre
oder wirtschaftliche Situation. Die Durchsicht und Auswertung der
Akten übernahm der Osnabrücker Archivar Herbert Budde; sie war 1982
abgeschlossen. Die Dateneingabe erfolgte im Rahmen mehrerer
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Das Hauptziel der Auswanderer aus dem
Osnabrücker Raum bildeten die USA, mit weitem Abstand am häufigsten
als Zielorte genannt wurden Baltimore, Cincinnati, New York und St.
Louis. Auffällig selten treten dagegen die Stadt Milwaukee wie auch
der Bundesstaat Wisconsin überhaupt in Erscheinung, die ja an sich
ein besonderen Schwerpunkt der deutschen Neuansiedlung darstellten.
Osnabrücker wanderten auch nach Argentinien, Australien und Brasilien
aus, vereinzelt beabsichtigte man sogar, sich nach Chile, Kuba und
Niederländisch-Ostindien einzuschiffen. Unter den europäischen
Ländern dominieren eindeutig die Niederlande, wobei offenbleibt, ob
zum Beispiel das häufig erwähnte Amsterdam bereits den Endpunkt der
Auswanderung oder nur eine Zwischenstation vor der Einschiffung nach
Übersee bildete. Die Beschwernisse und Gefahren der
Überseeauswanderung im 19. Jahrhundert anfangs auf Segel- später
auf Dampfschiffen sind hinlänglich bekannt. Mit der in den Akten
immer wiederkehrenden Hoffnung auf ein besseres Auskommen nahmen
vor allem Angehörige der sozial unterprivilegierten Schichten dieses
Wagnis auf sich. Bei den Osnabrücker Auswanderern begegnen am
häufigsten Berufsbezeichnungen wie Magd, Dienstmagd, Knecht,
Ackermann oder Tagelöhner, was wohl den Schluss erlaubt, dass die
Mehrzahl der Auswanderer der Schicht der unselbständig in der
Landwirtschaft Beschäftigten entstammte. Ebenfalls stark vertreten
waren die Handwerker und die Arbeiter. Der Vollständigkeit halber sei
erwähnt, dass sich auch Bildhauer, Geistliche, Gymnasiasten und
Literaten auf den Weg machten. Literatur (Auswahl): Aengenvoort,
Anne: Migration Siedlungsbildung Akkulturation. Die Auswanderung
Nordwestdeutscher nach Ohio 1830 1914, Stuttgart 1999. Bölsker-
Schlicht, Franz: Von Schledehausen in die Neue Welt. Die Nordamerika-
Auswanderung im 19. Jahrhundert. In: Schelenburg Kirchspiel
Landgemeinde. 900 Jahre Schledehausen, Bissendorf 1990, S. 341 362.
Eiynck, Andreas: Emsländische Auswanderer in die Niederlande (17.
19. Jahrhundert). In: Osnabrücker Mitteilungen 103, 1998, S. 125
156. Harger, Swenna u. Loren Lemmen: Auswanderung aus der Grafschaft
Bentheim nach Nordamerika, Nordhorn 1996. Hinze, Konrad:
Auswanderungen nach Amerika aus dem Kirchspiel Belm. In: Heimat-
Jahrbuch für Osnabrück-Stadt und Land, Osnabrück 1975. Holtmann, A.:
Aus den nördlichen Niederlanden und dem deutschen Nordwesten nach
Nordamerika. Motive und Reiseerfahrungen der Auswanderer im 19.
Jahrhundert. In: Rondom Eems en Dollard, Groningen, Leer 1992, S. 433
449. Kamphoefner, Walter D., Peter Marschalck u. Birgit Nolte-
Schuster: Von Heuerleuten und Farmern. Die Auswanderung aus dem
Osnabrücker Land nach Nordamerika im 19. Jahrhundert (Begleitband zur
gleichnamigen Ausstellung des Landschaftsverbandes Osnabrücker Land
e.V. und der Stadt Quakenbrück), Bramsche 1999. Rolf, Hubert K.:
Auswanderer nach Nordamerika. In: Geschichte zwischen den Feldern
(Beiträge zur Geschichte Georgsmarienhüttes und seiner Stadtteile Bd.
3), Georgsmarienhütte 1997, S. 69 74. Tenfelde, Walter:
Auswanderungen und Auswanderer aus dem ehemaligen Kreise Lingen nach
Nordamerika, Lingen 1993. Thörner, Udo: Spurensuche Auswanderer aus
dem Osnabrücker Land in den USA. In: Osnabrücker Land 1998, Heimat-
Jahrbuch, S. 263 276. Voort, Heinrich: Die ersten Amerika-
Auswanderer aus dem Flecken Bentheim. In: Jahrbuch des Heimatvereins
der Grafschaft Bentheim 1981, Nordhorn 1980.